Scharwachten in dem feindlichen Lager verdoppelt waren: man bemerkte Fackeln, die sich hin und her bewegten; auch dieß Mal hielt er für das Beste sich wieder zurückzuziehen. 1
Hatten die Evangelischen einst zur Zeit ihrer Überle- genheit Bedenken getragen den Kaiser anzugreifen, so konnte sich der Kaiser, wiewohl er jetzt ohne Zweifel der Mächti- gere war, doch auch zu keinem ernstlichen Anfall auf das evangelische Lager entschließen. Die Fehler welche die Er- sten begiengen, waren hauptsächlich politischer Art: sie ent- sprangen aus freund-nachbarlichen Rücksichten, oder weil sie sich förmlich hatten täuschen lassen; militärisch aber ward die Sache so schlecht nicht geführt, wie man wohl häufig annimmt; war der Angriff nicht glücklich, so ließ sich doch nichts gegen die Vertheidigung sagen; -- bis in den An- fang Novembers hatten die Kaiserlichen noch nichts Wesent- liches gewonnen.
Mit der vorrückenden Jahreszeit geriethen sie vielmehr in Nachtheil. Den Spaniern, noch mehr aber den Italie- nern, war das deutsche Clima verderblich: die kalten Nächte brachten die Italiener um: man fand ihre Leichen zuweilen ganz schwarz um ein ausgebranntes Feuer her liegen. Über- dieß litt man viel von Regen: im Lager stand der Koth ei- nen Schuh hoch; tödtliche Krankheiten griffen um sich, na- mentlich die rothe Ruhr, und man wollte berechnen, daß das kaiserliche Heer nur durch Scharmützel und Krankheiten mehr als 15000 M. verloren habe. Überdieß näherte sich
1MocenigoRelatione di 1548. Nelle scaramuzze quasi sempre li nostri (Cesarei) hebbero la peggiore. Vgl. Diarium Gunterrodianum bei Mogenhist. captivitatis Philippi 299.
Achtes Buch. Zweites Capitel.
Scharwachten in dem feindlichen Lager verdoppelt waren: man bemerkte Fackeln, die ſich hin und her bewegten; auch dieß Mal hielt er für das Beſte ſich wieder zurückzuziehen. 1
Hatten die Evangeliſchen einſt zur Zeit ihrer Überle- genheit Bedenken getragen den Kaiſer anzugreifen, ſo konnte ſich der Kaiſer, wiewohl er jetzt ohne Zweifel der Mächti- gere war, doch auch zu keinem ernſtlichen Anfall auf das evangeliſche Lager entſchließen. Die Fehler welche die Er- ſten begiengen, waren hauptſächlich politiſcher Art: ſie ent- ſprangen aus freund-nachbarlichen Rückſichten, oder weil ſie ſich förmlich hatten täuſchen laſſen; militäriſch aber ward die Sache ſo ſchlecht nicht geführt, wie man wohl häufig annimmt; war der Angriff nicht glücklich, ſo ließ ſich doch nichts gegen die Vertheidigung ſagen; — bis in den An- fang Novembers hatten die Kaiſerlichen noch nichts Weſent- liches gewonnen.
Mit der vorrückenden Jahreszeit geriethen ſie vielmehr in Nachtheil. Den Spaniern, noch mehr aber den Italie- nern, war das deutſche Clima verderblich: die kalten Nächte brachten die Italiener um: man fand ihre Leichen zuweilen ganz ſchwarz um ein ausgebranntes Feuer her liegen. Über- dieß litt man viel von Regen: im Lager ſtand der Koth ei- nen Schuh hoch; tödtliche Krankheiten griffen um ſich, na- mentlich die rothe Ruhr, und man wollte berechnen, daß das kaiſerliche Heer nur durch Scharmützel und Krankheiten mehr als 15000 M. verloren habe. Überdieß näherte ſich
1MocenigoRelatione di 1548. Nelle scaramuzze quasi sempre li nostri (Cesarei) hebbero la peggiore. Vgl. Diarium Gunterrodianum bei Mogenhist. captivitatis Philippi 299.
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Achtes Buch. Zweites Capitel.
Scharwachten in dem feindlichen Lager verdoppelt waren: man
bemerkte Fackeln, die ſich hin und her bewegten; auch dieß
Mal hielt er für das Beſte ſich wieder zurückzuziehen. 1
Hatten die Evangeliſchen einſt zur Zeit ihrer Überle-
genheit Bedenken getragen den Kaiſer anzugreifen, ſo konnte
ſich der Kaiſer, wiewohl er jetzt ohne Zweifel der Mächti-
gere war, doch auch zu keinem ernſtlichen Anfall auf das
evangeliſche Lager entſchließen. Die Fehler welche die Er-
ſten begiengen, waren hauptſächlich politiſcher Art: ſie ent-
ſprangen aus freund-nachbarlichen Rückſichten, oder weil
ſie ſich förmlich hatten täuſchen laſſen; militäriſch aber ward
die Sache ſo ſchlecht nicht geführt, wie man wohl häufig
annimmt; war der Angriff nicht glücklich, ſo ließ ſich doch
nichts gegen die Vertheidigung ſagen; — bis in den An-
fang Novembers hatten die Kaiſerlichen noch nichts Weſent-
liches gewonnen.
Mit der vorrückenden Jahreszeit geriethen ſie vielmehr
in Nachtheil. Den Spaniern, noch mehr aber den Italie-
nern, war das deutſche Clima verderblich: die kalten Nächte
brachten die Italiener um: man fand ihre Leichen zuweilen
ganz ſchwarz um ein ausgebranntes Feuer her liegen. Über-
dieß litt man viel von Regen: im Lager ſtand der Koth ei-
nen Schuh hoch; tödtliche Krankheiten griffen um ſich, na-
mentlich die rothe Ruhr, und man wollte berechnen, daß
das kaiſerliche Heer nur durch Scharmützel und Krankheiten
mehr als 15000 M. verloren habe. Überdieß näherte ſich
1 Mocenigo Relatione di 1548. Nelle scaramuzze quasi
sempre li nostri (Cesarei) hebbero la peggiore. Vgl. Diarium
Gunterrodianum bei Mogen hist. captivitatis Philippi 299.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/450>, abgerufen am 22.11.2024.
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