Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Der schmalkaldische Krieg. Schärtlin.
vorwärts zu rücken: vielleicht Trient heimzusuchen um das
Concilium auseinanderzujagen: auf jeden Fall aber an den
Grenzen von Deutschland die Truppen abzuwehren die aus
Italien dem Kaiser zuzogen, die Straßen nach Baiern so
gut zu schließen wie die nach Schwaben. Auch dieß wäre
noch ein großer Erfolg gewesen, der den Protestanten die
Überlegenheit im Felde gesichert hätte.

Allein auch dem setzte sich die Bedenklichkeit der Kriegs-
räthe entgegen. Hinter der Vieldeutigkeit der Rede, mit der
man die Verhältnisse umkleidete, konnten sie das wahre We-
sen derselben noch immer nicht erkennen. Wer sollte es glau-
ben? Sie zweifelten noch, ob König Ferdinand sich für sei-
nen Bruder, den Kaiser, erklären würde. Um ihn nicht zum
Feinde zu bekommen, verboten sie ihrem Obersten alles wei-
tere Vorrücken. Er mußte seine Truppen von Lermoos, wo-
hin sie vorgegangen, wieder abrufen, sich mit Zusagen be-
gnügen, von denen sich wohl voraussehen ließ daß sie nicht
würden gehalten werden, und den Rückweg nach Augsburg
einschlagen.

Ein Kriegsgefährte vergleicht die Stimmung Schärtlins
in diesem Augenblick mit der Stimmung Hannibals, als er
von seiner Vaterstadt aus Italien abberufen ward.

Hiedurch geschah nun aber, daß der Kaiser nicht allein
selbst ungefährdet blieb, sondern alle seine Vorbereitungen
sich ohne Hinderniß entwickelten.

Während die Verbündeten in Tyrol vordrangen, ließ

nöthigt, vielleicht weil er sich diesen nicht anders erklären konnte, aber
ohne Zweifel fälschlich: Schärtlin sagt ausdrücklich: "ich fand auch
keinen Widerstand in Tyrol." p. 90.

Der ſchmalkaldiſche Krieg. Schaͤrtlin.
vorwärts zu rücken: vielleicht Trient heimzuſuchen um das
Concilium auseinanderzujagen: auf jeden Fall aber an den
Grenzen von Deutſchland die Truppen abzuwehren die aus
Italien dem Kaiſer zuzogen, die Straßen nach Baiern ſo
gut zu ſchließen wie die nach Schwaben. Auch dieß wäre
noch ein großer Erfolg geweſen, der den Proteſtanten die
Überlegenheit im Felde geſichert hätte.

Allein auch dem ſetzte ſich die Bedenklichkeit der Kriegs-
räthe entgegen. Hinter der Vieldeutigkeit der Rede, mit der
man die Verhältniſſe umkleidete, konnten ſie das wahre We-
ſen derſelben noch immer nicht erkennen. Wer ſollte es glau-
ben? Sie zweifelten noch, ob König Ferdinand ſich für ſei-
nen Bruder, den Kaiſer, erklären würde. Um ihn nicht zum
Feinde zu bekommen, verboten ſie ihrem Oberſten alles wei-
tere Vorrücken. Er mußte ſeine Truppen von Lermoos, wo-
hin ſie vorgegangen, wieder abrufen, ſich mit Zuſagen be-
gnügen, von denen ſich wohl vorausſehen ließ daß ſie nicht
würden gehalten werden, und den Rückweg nach Augsburg
einſchlagen.

Ein Kriegsgefährte vergleicht die Stimmung Schärtlins
in dieſem Augenblick mit der Stimmung Hannibals, als er
von ſeiner Vaterſtadt aus Italien abberufen ward.

Hiedurch geſchah nun aber, daß der Kaiſer nicht allein
ſelbſt ungefährdet blieb, ſondern alle ſeine Vorbereitungen
ſich ohne Hinderniß entwickelten.

Während die Verbündeten in Tyrol vordrangen, ließ

noͤthigt, vielleicht weil er ſich dieſen nicht anders erklaͤren konnte, aber
ohne Zweifel faͤlſchlich: Schaͤrtlin ſagt ausdruͤcklich: „ich fand auch
keinen Widerſtand in Tyrol.“ p. 90.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0433" n="421"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der &#x017F;chmalkaldi&#x017F;che Krieg. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118754734">Scha&#x0364;rtlin</persName></hi>.</fw><lb/>
vorwärts zu rücken: vielleicht <placeName>Trient</placeName> heimzu&#x017F;uchen um das<lb/>
Concilium auseinanderzujagen: auf jeden Fall aber an den<lb/>
Grenzen von <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName> die Truppen abzuwehren die aus<lb/><placeName>Italien</placeName> dem Kai&#x017F;er zuzogen, die Straßen nach <placeName>Baiern</placeName> &#x017F;o<lb/>
gut zu &#x017F;chließen wie die nach <placeName>Schwaben</placeName>. Auch dieß wäre<lb/>
noch ein großer Erfolg gewe&#x017F;en, der den Prote&#x017F;tanten die<lb/>
Überlegenheit im Felde ge&#x017F;ichert hätte.</p><lb/>
          <p>Allein auch dem &#x017F;etzte &#x017F;ich die Bedenklichkeit der Kriegs-<lb/>
räthe entgegen. Hinter der Vieldeutigkeit der Rede, mit der<lb/>
man die Verhältni&#x017F;&#x017F;e umkleidete, konnten &#x017F;ie das wahre We-<lb/>
&#x017F;en der&#x017F;elben noch immer nicht erkennen. Wer &#x017F;ollte es glau-<lb/>
ben? Sie zweifelten noch, ob König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName> &#x017F;ich für &#x017F;ei-<lb/>
nen Bruder, den Kai&#x017F;er, erklären würde. Um ihn nicht zum<lb/>
Feinde zu bekommen, verboten &#x017F;ie ihrem Ober&#x017F;ten alles wei-<lb/>
tere Vorrücken. Er mußte &#x017F;eine Truppen von <placeName>Lermoos</placeName>, wo-<lb/>
hin &#x017F;ie vorgegangen, wieder abrufen, &#x017F;ich mit Zu&#x017F;agen be-<lb/>
gnügen, von denen &#x017F;ich wohl voraus&#x017F;ehen ließ daß &#x017F;ie nicht<lb/>
würden gehalten werden, und den Rückweg nach <placeName>Augsburg</placeName><lb/>
ein&#x017F;chlagen.</p><lb/>
          <p>Ein Kriegsgefährte vergleicht die Stimmung <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118754734">Schärtlins</persName><lb/>
in die&#x017F;em Augenblick mit der Stimmung <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118545655">Hannibals</persName>, als er<lb/>
von &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt aus <placeName>Italien</placeName> abberufen ward.</p><lb/>
          <p>Hiedurch ge&#x017F;chah nun aber, daß der Kai&#x017F;er nicht allein<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ungefährdet blieb, &#x017F;ondern alle &#x017F;eine Vorbereitungen<lb/>
&#x017F;ich ohne Hinderniß entwickelten.</p><lb/>
          <p>Während die Verbündeten in <placeName>Tyrol</placeName> vordrangen, ließ<lb/><note xml:id="fn25f" prev="#fn25i" place="foot" n="2">no&#x0364;thigt, vielleicht weil er &#x017F;ich die&#x017F;en nicht anders erkla&#x0364;ren konnte, aber<lb/>
ohne Zweifel fa&#x0364;l&#x017F;chlich: <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118754734">Scha&#x0364;rtlin</persName> &#x017F;agt ausdru&#x0364;cklich: &#x201E;ich fand auch<lb/>
keinen Wider&#x017F;tand in <placeName>Tyrol</placeName>.&#x201C; <hi rendition="#aq">p.</hi> 90.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0433] Der ſchmalkaldiſche Krieg. Schaͤrtlin. vorwärts zu rücken: vielleicht Trient heimzuſuchen um das Concilium auseinanderzujagen: auf jeden Fall aber an den Grenzen von Deutſchland die Truppen abzuwehren die aus Italien dem Kaiſer zuzogen, die Straßen nach Baiern ſo gut zu ſchließen wie die nach Schwaben. Auch dieß wäre noch ein großer Erfolg geweſen, der den Proteſtanten die Überlegenheit im Felde geſichert hätte. Allein auch dem ſetzte ſich die Bedenklichkeit der Kriegs- räthe entgegen. Hinter der Vieldeutigkeit der Rede, mit der man die Verhältniſſe umkleidete, konnten ſie das wahre We- ſen derſelben noch immer nicht erkennen. Wer ſollte es glau- ben? Sie zweifelten noch, ob König Ferdinand ſich für ſei- nen Bruder, den Kaiſer, erklären würde. Um ihn nicht zum Feinde zu bekommen, verboten ſie ihrem Oberſten alles wei- tere Vorrücken. Er mußte ſeine Truppen von Lermoos, wo- hin ſie vorgegangen, wieder abrufen, ſich mit Zuſagen be- gnügen, von denen ſich wohl vorausſehen ließ daß ſie nicht würden gehalten werden, und den Rückweg nach Augsburg einſchlagen. Ein Kriegsgefährte vergleicht die Stimmung Schärtlins in dieſem Augenblick mit der Stimmung Hannibals, als er von ſeiner Vaterſtadt aus Italien abberufen ward. Hiedurch geſchah nun aber, daß der Kaiſer nicht allein ſelbſt ungefährdet blieb, ſondern alle ſeine Vorbereitungen ſich ohne Hinderniß entwickelten. Während die Verbündeten in Tyrol vordrangen, ließ 2 2 noͤthigt, vielleicht weil er ſich dieſen nicht anders erklaͤren konnte, aber ohne Zweifel faͤlſchlich: Schaͤrtlin ſagt ausdruͤcklich: „ich fand auch keinen Widerſtand in Tyrol.“ p. 90.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/433
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/433>, abgerufen am 22.11.2024.