von Solms in einem Gespräch mit Naves zu Mainz der allgemeinen Meinung, daß der Kaiser die Protestanten mit Krieg überziehen wolle. "Sagt man dieß?" versetzte Naves unbefangen, "es ist nicht wahr."
Am 28sten März traf Landgraf Philipp mit dem Kai- ser, auf dessen Wege nach Regensburg, in Speier zusam- men. Der Kaiser suchte ihm auszureden, daß seinen Ver- handlungen mit Frankreich oder den Osmanen eine feind- liche Absicht gegen die Protestanten zu Grunde liege; das Concilium habe er nur befördert, damit die Geistlichkeit sich selbst reformire; was aber dort auch beschlossen werde, so wolle er darum auf keinen Fall Krieg gegen die Protestan- ten anfangen. Der Landgraf erwiederte ganz treffend, daß sich jetzt von einem allgemeinen Concilium nichts mehr er- warten lasse: viel zu weit seyen die deutsche Nation und die andern von einander entfernt; würde der Kaiser dennoch in Folge eines solchen den evangelischen Glauben unterdrücken wollen, so werde er Hunderttausende umbringen müssen und sich zuletzt nur selbst geschwächt haben. Ihm am meisten werde es zu Statten kommen, wenn er sich durch eine bil- lige und gnädige Regierung das Wohlwollen der Stände verschaffe. 1
Betrachtungen, die auch dem Kaiser wohl zuweilen noch durch den Kopf giengen.
So weit die Sache auch schon gediehen, so viel Vor- bereitungen gemacht, so viel Verabredungen getroffen waren,
1 Bei Schmidt N. G. I, c. 5, jedoch nicht ohne Auslassungen, die hie und da sehr wesentlich sind. Wir kommen hier noch einmal auf Sleidanus zurück, lib. XVII, der hier die Handschrift des Landgrafen übersetzte. Seckendorf sagt nach der Vergleichung: exacte respondet.
Achtes Buch. Erſtes Capitel.
von Solms in einem Geſpräch mit Naves zu Mainz der allgemeinen Meinung, daß der Kaiſer die Proteſtanten mit Krieg überziehen wolle. „Sagt man dieß?“ verſetzte Naves unbefangen, „es iſt nicht wahr.“
Am 28ſten März traf Landgraf Philipp mit dem Kai- ſer, auf deſſen Wege nach Regensburg, in Speier zuſam- men. Der Kaiſer ſuchte ihm auszureden, daß ſeinen Ver- handlungen mit Frankreich oder den Osmanen eine feind- liche Abſicht gegen die Proteſtanten zu Grunde liege; das Concilium habe er nur befördert, damit die Geiſtlichkeit ſich ſelbſt reformire; was aber dort auch beſchloſſen werde, ſo wolle er darum auf keinen Fall Krieg gegen die Proteſtan- ten anfangen. Der Landgraf erwiederte ganz treffend, daß ſich jetzt von einem allgemeinen Concilium nichts mehr er- warten laſſe: viel zu weit ſeyen die deutſche Nation und die andern von einander entfernt; würde der Kaiſer dennoch in Folge eines ſolchen den evangeliſchen Glauben unterdrücken wollen, ſo werde er Hunderttauſende umbringen müſſen und ſich zuletzt nur ſelbſt geſchwächt haben. Ihm am meiſten werde es zu Statten kommen, wenn er ſich durch eine bil- lige und gnädige Regierung das Wohlwollen der Stände verſchaffe. 1
Betrachtungen, die auch dem Kaiſer wohl zuweilen noch durch den Kopf giengen.
So weit die Sache auch ſchon gediehen, ſo viel Vor- bereitungen gemacht, ſo viel Verabredungen getroffen waren,
1 Bei Schmidt N. G. I, c. 5, jedoch nicht ohne Auslaſſungen, die hie und da ſehr weſentlich ſind. Wir kommen hier noch einmal auf Sleidanus zuruͤck, lib. XVII, der hier die Handſchrift des Landgrafen uͤberſetzte. Seckendorf ſagt nach der Vergleichung: exacte respondet.
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Achtes Buch. Erſtes Capitel.
von Solms in einem Geſpräch mit Naves zu Mainz der
allgemeinen Meinung, daß der Kaiſer die Proteſtanten mit
Krieg überziehen wolle. „Sagt man dieß?“ verſetzte Naves
unbefangen, „es iſt nicht wahr.“
Am 28ſten März traf Landgraf Philipp mit dem Kai-
ſer, auf deſſen Wege nach Regensburg, in Speier zuſam-
men. Der Kaiſer ſuchte ihm auszureden, daß ſeinen Ver-
handlungen mit Frankreich oder den Osmanen eine feind-
liche Abſicht gegen die Proteſtanten zu Grunde liege; das
Concilium habe er nur befördert, damit die Geiſtlichkeit ſich
ſelbſt reformire; was aber dort auch beſchloſſen werde, ſo
wolle er darum auf keinen Fall Krieg gegen die Proteſtan-
ten anfangen. Der Landgraf erwiederte ganz treffend, daß
ſich jetzt von einem allgemeinen Concilium nichts mehr er-
warten laſſe: viel zu weit ſeyen die deutſche Nation und die
andern von einander entfernt; würde der Kaiſer dennoch in
Folge eines ſolchen den evangeliſchen Glauben unterdrücken
wollen, ſo werde er Hunderttauſende umbringen müſſen und
ſich zuletzt nur ſelbſt geſchwächt haben. Ihm am meiſten
werde es zu Statten kommen, wenn er ſich durch eine bil-
lige und gnädige Regierung das Wohlwollen der Stände
verſchaffe. 1
Betrachtungen, die auch dem Kaiſer wohl zuweilen noch
durch den Kopf giengen.
So weit die Sache auch ſchon gediehen, ſo viel Vor-
bereitungen gemacht, ſo viel Verabredungen getroffen waren,
1 Bei Schmidt N. G. I, c. 5, jedoch nicht ohne Auslaſſungen, die
hie und da ſehr weſentlich ſind. Wir kommen hier noch einmal auf
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uͤberſetzte. Seckendorf ſagt nach der Vergleichung: exacte respondet.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/400>, abgerufen am 25.07.2024.
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