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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
zu lesen, versetzte ihm jener mit einem Beil von hinten her
einen Hieb in den Nacken, so daß das Schlachtopfer auf der
Stelle niederstürzte und sich sterbend in seinem Blute wälzte.
Der Bruder selber, Alfonso, hatte indeß die Thür gehütet: sie
eilten zu ihren Pferden und hatten ihre Maaßregeln so gut ge-
nommen, daß sie erst in Insbruck ergriffen wurden. Im er-
sten Augenblick dachte man sie zu bestrafen: allein der Papst
machte geltend, daß beide, der Herr und der Diener, Cleri-
ker seyen, und entzog sie den weltlichen Gerichten. Viele
Jahre nachher konnte Alfonso seine That dem spanischen Ge-
schichtschreiber Sepulveda in aller Sicherheit erzählen: noch
immer voll Genugthuung daß sie ihm gelungen war. 1

Welchen Eindruck aber mußte nun dieß Ereigniß, in
Verbindung mit so viel andern täglich eingehenden Nach-
richten verwandter Natur, in Deutschland hervorbringen!

War der Gegensatz der zwischen den beiden Brüdern
bestand, nicht derselbe der im Colloquium zu Tage kam?

1 Die Erzählungen von diesem Ereigniß, welche Melanchthon
und Lange auf die ersten Nachrichten bekannt machten, hätte man spä-
ter nicht so ohne Weiteres wiederholen sollen. Dagegen haben wir
von Claude Senarcle, dem Begleiter des Diaz auf seiner religiösen
Wanderschaft, einen sehr zuverläßigen Bericht, Historia vera de morte
Johannis Diazii, 1546,
wiederholt im Scriniarium von Gerdes. Da
findet sich auch Johannis Diazii christianae religionis summa, die ein-
zige Schrift des Unglücklichen, und wohl am meisten dadurch merkwür-
dig, daß der Autor über die Verfassung der Kirche sich ganz die deut-
schen Ideen angeeignet hat, und nichts weiter fordert als eine fromme
Obrigkeit und wachsame Diener am Wort. Wenn Sepulveda mit
Scnarcle übereinstimmt, so rührt dieß nicht davon her, daß er die-
sen Bericht vor sich hatte, sonst würde er das Ereigniß nicht ins
Jahr 1541 setzen wie er es thut, sondern daher, daß er an Alfonso
einen zuverläßigen Berichterstatter hatte. Einige weitere Momente
enthält noch die Klageschrift welche die protestantischen Stände am
folgenden Reichstag dem Kaiser einhändigten.

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
zu leſen, verſetzte ihm jener mit einem Beil von hinten her
einen Hieb in den Nacken, ſo daß das Schlachtopfer auf der
Stelle niederſtürzte und ſich ſterbend in ſeinem Blute wälzte.
Der Bruder ſelber, Alfonſo, hatte indeß die Thür gehütet: ſie
eilten zu ihren Pferden und hatten ihre Maaßregeln ſo gut ge-
nommen, daß ſie erſt in Insbruck ergriffen wurden. Im er-
ſten Augenblick dachte man ſie zu beſtrafen: allein der Papſt
machte geltend, daß beide, der Herr und der Diener, Cleri-
ker ſeyen, und entzog ſie den weltlichen Gerichten. Viele
Jahre nachher konnte Alfonſo ſeine That dem ſpaniſchen Ge-
ſchichtſchreiber Sepulveda in aller Sicherheit erzählen: noch
immer voll Genugthuung daß ſie ihm gelungen war. 1

Welchen Eindruck aber mußte nun dieß Ereigniß, in
Verbindung mit ſo viel andern täglich eingehenden Nach-
richten verwandter Natur, in Deutſchland hervorbringen!

War der Gegenſatz der zwiſchen den beiden Brüdern
beſtand, nicht derſelbe der im Colloquium zu Tage kam?

1 Die Erzaͤhlungen von dieſem Ereigniß, welche Melanchthon
und Lange auf die erſten Nachrichten bekannt machten, haͤtte man ſpaͤ-
ter nicht ſo ohne Weiteres wiederholen ſollen. Dagegen haben wir
von Claude Senarclē, dem Begleiter des Diaz auf ſeiner religioͤſen
Wanderſchaft, einen ſehr zuverlaͤßigen Bericht, Historia vera de morte
Johannis Diazii, 1546,
wiederholt im Scriniarium von Gerdes. Da
findet ſich auch Johannis Diazii christianae religionis summa, die ein-
zige Schrift des Ungluͤcklichen, und wohl am meiſten dadurch merkwuͤr-
dig, daß der Autor uͤber die Verfaſſung der Kirche ſich ganz die deut-
ſchen Ideen angeeignet hat, und nichts weiter fordert als eine fromme
Obrigkeit und wachſame Diener am Wort. Wenn Sepulveda mit
Scnarclē uͤbereinſtimmt, ſo ruͤhrt dieß nicht davon her, daß er die-
ſen Bericht vor ſich hatte, ſonſt wuͤrde er das Ereigniß nicht ins
Jahr 1541 ſetzen wie er es thut, ſondern daher, daß er an Alfonſo
einen zuverlaͤßigen Berichterſtatter hatte. Einige weitere Momente
enthaͤlt noch die Klageſchrift welche die proteſtantiſchen Staͤnde am
folgenden Reichstag dem Kaiſer einhaͤndigten.
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[386/0398] Achtes Buch. Erſtes Capitel. zu leſen, verſetzte ihm jener mit einem Beil von hinten her einen Hieb in den Nacken, ſo daß das Schlachtopfer auf der Stelle niederſtürzte und ſich ſterbend in ſeinem Blute wälzte. Der Bruder ſelber, Alfonſo, hatte indeß die Thür gehütet: ſie eilten zu ihren Pferden und hatten ihre Maaßregeln ſo gut ge- nommen, daß ſie erſt in Insbruck ergriffen wurden. Im er- ſten Augenblick dachte man ſie zu beſtrafen: allein der Papſt machte geltend, daß beide, der Herr und der Diener, Cleri- ker ſeyen, und entzog ſie den weltlichen Gerichten. Viele Jahre nachher konnte Alfonſo ſeine That dem ſpaniſchen Ge- ſchichtſchreiber Sepulveda in aller Sicherheit erzählen: noch immer voll Genugthuung daß ſie ihm gelungen war. 1 Welchen Eindruck aber mußte nun dieß Ereigniß, in Verbindung mit ſo viel andern täglich eingehenden Nach- richten verwandter Natur, in Deutſchland hervorbringen! War der Gegenſatz der zwiſchen den beiden Brüdern beſtand, nicht derſelbe der im Colloquium zu Tage kam? 1 Die Erzaͤhlungen von dieſem Ereigniß, welche Melanchthon und Lange auf die erſten Nachrichten bekannt machten, haͤtte man ſpaͤ- ter nicht ſo ohne Weiteres wiederholen ſollen. Dagegen haben wir von Claude Senarclē, dem Begleiter des Diaz auf ſeiner religioͤſen Wanderſchaft, einen ſehr zuverlaͤßigen Bericht, Historia vera de morte Johannis Diazii, 1546, wiederholt im Scriniarium von Gerdes. Da findet ſich auch Johannis Diazii christianae religionis summa, die ein- zige Schrift des Ungluͤcklichen, und wohl am meiſten dadurch merkwuͤr- dig, daß der Autor uͤber die Verfaſſung der Kirche ſich ganz die deut- ſchen Ideen angeeignet hat, und nichts weiter fordert als eine fromme Obrigkeit und wachſame Diener am Wort. Wenn Sepulveda mit Scnarclē uͤbereinſtimmt, ſo ruͤhrt dieß nicht davon her, daß er die- ſen Bericht vor ſich hatte, ſonſt wuͤrde er das Ereigniß nicht ins Jahr 1541 ſetzen wie er es thut, ſondern daher, daß er an Alfonſo einen zuverlaͤßigen Berichterſtatter hatte. Einige weitere Momente enthaͤlt noch die Klageſchrift welche die proteſtantiſchen Staͤnde am folgenden Reichstag dem Kaiſer einhaͤndigten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/398>, abgerufen am 22.11.2024.