auf den letzten Federzug vorzubereiten, aber dann inne zu hal- ten. Einen definitiven Entschluß hatte er noch nicht gefaßt.
Vielmehr leitete er in diesem Augenblicke, wie man in Worms beschlossen, noch einen Versuch der Pacification, ein neues Religionsgespräch, ein.
Freilich trugen schon seine Vorbereitungen ein ganz an- deres Gepräge als die früheren.
Dieß Mal suchte er nicht mehr wie früher nach Män- nern einer gemäßigten Meinung: die strengsten Eiferer viel- mehr, einen Cochläus und Billik, stellte er als Colloquenten auf; 1 die vornehmste Rolle aber übertrug er einem Spanier, Pedro Malvenda, der von allem Anhauch deutscher Meinun- gen rein geblieben.
Und dieser griff nun die Sache mit großer Entschie- denheit an. Es hätte ihm noch nicht genügt, protestan- tische Lehren zu bestreiten; seine ersten Angriffe richtete er vielmehr gegen die Lehrformel, über die man sich im J. 1541 vereinigt hatte: vor allem im Artikel von der Recht- fertigung. Die Protestanten blieben bei der getroffenen Über- einkunft stehn: namentlich Butzer, dessen Genossen Brenz, Schnepf und Georg Major waren, drückte sich fast ganz mit den Worten Contarinis aus; aber Malvenda wollte nicht mehr von der imputativen, sondern nur noch von der inhärirenden, eingegossenen Gnade hören. Auch in der Me-
1 Die Gesinnung des Carmeliter Billik ergiebt sich aus seinem Bericht: Neudecker Urkk. 787. "Die Bestien", heißt es darin von den Protestanten p. 793, "ließen sich vernemen, was sie auch ganz unverschämt und mit trutzigen worten unterstunden zu erhalten das Gesprech were angesagt, damit die lautere und reine lere des Evan- gelii (also nennen sie ire ketzerei) offenbar wurde etc."
Achtes Buch. Erſtes Capitel.
auf den letzten Federzug vorzubereiten, aber dann inne zu hal- ten. Einen definitiven Entſchluß hatte er noch nicht gefaßt.
Vielmehr leitete er in dieſem Augenblicke, wie man in Worms beſchloſſen, noch einen Verſuch der Pacification, ein neues Religionsgeſpräch, ein.
Freilich trugen ſchon ſeine Vorbereitungen ein ganz an- deres Gepräge als die früheren.
Dieß Mal ſuchte er nicht mehr wie früher nach Män- nern einer gemäßigten Meinung: die ſtrengſten Eiferer viel- mehr, einen Cochläus und Billik, ſtellte er als Colloquenten auf; 1 die vornehmſte Rolle aber übertrug er einem Spanier, Pedro Malvenda, der von allem Anhauch deutſcher Meinun- gen rein geblieben.
Und dieſer griff nun die Sache mit großer Entſchie- denheit an. Es hätte ihm noch nicht genügt, proteſtan- tiſche Lehren zu beſtreiten; ſeine erſten Angriffe richtete er vielmehr gegen die Lehrformel, über die man ſich im J. 1541 vereinigt hatte: vor allem im Artikel von der Recht- fertigung. Die Proteſtanten blieben bei der getroffenen Über- einkunft ſtehn: namentlich Butzer, deſſen Genoſſen Brenz, Schnepf und Georg Major waren, drückte ſich faſt ganz mit den Worten Contarinis aus; aber Malvenda wollte nicht mehr von der imputativen, ſondern nur noch von der inhärirenden, eingegoſſenen Gnade hören. Auch in der Me-
1 Die Geſinnung des Carmeliter Billik ergiebt ſich aus ſeinem Bericht: Neudecker Urkk. 787. „Die Beſtien“, heißt es darin von den Proteſtanten p. 793, „ließen ſich vernemen, was ſie auch ganz unverſchaͤmt und mit trutzigen worten unterſtunden zu erhalten das Geſprech were angeſagt, damit die lautere und reine lere des Evan- gelii (alſo nennen ſie ire ketzerei) offenbar wurde ꝛc.“
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Achtes Buch. Erſtes Capitel.
auf den letzten Federzug vorzubereiten, aber dann inne zu hal-
ten. Einen definitiven Entſchluß hatte er noch nicht gefaßt.
Vielmehr leitete er in dieſem Augenblicke, wie man in
Worms beſchloſſen, noch einen Verſuch der Pacification, ein
neues Religionsgeſpräch, ein.
Freilich trugen ſchon ſeine Vorbereitungen ein ganz an-
deres Gepräge als die früheren.
Dieß Mal ſuchte er nicht mehr wie früher nach Män-
nern einer gemäßigten Meinung: die ſtrengſten Eiferer viel-
mehr, einen Cochläus und Billik, ſtellte er als Colloquenten
auf; 1 die vornehmſte Rolle aber übertrug er einem Spanier,
Pedro Malvenda, der von allem Anhauch deutſcher Meinun-
gen rein geblieben.
Und dieſer griff nun die Sache mit großer Entſchie-
denheit an. Es hätte ihm noch nicht genügt, proteſtan-
tiſche Lehren zu beſtreiten; ſeine erſten Angriffe richtete er
vielmehr gegen die Lehrformel, über die man ſich im J.
1541 vereinigt hatte: vor allem im Artikel von der Recht-
fertigung. Die Proteſtanten blieben bei der getroffenen Über-
einkunft ſtehn: namentlich Butzer, deſſen Genoſſen Brenz,
Schnepf und Georg Major waren, drückte ſich faſt ganz
mit den Worten Contarinis aus; aber Malvenda wollte
nicht mehr von der imputativen, ſondern nur noch von der
inhärirenden, eingegoſſenen Gnade hören. Auch in der Me-
1 Die Geſinnung des Carmeliter Billik ergiebt ſich aus ſeinem
Bericht: Neudecker Urkk. 787. „Die Beſtien“, heißt es darin von
den Proteſtanten p. 793, „ließen ſich vernemen, was ſie auch ganz
unverſchaͤmt und mit trutzigen worten unterſtunden zu erhalten das
Geſprech were angeſagt, damit die lautere und reine lere des Evan-
gelii (alſo nennen ſie ire ketzerei) offenbar wurde ꝛc.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/392>, abgerufen am 25.07.2024.
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