Speier und dann aufs neue in Worms verabredete Seque- stration nicht gedacht werden. Wiewohl das Ereigniß mit der Zeit noch andere Folgen gehabt hat, so war doch die nächste, daß die Protestanten dadurch zu größerm Selbstver- trauen und neuem Ansehen im Reiche gelangten.
Dazu trug nun nicht wenig bei, daß ein Churfürst des Rei- ches, den der Papst abzusetzen drohte, -- eine Befugniß die das Reich früher dem römischen Hofe bestritten, -- nicht bei dem Kaiser, sondern bei ihnen Schutz fand und in ihren Bund trat.
Der Vorgang von Cölln vermochte auch den Churfür- fürsten von der Pfalz über seine Aufnahme in den Bund zu unterhandeln. Von Tag zu Tag erklärte er sich entschiede- ner. Am 17ten Januar 1546 empfieng seine Gemahlin und ein Theil des Hofes wie der Bürgerschaft in der Pfarrkirche zu Heidelberg das Abendmahl unter beiderlei Gestalt.
Und noch ein fünfter Churfürst schien in diesem Augen- blick gewonnen werden zu können.
Nach dem Tode des Cardinal Albrecht im September 1545 ward unter dem Einfluß von Hessen und PfalzSe- bastian von Heusenstamm zum Erzbischof von Mainz ge- wählt. Wenn wir den Versicherungen eines landgräflichen Gesandten glauben dürfen, so versprach Heusenstamm, haupt- sächlich mit den Evangelisch-gesinnten von seinem Adel und seinem Capitel zu regieren; er bat sich sogar von Philipp einen "christlichen" Canzler aus und erbot sich zu einer christ- lichen Reformation. Gegen den Landgrafen selbst erklärte er sich für freie Predigt, Priesterehe und beiderlei Gestalt. 1 Er
1 Schreiben des Landgrafen Höchst 6 Februar bei Neudecker Actenstücke p. 677.
Achtes Buch. Erſtes Capitel.
Speier und dann aufs neue in Worms verabredete Seque- ſtration nicht gedacht werden. Wiewohl das Ereigniß mit der Zeit noch andere Folgen gehabt hat, ſo war doch die nächſte, daß die Proteſtanten dadurch zu größerm Selbſtver- trauen und neuem Anſehen im Reiche gelangten.
Dazu trug nun nicht wenig bei, daß ein Churfürſt des Rei- ches, den der Papſt abzuſetzen drohte, — eine Befugniß die das Reich früher dem römiſchen Hofe beſtritten, — nicht bei dem Kaiſer, ſondern bei ihnen Schutz fand und in ihren Bund trat.
Der Vorgang von Cölln vermochte auch den Churfür- fürſten von der Pfalz über ſeine Aufnahme in den Bund zu unterhandeln. Von Tag zu Tag erklärte er ſich entſchiede- ner. Am 17ten Januar 1546 empfieng ſeine Gemahlin und ein Theil des Hofes wie der Bürgerſchaft in der Pfarrkirche zu Heidelberg das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt.
Und noch ein fünfter Churfürſt ſchien in dieſem Augen- blick gewonnen werden zu können.
Nach dem Tode des Cardinal Albrecht im September 1545 ward unter dem Einfluß von Heſſen und PfalzSe- baſtian von Heuſenſtamm zum Erzbiſchof von Mainz ge- wählt. Wenn wir den Verſicherungen eines landgräflichen Geſandten glauben dürfen, ſo verſprach Heuſenſtamm, haupt- ſächlich mit den Evangeliſch-geſinnten von ſeinem Adel und ſeinem Capitel zu regieren; er bat ſich ſogar von Philipp einen „chriſtlichen“ Canzler aus und erbot ſich zu einer chriſt- lichen Reformation. Gegen den Landgrafen ſelbſt erklärte er ſich für freie Predigt, Prieſterehe und beiderlei Geſtalt. 1 Er
1 Schreiben des Landgrafen Hoͤchſt 6 Februar bei Neudecker Actenſtuͤcke p. 677.
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Achtes Buch. Erſtes Capitel.
Speier und dann aufs neue in Worms verabredete Seque-
ſtration nicht gedacht werden. Wiewohl das Ereigniß mit
der Zeit noch andere Folgen gehabt hat, ſo war doch die
nächſte, daß die Proteſtanten dadurch zu größerm Selbſtver-
trauen und neuem Anſehen im Reiche gelangten.
Dazu trug nun nicht wenig bei, daß ein Churfürſt des Rei-
ches, den der Papſt abzuſetzen drohte, — eine Befugniß die das
Reich früher dem römiſchen Hofe beſtritten, — nicht bei dem
Kaiſer, ſondern bei ihnen Schutz fand und in ihren Bund trat.
Der Vorgang von Cölln vermochte auch den Churfür-
fürſten von der Pfalz über ſeine Aufnahme in den Bund zu
unterhandeln. Von Tag zu Tag erklärte er ſich entſchiede-
ner. Am 17ten Januar 1546 empfieng ſeine Gemahlin und
ein Theil des Hofes wie der Bürgerſchaft in der Pfarrkirche
zu Heidelberg das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt.
Und noch ein fünfter Churfürſt ſchien in dieſem Augen-
blick gewonnen werden zu können.
Nach dem Tode des Cardinal Albrecht im September
1545 ward unter dem Einfluß von Heſſen und Pfalz Se-
baſtian von Heuſenſtamm zum Erzbiſchof von Mainz ge-
wählt. Wenn wir den Verſicherungen eines landgräflichen
Geſandten glauben dürfen, ſo verſprach Heuſenſtamm, haupt-
ſächlich mit den Evangeliſch-geſinnten von ſeinem Adel und
ſeinem Capitel zu regieren; er bat ſich ſogar von Philipp
einen „chriſtlichen“ Canzler aus und erbot ſich zu einer chriſt-
lichen Reformation. Gegen den Landgrafen ſelbſt erklärte er
ſich für freie Predigt, Prieſterehe und beiderlei Geſtalt. 1 Er
1 Schreiben des Landgrafen Hoͤchſt 6 Februar bei Neudecker
Actenſtuͤcke p. 677.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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