Denn dazu, was viele Andere und auch der Dauphin wünschten, daß man dem Kaiser eine Schlacht angeboten hätte, war er auch unter diesen Umständen nicht zu bewegen. Seit dem Tage von Pavia vermied er fast systematisch alle Feld- schlachten. Er sagte wohl, der Verlust einer Schlacht werde dem Kaiser nichts als ein Heer kosten, ihm aber vielleicht eine Provinz oder das Reich. Es schien ihm genug, wenn die näch- sten Orte, Lagny, Meaux und Ferte gehörig besetzt würden.
Und in der That: wenn Carl V sich rühmen konnte, daß seit den Zeiten der Ottonen kein deutsches Heer so tief in Frankreich vorgedrungen war, so war doch auch die Verle- genheit nicht gering in die er sich damit gestürzt. Bei wei- term Vorrücken hätte er ohne Zweifel in den ebengenannten Plätzen besseren Widerstand gefunden als bisher. Selbst wenn er diese genommen, wenn er Paris erobert hätte, wäre nicht bei der Plünderung der Stadt die Auflösung des eigenen Hee- res zu fürchten gewesen? Schon war es hie und da zwischen Spaniern und Deutschen zu ernsten Händeln gekommen; der Oberst der Landsknechte, Graf Fürstenberg, der sie in Ord- nung zu halten wußte, war allzu rasch vorangehend, in Ge- fangenschaft gerathen. Was einst in Rom geschehen war, hätte sich in Paris wiederholen können; aber mit weit grö- ßerer Gefahr. Das frische und unbesiegte Heer das in der Nähe stand, würde nicht unverrichteter Dinge vor den Mauern zurückgewichen seyn, wie dort der Herzog von Urbino.
Ohnehin dürfte man dem Kaiser nicht, nach dem Wort- laut seiner Verträge mit England, die ernstliche Absicht zuschrei- ben, Frankreich mit dieser Macht zu theilen, in dem alten Sinn der Kriege Burgunds und Englands gegen Valois:
Krieg mit Frankreich 1544.
Denn dazu, was viele Andere und auch der Dauphin wünſchten, daß man dem Kaiſer eine Schlacht angeboten hätte, war er auch unter dieſen Umſtänden nicht zu bewegen. Seit dem Tage von Pavia vermied er faſt ſyſtematiſch alle Feld- ſchlachten. Er ſagte wohl, der Verluſt einer Schlacht werde dem Kaiſer nichts als ein Heer koſten, ihm aber vielleicht eine Provinz oder das Reich. Es ſchien ihm genug, wenn die näch- ſten Orte, Lagny, Meaux und Ferte gehörig beſetzt würden.
Und in der That: wenn Carl V ſich rühmen konnte, daß ſeit den Zeiten der Ottonen kein deutſches Heer ſo tief in Frankreich vorgedrungen war, ſo war doch auch die Verle- genheit nicht gering in die er ſich damit geſtürzt. Bei wei- term Vorrücken hätte er ohne Zweifel in den ebengenannten Plätzen beſſeren Widerſtand gefunden als bisher. Selbſt wenn er dieſe genommen, wenn er Paris erobert hätte, wäre nicht bei der Plünderung der Stadt die Auflöſung des eigenen Hee- res zu fürchten geweſen? Schon war es hie und da zwiſchen Spaniern und Deutſchen zu ernſten Händeln gekommen; der Oberſt der Landsknechte, Graf Fürſtenberg, der ſie in Ord- nung zu halten wußte, war allzu raſch vorangehend, in Ge- fangenſchaft gerathen. Was einſt in Rom geſchehen war, hätte ſich in Paris wiederholen können; aber mit weit grö- ßerer Gefahr. Das friſche und unbeſiegte Heer das in der Nähe ſtand, würde nicht unverrichteter Dinge vor den Mauern zurückgewichen ſeyn, wie dort der Herzog von Urbino.
Ohnehin dürfte man dem Kaiſer nicht, nach dem Wort- laut ſeiner Verträge mit England, die ernſtliche Abſicht zuſchrei- ben, Frankreich mit dieſer Macht zu theilen, in dem alten Sinn der Kriege Burgunds und Englands gegen Valois:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0327"n="315"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Krieg mit <placeName>Frankreich</placeName></hi> 1544.</fw><lb/><p>Denn dazu, was viele Andere und auch der Dauphin<lb/>
wünſchten, daß man dem Kaiſer eine Schlacht angeboten hätte,<lb/>
war er auch unter dieſen Umſtänden nicht zu bewegen. Seit<lb/>
dem Tage von <placeName>Pavia</placeName> vermied er faſt ſyſtematiſch alle Feld-<lb/>ſchlachten. Er ſagte wohl, der Verluſt einer Schlacht werde<lb/>
dem Kaiſer nichts als ein Heer koſten, ihm aber vielleicht eine<lb/>
Provinz oder das Reich. Es ſchien ihm genug, wenn die näch-<lb/>ſten Orte, <placeName>Lagny</placeName>, <placeName>Meaux</placeName> und <placeName>Ferte</placeName> gehörig beſetzt würden.</p><lb/><p>Und in der That: wenn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118560093">Carl <hirendition="#aq">V</hi></persName>ſich rühmen konnte,<lb/>
daß ſeit den Zeiten der Ottonen kein deutſches Heer ſo tief in<lb/><placeName>Frankreich</placeName> vorgedrungen war, ſo war doch auch die Verle-<lb/>
genheit nicht gering in die er ſich damit geſtürzt. Bei wei-<lb/>
term Vorrücken hätte er ohne Zweifel in den ebengenannten<lb/>
Plätzen beſſeren Widerſtand gefunden als bisher. Selbſt wenn<lb/>
er dieſe genommen, wenn er <placeName>Paris</placeName> erobert hätte, wäre nicht<lb/>
bei der Plünderung der Stadt die Auflöſung des eigenen Hee-<lb/>
res zu fürchten geweſen? Schon war es hie und da zwiſchen<lb/>
Spaniern und Deutſchen zu ernſten Händeln gekommen; der<lb/>
Oberſt der Landsknechte, Graf <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119678837">Fürſtenberg</persName>, der ſie in Ord-<lb/>
nung zu halten wußte, war allzu raſch vorangehend, in Ge-<lb/>
fangenſchaft gerathen. Was einſt in <placeName>Rom</placeName> geſchehen war,<lb/>
hätte ſich in <placeName>Paris</placeName> wiederholen können; aber mit weit grö-<lb/>
ßerer Gefahr. Das friſche und unbeſiegte Heer das in der<lb/>
Nähe ſtand, würde nicht unverrichteter Dinge vor den Mauern<lb/>
zurückgewichen ſeyn, wie dort der Herzog von <placeName>Urbino</placeName>.</p><lb/><p>Ohnehin dürfte man dem Kaiſer nicht, nach dem Wort-<lb/>
laut ſeiner Verträge mit <placeName>England</placeName>, die ernſtliche Abſicht zuſchrei-<lb/>
ben, <placeName>Frankreich</placeName> mit dieſer Macht zu theilen, in dem alten<lb/>
Sinn der Kriege <placeName>Burgunds</placeName> und <placeName>Englands</placeName> gegen <placeName>Valois</placeName>:<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[315/0327]
Krieg mit Frankreich 1544.
Denn dazu, was viele Andere und auch der Dauphin
wünſchten, daß man dem Kaiſer eine Schlacht angeboten hätte,
war er auch unter dieſen Umſtänden nicht zu bewegen. Seit
dem Tage von Pavia vermied er faſt ſyſtematiſch alle Feld-
ſchlachten. Er ſagte wohl, der Verluſt einer Schlacht werde
dem Kaiſer nichts als ein Heer koſten, ihm aber vielleicht eine
Provinz oder das Reich. Es ſchien ihm genug, wenn die näch-
ſten Orte, Lagny, Meaux und Ferte gehörig beſetzt würden.
Und in der That: wenn Carl V ſich rühmen konnte,
daß ſeit den Zeiten der Ottonen kein deutſches Heer ſo tief in
Frankreich vorgedrungen war, ſo war doch auch die Verle-
genheit nicht gering in die er ſich damit geſtürzt. Bei wei-
term Vorrücken hätte er ohne Zweifel in den ebengenannten
Plätzen beſſeren Widerſtand gefunden als bisher. Selbſt wenn
er dieſe genommen, wenn er Paris erobert hätte, wäre nicht
bei der Plünderung der Stadt die Auflöſung des eigenen Hee-
res zu fürchten geweſen? Schon war es hie und da zwiſchen
Spaniern und Deutſchen zu ernſten Händeln gekommen; der
Oberſt der Landsknechte, Graf Fürſtenberg, der ſie in Ord-
nung zu halten wußte, war allzu raſch vorangehend, in Ge-
fangenſchaft gerathen. Was einſt in Rom geſchehen war,
hätte ſich in Paris wiederholen können; aber mit weit grö-
ßerer Gefahr. Das friſche und unbeſiegte Heer das in der
Nähe ſtand, würde nicht unverrichteter Dinge vor den Mauern
zurückgewichen ſeyn, wie dort der Herzog von Urbino.
Ohnehin dürfte man dem Kaiſer nicht, nach dem Wort-
laut ſeiner Verträge mit England, die ernſtliche Abſicht zuſchrei-
ben, Frankreich mit dieſer Macht zu theilen, in dem alten
Sinn der Kriege Burgunds und Englands gegen Valois:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/327>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.