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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Krieg mit Frankreich 1544.
Vermandois über die Somme zu gehn, und so auf Paris
vorzudringen. 1 Es fehlte aber viel, daß er dieß ausgeführt
hätte. Nach seiner Landung schien es ihm besser, vor allen
Dingen Boulogne zu erobern, das nur mittelmäßig versehen
war und dessen Besitz die größten Vortheile darbot. Ver-
gebens suchte ihn der Kaiser davon zurückzubringen; mit des-
sen eigenem Beispiele entschuldigte er sich.

Dergestalt auf sich selber angewiesen, faßte der Kaiser
den kühnen Gedanken, die verabredete Unternehmung allein
durchzuführen.

Was ihn dazu vermochte, war nicht gerade ein Gefühl
von Überlegenheit: aus seinem eignen Munde wissen wir viel-
mehr, daß man im Lager eher an Rückzug dachte; aber
auch dieser hatte schon Schwierigkeiten, und bei dem ersten
Unfall würde ein Friede zwischen Frankreich und England zu
seinem Nachtheil geschlossen worden seyn. 2 Um nur nicht
der verlierende Theil zu bleiben, mußte er vordringen und sich
in den entschlossensten Angriff stürzen. Graf Fürstenberg, der
so oft in französischen Diensten gestanden und das Land gut
kannte, vermaß sich ihn gradezu nach Paris zu führen.

Schon war Vitry in seine Hände gefallen; jetzt wandte er
sich gegen Chalons, das damals befestigt war: die Franzo-
sen meinten nicht anders, als er werde zur Belagerung die-
ses Orts schreiten, und hatten ein Heer, das dem kaiser-

1 Statepapers I, 761.
2 Ein authentisches Document für einige der wichtigsten Mo-
tive der Kriegführung und des Friedens enthält der Aufsatz: Ce que
l'on doit considerer sur la declaration de l'alternative etc.
in den
Pap. d'et. III, 67. Damit stimmt sehr gut ein in Gosselini's Vita
di Francesco Gonzaga
enthaltener Discorso über den Frieden: der
Kaiser habe den Zug unternommen, weil er auch nicht rückwärts
gehen konnte, "con l'ardire celando l'impotenza." p. 30.

Krieg mit Frankreich 1544.
Vermandois über die Somme zu gehn, und ſo auf Paris
vorzudringen. 1 Es fehlte aber viel, daß er dieß ausgeführt
hätte. Nach ſeiner Landung ſchien es ihm beſſer, vor allen
Dingen Boulogne zu erobern, das nur mittelmäßig verſehen
war und deſſen Beſitz die größten Vortheile darbot. Ver-
gebens ſuchte ihn der Kaiſer davon zurückzubringen; mit deſ-
ſen eigenem Beiſpiele entſchuldigte er ſich.

Dergeſtalt auf ſich ſelber angewieſen, faßte der Kaiſer
den kühnen Gedanken, die verabredete Unternehmung allein
durchzuführen.

Was ihn dazu vermochte, war nicht gerade ein Gefühl
von Überlegenheit: aus ſeinem eignen Munde wiſſen wir viel-
mehr, daß man im Lager eher an Rückzug dachte; aber
auch dieſer hatte ſchon Schwierigkeiten, und bei dem erſten
Unfall würde ein Friede zwiſchen Frankreich und England zu
ſeinem Nachtheil geſchloſſen worden ſeyn. 2 Um nur nicht
der verlierende Theil zu bleiben, mußte er vordringen und ſich
in den entſchloſſenſten Angriff ſtürzen. Graf Fürſtenberg, der
ſo oft in franzöſiſchen Dienſten geſtanden und das Land gut
kannte, vermaß ſich ihn gradezu nach Paris zu führen.

Schon war Vitry in ſeine Hände gefallen; jetzt wandte er
ſich gegen Chalons, das damals befeſtigt war: die Franzo-
ſen meinten nicht anders, als er werde zur Belagerung die-
ſes Orts ſchreiten, und hatten ein Heer, das dem kaiſer-

1 Statepapers I, 761.
2 Ein authentiſches Document fuͤr einige der wichtigſten Mo-
tive der Kriegfuͤhrung und des Friedens enthaͤlt der Aufſatz: Ce que
l’on doit considerer sur la declaration de l’alternative etc.
in den
Pap. d’et. III, 67. Damit ſtimmt ſehr gut ein in Goſſelini’s Vita
di Francesco Gonzaga
enthaltener Discorso uͤber den Frieden: der
Kaiſer habe den Zug unternommen, weil er auch nicht ruͤckwaͤrts
gehen konnte, „con l’ardire celando l’impotenza.“ p. 30.
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[313/0325] Krieg mit Frankreich 1544. Vermandois über die Somme zu gehn, und ſo auf Paris vorzudringen. 1 Es fehlte aber viel, daß er dieß ausgeführt hätte. Nach ſeiner Landung ſchien es ihm beſſer, vor allen Dingen Boulogne zu erobern, das nur mittelmäßig verſehen war und deſſen Beſitz die größten Vortheile darbot. Ver- gebens ſuchte ihn der Kaiſer davon zurückzubringen; mit deſ- ſen eigenem Beiſpiele entſchuldigte er ſich. Dergeſtalt auf ſich ſelber angewieſen, faßte der Kaiſer den kühnen Gedanken, die verabredete Unternehmung allein durchzuführen. Was ihn dazu vermochte, war nicht gerade ein Gefühl von Überlegenheit: aus ſeinem eignen Munde wiſſen wir viel- mehr, daß man im Lager eher an Rückzug dachte; aber auch dieſer hatte ſchon Schwierigkeiten, und bei dem erſten Unfall würde ein Friede zwiſchen Frankreich und England zu ſeinem Nachtheil geſchloſſen worden ſeyn. 2 Um nur nicht der verlierende Theil zu bleiben, mußte er vordringen und ſich in den entſchloſſenſten Angriff ſtürzen. Graf Fürſtenberg, der ſo oft in franzöſiſchen Dienſten geſtanden und das Land gut kannte, vermaß ſich ihn gradezu nach Paris zu führen. Schon war Vitry in ſeine Hände gefallen; jetzt wandte er ſich gegen Chalons, das damals befeſtigt war: die Franzo- ſen meinten nicht anders, als er werde zur Belagerung die- ſes Orts ſchreiten, und hatten ein Heer, das dem kaiſer- 1 Statepapers I, 761. 2 Ein authentiſches Document fuͤr einige der wichtigſten Mo- tive der Kriegfuͤhrung und des Friedens enthaͤlt der Aufſatz: Ce que l’on doit considerer sur la declaration de l’alternative etc. in den Pap. d’et. III, 67. Damit ſtimmt ſehr gut ein in Goſſelini’s Vita di Francesco Gonzaga enthaltener Discorso uͤber den Frieden: der Kaiſer habe den Zug unternommen, weil er auch nicht ruͤckwaͤrts gehen konnte, „con l’ardire celando l’impotenza.“ p. 30.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/325>, abgerufen am 25.11.2024.