reich. Allein jetzt erfuhr er, wie so mancher andre Verbün- dete dieser Macht, wie falsch seine Politik gewesen war. Kö- nig Franz dachte wenig an die Versprechungen die er gege- ben; statt ihm zu Hülfe zu kommen, wollte er den Augen- blick benutzen, um wie das Land so auch die Stadt Luxen- burg, auf die er selber Ansprüche machte, zu erobern.
Die Folge war, daß der Herzog von Cleve in die nem- liche ungünstige Lage gerieth, in welcher wir so eben Hein- rich von Braunschweig gesehen; seine einzige Sicherheit be- stand in seinen Festungen. Namentlich hatte er Düren mit doppeltem Graben, zwischen beiden einem mächtigen Wall bis zur Höhe der Mauern, befestigt: er hielt es für unbezwinglich.
Dem Geschütz aber widerstanden diese Befestigungen so wenig wie einst die Ebernburg oder wie Wolfenbüttel, und bald konnte Carl V zum Sturm schreiten lassen. Die Be- satzung wehrte sich mannhaft genug: an den gefährlichsten Stellen sah man den tapfern Befehlshaber Vlaten selber in dem vordersten Haufen der Vertheidiger, mit seinem breiten Schlachtschwert das er mit beiden Händen schwang, und viermal ward der Feind zurückgetrieben; endlich aber errang die wetteifernde Wuth der Spanier und Italiener den Sieg; Vlaten ward unter den Ruinen eines zusammenstürzenden Hauses begraben; die Wälle wurden erstiegen, die Festung genommen, die Stadt aufs entsetzlichste geplündert und ver- heert. In dem Schrecken den dieß verbreitete, 1 [erg]aben sich Jülich, Ruremonde, Orkelen.
1SepulvedaXXII, 21 erzählt, man habe gesagt, der Kaiser führe eine neue Menschenrace mit sich, mit langen Krallen und her- vorstehenden Eberzähnen, "cui commento locum fecerat Hispanorum agilitas." In deutschen Schriften finde ich jedoch davon nichts.
Siebentes Buch. Achtes Capitel.
reich. Allein jetzt erfuhr er, wie ſo mancher andre Verbün- dete dieſer Macht, wie falſch ſeine Politik geweſen war. Kö- nig Franz dachte wenig an die Verſprechungen die er gege- ben; ſtatt ihm zu Hülfe zu kommen, wollte er den Augen- blick benutzen, um wie das Land ſo auch die Stadt Luxen- burg, auf die er ſelber Anſprüche machte, zu erobern.
Die Folge war, daß der Herzog von Cleve in die nem- liche ungünſtige Lage gerieth, in welcher wir ſo eben Hein- rich von Braunſchweig geſehen; ſeine einzige Sicherheit be- ſtand in ſeinen Feſtungen. Namentlich hatte er Düren mit doppeltem Graben, zwiſchen beiden einem mächtigen Wall bis zur Höhe der Mauern, befeſtigt: er hielt es für unbezwinglich.
Dem Geſchütz aber widerſtanden dieſe Befeſtigungen ſo wenig wie einſt die Ebernburg oder wie Wolfenbüttel, und bald konnte Carl V zum Sturm ſchreiten laſſen. Die Be- ſatzung wehrte ſich mannhaft genug: an den gefährlichſten Stellen ſah man den tapfern Befehlshaber Vlaten ſelber in dem vorderſten Haufen der Vertheidiger, mit ſeinem breiten Schlachtſchwert das er mit beiden Händen ſchwang, und viermal ward der Feind zurückgetrieben; endlich aber errang die wetteifernde Wuth der Spanier und Italiener den Sieg; Vlaten ward unter den Ruinen eines zuſammenſtürzenden Hauſes begraben; die Wälle wurden erſtiegen, die Feſtung genommen, die Stadt aufs entſetzlichſte geplündert und ver- heert. In dem Schrecken den dieß verbreitete, 1 [erg]aben ſich Jülich, Ruremonde, Orkelen.
1SepulvedaXXII, 21 erzaͤhlt, man habe geſagt, der Kaiſer fuͤhre eine neue Menſchenrace mit ſich, mit langen Krallen und her- vorſtehenden Eberzaͤhnen, „cui commento locum fecerat Hispanorum agilitas.“ In deutſchen Schriften finde ich jedoch davon nichts.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0306"n="294"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebentes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/><placeNamexml:id="plN4b"prev="#plN4a">reich</placeName>. Allein jetzt erfuhr er, wie ſo mancher andre Verbün-<lb/>
dete dieſer Macht, wie falſch ſeine Politik geweſen war. Kö-<lb/>
nig <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118534947">Franz</persName> dachte wenig an die Verſprechungen die er gege-<lb/>
ben; ſtatt ihm zu Hülfe zu kommen, wollte er den Augen-<lb/>
blick benutzen, um wie das Land ſo auch die Stadt <placeName>Luxen-<lb/>
burg</placeName>, auf die er ſelber Anſprüche machte, zu erobern.</p><lb/><p>Die Folge war, daß der Herzog von <placeName>Cleve</placeName> in die nem-<lb/>
liche ungünſtige Lage gerieth, in welcher wir ſo eben <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119024918">Hein-<lb/>
rich von Braunſchweig</persName> geſehen; ſeine einzige Sicherheit be-<lb/>ſtand in ſeinen Feſtungen. Namentlich hatte er Düren mit<lb/>
doppeltem Graben, zwiſchen beiden einem mächtigen Wall bis<lb/>
zur Höhe der Mauern, befeſtigt: er hielt es für unbezwinglich.</p><lb/><p>Dem Geſchütz aber widerſtanden dieſe Befeſtigungen ſo<lb/>
wenig wie einſt die <placeName>Ebernburg</placeName> oder wie <placeName>Wolfenbüttel</placeName>, und<lb/>
bald konnte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118560093">Carl <hirendition="#aq">V</hi></persName> zum Sturm ſchreiten laſſen. Die Be-<lb/>ſatzung wehrte ſich mannhaft genug: an den gefährlichſten<lb/>
Stellen ſah man den tapfern Befehlshaber <persNameref="nognd">Vlaten</persName>ſelber in<lb/>
dem vorderſten Haufen der Vertheidiger, mit ſeinem breiten<lb/>
Schlachtſchwert das er mit beiden Händen ſchwang, und<lb/>
viermal ward der Feind zurückgetrieben; endlich aber errang<lb/>
die wetteifernde Wuth der Spanier und Italiener den Sieg;<lb/><persNameref="nognd">Vlaten</persName> ward unter den Ruinen eines zuſammenſtürzenden<lb/>
Hauſes begraben; die Wälle wurden erſtiegen, die Feſtung<lb/>
genommen, die Stadt aufs entſetzlichſte geplündert und ver-<lb/>
heert. In dem Schrecken den dieß verbreitete, <noteplace="foot"n="1"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118796194">Sepulveda</persName><hirendition="#aq">XXII,</hi> 21 erzaͤhlt, man habe geſagt, der Kaiſer<lb/>
fuͤhre eine neue Menſchenrace mit ſich, mit langen Krallen und her-<lb/>
vorſtehenden Eberzaͤhnen, <hirendition="#aq">„cui commento locum fecerat Hispanorum<lb/>
agilitas.“</hi> In deutſchen Schriften finde ich jedoch davon nichts.</note><supplied>erg</supplied>aben ſich<lb/><placeName>Jülich</placeName>, <placeName>Ruremonde</placeName>, <placeName>Orkelen</placeName>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[294/0306]
Siebentes Buch. Achtes Capitel.
reich. Allein jetzt erfuhr er, wie ſo mancher andre Verbün-
dete dieſer Macht, wie falſch ſeine Politik geweſen war. Kö-
nig Franz dachte wenig an die Verſprechungen die er gege-
ben; ſtatt ihm zu Hülfe zu kommen, wollte er den Augen-
blick benutzen, um wie das Land ſo auch die Stadt Luxen-
burg, auf die er ſelber Anſprüche machte, zu erobern.
Die Folge war, daß der Herzog von Cleve in die nem-
liche ungünſtige Lage gerieth, in welcher wir ſo eben Hein-
rich von Braunſchweig geſehen; ſeine einzige Sicherheit be-
ſtand in ſeinen Feſtungen. Namentlich hatte er Düren mit
doppeltem Graben, zwiſchen beiden einem mächtigen Wall bis
zur Höhe der Mauern, befeſtigt: er hielt es für unbezwinglich.
Dem Geſchütz aber widerſtanden dieſe Befeſtigungen ſo
wenig wie einſt die Ebernburg oder wie Wolfenbüttel, und
bald konnte Carl V zum Sturm ſchreiten laſſen. Die Be-
ſatzung wehrte ſich mannhaft genug: an den gefährlichſten
Stellen ſah man den tapfern Befehlshaber Vlaten ſelber in
dem vorderſten Haufen der Vertheidiger, mit ſeinem breiten
Schlachtſchwert das er mit beiden Händen ſchwang, und
viermal ward der Feind zurückgetrieben; endlich aber errang
die wetteifernde Wuth der Spanier und Italiener den Sieg;
Vlaten ward unter den Ruinen eines zuſammenſtürzenden
Hauſes begraben; die Wälle wurden erſtiegen, die Feſtung
genommen, die Stadt aufs entſetzlichſte geplündert und ver-
heert. In dem Schrecken den dieß verbreitete, 1 ergaben ſich
Jülich, Ruremonde, Orkelen.
1 Sepulveda XXII, 21 erzaͤhlt, man habe geſagt, der Kaiſer
fuͤhre eine neue Menſchenrace mit ſich, mit langen Krallen und her-
vorſtehenden Eberzaͤhnen, „cui commento locum fecerat Hispanorum
agilitas.“ In deutſchen Schriften finde ich jedoch davon nichts.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/306>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.