Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Braunschweiger Irrung.
die Stadt dagegen fürstliche Bediente fest. Schon ließ er
auch hier die gewohnten Straßen verlegen und befahl in
seinen Dörfern Gräben zum Kriegsgebrauch zu ziehen. 1 Die
Stadt entschuldigt das Ausbleiben ihrer Gesandten zuweilen
mit der Leibesgefahr, womit ihr ungnädiger Herr einen Je-
den bedrohe, der das Weichbild verlasse.

Es leuchtet ein, daß die beiden Städte in Gefahr wa-
ren, Goßlar in einer sehr nahen und dringenden, in die Hände
des Herzogs zu fallen. Vergebens schickte König Ferdinand
seine Abgeordneten, Eberhard von Freiberg und Dr Knol-
ler
, um ihn zu warnen. Er antwortete, er werde die ergan-
gene Acht vollstrecken, und sollte er darüber Güter und Ver-
mögen zusetzen.

Das war doch am Ende der Gedanke des rechtlichen
Krieges, welcher 1530 gefaßt worden, aus welchem die Ver-
bindungen von Halle und von Nürnberg hervorgegangen;
jetzt wurde eigentlich der erste ernstliche Versuch gemacht ihn
auszuführen, ein im Sinne der Majorität erfolgtes Urtel durch
offene Gewalt zu vollstrecken.

Eben hiegegen aber war der schmalkaldische Bund ge-
schlossen worden. Auf dem Reichstag zu Speier gaben die
Bundesverwandten den beiden Oberhauptleuten Vollmacht,
wofern der Herzog den königlichen Befehlen keine Folge leiste,
der Stadt Goßlar zu Hülfe zu kommen und sie im Namen
Aller zu entledigen. 2


1 Tobias Olfen Geschichtsbücher der Stadt Braunschweig
S. 21.
2 "Wird von den Stenden eracht, wo die Puncten gemeldter
Urkunth (Versicherung von Speier) dero von Goßlar wirklich Volge
geleistet und gehalten werde, das denen von Goßlar damit geholfen

Braunſchweiger Irrung.
die Stadt dagegen fürſtliche Bediente feſt. Schon ließ er
auch hier die gewohnten Straßen verlegen und befahl in
ſeinen Dörfern Gräben zum Kriegsgebrauch zu ziehen. 1 Die
Stadt entſchuldigt das Ausbleiben ihrer Geſandten zuweilen
mit der Leibesgefahr, womit ihr ungnädiger Herr einen Je-
den bedrohe, der das Weichbild verlaſſe.

Es leuchtet ein, daß die beiden Städte in Gefahr wa-
ren, Goßlar in einer ſehr nahen und dringenden, in die Hände
des Herzogs zu fallen. Vergebens ſchickte König Ferdinand
ſeine Abgeordneten, Eberhard von Freiberg und Dr Knol-
ler
, um ihn zu warnen. Er antwortete, er werde die ergan-
gene Acht vollſtrecken, und ſollte er darüber Güter und Ver-
mögen zuſetzen.

Das war doch am Ende der Gedanke des rechtlichen
Krieges, welcher 1530 gefaßt worden, aus welchem die Ver-
bindungen von Halle und von Nürnberg hervorgegangen;
jetzt wurde eigentlich der erſte ernſtliche Verſuch gemacht ihn
auszuführen, ein im Sinne der Majorität erfolgtes Urtel durch
offene Gewalt zu vollſtrecken.

Eben hiegegen aber war der ſchmalkaldiſche Bund ge-
ſchloſſen worden. Auf dem Reichstag zu Speier gaben die
Bundesverwandten den beiden Oberhauptleuten Vollmacht,
wofern der Herzog den königlichen Befehlen keine Folge leiſte,
der Stadt Goßlar zu Hülfe zu kommen und ſie im Namen
Aller zu entledigen. 2


1 Tobias Olfen Geſchichtsbuͤcher der Stadt Braunſchweig
S. 21.
2 „Wird von den Stenden eracht, wo die Puncten gemeldter
Urkunth (Verſicherung von Speier) dero von Goßlar wirklich Volge
geleiſtet und gehalten werde, das denen von Goßlar damit geholfen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="279"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Braun&#x017F;chweiger Irrung</hi>.</fw><lb/>
die Stadt dagegen für&#x017F;tliche Bediente fe&#x017F;t. Schon ließ er<lb/>
auch hier die gewohnten Straßen verlegen und befahl in<lb/>
&#x017F;einen Dörfern Gräben zum Kriegsgebrauch zu ziehen. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/121683834">Tobias Olfen</persName> Ge&#x017F;chichtsbu&#x0364;cher der Stadt <placeName>Braun&#x017F;chweig</placeName><lb/>
S. 21.</note> Die<lb/>
Stadt ent&#x017F;chuldigt das Ausbleiben ihrer Ge&#x017F;andten zuweilen<lb/>
mit der Leibesgefahr, womit ihr ungnädiger Herr einen Je-<lb/>
den bedrohe, der das Weichbild verla&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Es leuchtet ein, daß die beiden Städte in Gefahr wa-<lb/>
ren, <placeName>Goßlar</placeName> in einer &#x017F;ehr nahen und dringenden, in die Hände<lb/>
des Herzogs zu fallen. Vergebens &#x017F;chickte König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName><lb/>
&#x017F;eine Abgeordneten, <persName ref="nognd">Eberhard von Freiberg</persName> und Dr <persName ref="nognd">Knol-<lb/>
ler</persName>, um ihn zu warnen. Er antwortete, er werde die ergan-<lb/>
gene Acht voll&#x017F;trecken, und &#x017F;ollte er darüber Güter und Ver-<lb/>
mögen zu&#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Das war doch am Ende der Gedanke des rechtlichen<lb/>
Krieges, welcher 1530 gefaßt worden, aus welchem die Ver-<lb/>
bindungen von <placeName>Halle</placeName> und von <placeName>Nürnberg</placeName> hervorgegangen;<lb/>
jetzt wurde eigentlich der er&#x017F;te ern&#x017F;tliche Ver&#x017F;uch gemacht ihn<lb/>
auszuführen, ein im Sinne der Majorität erfolgtes Urtel durch<lb/>
offene Gewalt zu voll&#x017F;trecken.</p><lb/>
          <p>Eben hiegegen aber war der &#x017F;chmalkaldi&#x017F;che Bund ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden. Auf dem Reichstag zu <placeName>Speier</placeName> gaben die<lb/>
Bundesverwandten den beiden Oberhauptleuten Vollmacht,<lb/>
wofern der Herzog den königlichen Befehlen keine Folge lei&#x017F;te,<lb/>
der Stadt <placeName>Goßlar</placeName> zu Hülfe zu kommen und &#x017F;ie im Namen<lb/>
Aller zu entledigen. <note xml:id="fn14i" n="2" place="foot" next="#fn14f">&#x201E;Wird von den Stenden eracht, wo die Puncten gemeldter<lb/>
Urkunth (Ver&#x017F;icherung von <placeName>Speier</placeName>) dero von <placeName>Goßlar</placeName> wirklich Volge<lb/>
gelei&#x017F;tet und gehalten werde, das denen von <placeName>Goßlar</placeName> damit geholfen</note></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0291] Braunſchweiger Irrung. die Stadt dagegen fürſtliche Bediente feſt. Schon ließ er auch hier die gewohnten Straßen verlegen und befahl in ſeinen Dörfern Gräben zum Kriegsgebrauch zu ziehen. 1 Die Stadt entſchuldigt das Ausbleiben ihrer Geſandten zuweilen mit der Leibesgefahr, womit ihr ungnädiger Herr einen Je- den bedrohe, der das Weichbild verlaſſe. Es leuchtet ein, daß die beiden Städte in Gefahr wa- ren, Goßlar in einer ſehr nahen und dringenden, in die Hände des Herzogs zu fallen. Vergebens ſchickte König Ferdinand ſeine Abgeordneten, Eberhard von Freiberg und Dr Knol- ler, um ihn zu warnen. Er antwortete, er werde die ergan- gene Acht vollſtrecken, und ſollte er darüber Güter und Ver- mögen zuſetzen. Das war doch am Ende der Gedanke des rechtlichen Krieges, welcher 1530 gefaßt worden, aus welchem die Ver- bindungen von Halle und von Nürnberg hervorgegangen; jetzt wurde eigentlich der erſte ernſtliche Verſuch gemacht ihn auszuführen, ein im Sinne der Majorität erfolgtes Urtel durch offene Gewalt zu vollſtrecken. Eben hiegegen aber war der ſchmalkaldiſche Bund ge- ſchloſſen worden. Auf dem Reichstag zu Speier gaben die Bundesverwandten den beiden Oberhauptleuten Vollmacht, wofern der Herzog den königlichen Befehlen keine Folge leiſte, der Stadt Goßlar zu Hülfe zu kommen und ſie im Namen Aller zu entledigen. 2 1 Tobias Olfen Geſchichtsbuͤcher der Stadt Braunſchweig S. 21. 2 „Wird von den Stenden eracht, wo die Puncten gemeldter Urkunth (Verſicherung von Speier) dero von Goßlar wirklich Volge geleiſtet und gehalten werde, das denen von Goßlar damit geholfen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/291
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/291>, abgerufen am 24.11.2024.