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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
mißvergnügt: "mir kommen Gedanken," sagt er einmal, "von
denen ich wollte, sie kämen mir nicht." 1 Hie und da habe
ich sogar zu bemerken geglaubt, daß sich in Luther selbst eine
ursprünglich richtige und reinere Auffassung durch die Einwir-
kung des Hofes trübte.

Was den Fürsten beschränkte war der mancherlei nach-
barliche Hader in dem er befangen war. Einer Sinnes-
weise wie der seinen, widerspricht es nicht, daß er, sehr
entfernt nach dem Fremden und Entlegenen zu trachten,
doch seine Rechte und Ansprüche, die er freilich für un-
leugbar hielt, mit Eifersucht behauptete. Dem Grafen von
Schwarzburg, der seine Herrschaften beim Reiche zu versteuern
Miene macht, schickt er unverzüglich einen Drommeter nach
Arnstadt und läßt ihm ungnädige Anzeigung thun; den Er-
furtern die ihm einen Abtrag versagen, läßt er dafür das
Amt Großrudstedt mit bewaffnetem Volk entreißen. Nun
geschah aber daß Streitigkeiten dieser Art nur allzu oft und
allzu nah mit der Religionssache in Berührung kamen. Wir
wissen, wie Johann Friedrich mit seinen Nachbarn Albrecht
und Georg, die den alten Glauben in Norddeutschland auf-
recht zu erhalten suchten, in mannichfaltige Händel über al-
lerlei Besitzthümer, Ansprüche, Gerichtsbarkeiten, z. B. mit
dem letztern über das Burggrafthum zu Magdeburg und das
Grävengeding in Halle verwickelt war. Von Heinrich von
Braunschweig
fürchtet er, er hege Gedanken wie seine Alt-
vordern Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe, und

1 Luther an Justus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese
esse actricem: -- olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores --
incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni.
D. W.
IV, 627.

Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
mißvergnügt: „mir kommen Gedanken,“ ſagt er einmal, „von
denen ich wollte, ſie kämen mir nicht.“ 1 Hie und da habe
ich ſogar zu bemerken geglaubt, daß ſich in Luther ſelbſt eine
urſprünglich richtige und reinere Auffaſſung durch die Einwir-
kung des Hofes trübte.

Was den Fürſten beſchränkte war der mancherlei nach-
barliche Hader in dem er befangen war. Einer Sinnes-
weiſe wie der ſeinen, widerſpricht es nicht, daß er, ſehr
entfernt nach dem Fremden und Entlegenen zu trachten,
doch ſeine Rechte und Anſprüche, die er freilich für un-
leugbar hielt, mit Eiferſucht behauptete. Dem Grafen von
Schwarzburg, der ſeine Herrſchaften beim Reiche zu verſteuern
Miene macht, ſchickt er unverzüglich einen Drommeter nach
Arnſtadt und läßt ihm ungnädige Anzeigung thun; den Er-
furtern die ihm einen Abtrag verſagen, läßt er dafür das
Amt Großrudſtedt mit bewaffnetem Volk entreißen. Nun
geſchah aber daß Streitigkeiten dieſer Art nur allzu oft und
allzu nah mit der Religionsſache in Berührung kamen. Wir
wiſſen, wie Johann Friedrich mit ſeinen Nachbarn Albrecht
und Georg, die den alten Glauben in Norddeutſchland auf-
recht zu erhalten ſuchten, in mannichfaltige Händel über al-
lerlei Beſitzthümer, Anſprüche, Gerichtsbarkeiten, z. B. mit
dem letztern über das Burggrafthum zu Magdeburg und das
Grävengeding in Halle verwickelt war. Von Heinrich von
Braunſchweig
fürchtet er, er hege Gedanken wie ſeine Alt-
vordern Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe, und

1 Luther an Juſtus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese
esse actricem: — olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores —
incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni.
D. W.
IV, 627.
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[266/0278] Siebentes Buch. Siebentes Capitel. mißvergnügt: „mir kommen Gedanken,“ ſagt er einmal, „von denen ich wollte, ſie kämen mir nicht.“ 1 Hie und da habe ich ſogar zu bemerken geglaubt, daß ſich in Luther ſelbſt eine urſprünglich richtige und reinere Auffaſſung durch die Einwir- kung des Hofes trübte. Was den Fürſten beſchränkte war der mancherlei nach- barliche Hader in dem er befangen war. Einer Sinnes- weiſe wie der ſeinen, widerſpricht es nicht, daß er, ſehr entfernt nach dem Fremden und Entlegenen zu trachten, doch ſeine Rechte und Anſprüche, die er freilich für un- leugbar hielt, mit Eiferſucht behauptete. Dem Grafen von Schwarzburg, der ſeine Herrſchaften beim Reiche zu verſteuern Miene macht, ſchickt er unverzüglich einen Drommeter nach Arnſtadt und läßt ihm ungnädige Anzeigung thun; den Er- furtern die ihm einen Abtrag verſagen, läßt er dafür das Amt Großrudſtedt mit bewaffnetem Volk entreißen. Nun geſchah aber daß Streitigkeiten dieſer Art nur allzu oft und allzu nah mit der Religionsſache in Berührung kamen. Wir wiſſen, wie Johann Friedrich mit ſeinen Nachbarn Albrecht und Georg, die den alten Glauben in Norddeutſchland auf- recht zu erhalten ſuchten, in mannichfaltige Händel über al- lerlei Beſitzthümer, Anſprüche, Gerichtsbarkeiten, z. B. mit dem letztern über das Burggrafthum zu Magdeburg und das Grävengeding in Halle verwickelt war. Von Heinrich von Braunſchweig fürchtet er, er hege Gedanken wie ſeine Alt- vordern Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe, und 1 Luther an Juſtus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese esse actricem: — olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores — incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni. D. W. IV, 627.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/278>, abgerufen am 25.11.2024.