Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Pflicht erheische sie zu bekennen. Er spottete der Beschuldi- gung, die Reformation der Kirche sey von seinen Vorfah- ren oder von ihm um der geistlichen Güter willen unter- nommen worden; er meinte, das würde heißen, die Schüs- sel zertrümmern, um sich des Löffels zu bemächtigen; so viele Widerwärtigkeiten habe man darüber bestanden und bestehe sie noch; allein es reue ihn nicht; aus der bekannten Lehre sey nun auch alles Gute hervorgegangen, wahrhafter Got- tesdienst, Besserung des Volkes, auch Erkenntniß des Ge- horsams gegen die Obrigkeit; der schmalkaldische Bund habe eine fortwährende Ausbreitung des Evangeliums ohne Krieg noch Blutvergießen hervorgebracht. Unaufhörlich arbeitete, schrieb er dafür. In den Archiven finden sich eigenhändige Aufsätze von mehreren Bogen von ihm, welche sogleich in aller Weitläuftigkeit damaliger Canzleiformen, so daß er von sich selbst nicht selten in der dritten Person mit dem Prä- dicat churfürstliche Gnaden redet, abgefaßt sind. Die Ent- würfe seiner Räthe corrigirt er von Anfang bis Ende durch und bedeckt den Rand des Papieres mit seinen Zusätzen. Und man dürfte nicht etwa glauben, daß er hierin dem Rathe seiner Theologen, namentlich Luthers, zu viel gefolgt sey. Er ist von Ehrfurcht für seinen Doctor durchdrungen: ein Blatt von ihm sey ihm lieber als ganze Bogen von an- dern: sein Wort dringe ihm durch Mark und Bein; er läßt den Tadel nicht gelten, der nicht selten über seine Heftigkeit erhoben wurde, denn er werde wohl weiter sehen und mehr verstehen als andre. Aber in den Geschäften giebt er ihm vielleicht weniger Gehör als gut gewesen wäre. Nicht selten ist Luther über das Verhalten das am Hofe beliebt wird, Pflicht erheiſche ſie zu bekennen. Er ſpottete der Beſchuldi- gung, die Reformation der Kirche ſey von ſeinen Vorfah- ren oder von ihm um der geiſtlichen Güter willen unter- nommen worden; er meinte, das würde heißen, die Schüſ- ſel zertrümmern, um ſich des Löffels zu bemächtigen; ſo viele Widerwärtigkeiten habe man darüber beſtanden und beſtehe ſie noch; allein es reue ihn nicht; aus der bekannten Lehre ſey nun auch alles Gute hervorgegangen, wahrhafter Got- tesdienſt, Beſſerung des Volkes, auch Erkenntniß des Ge- horſams gegen die Obrigkeit; der ſchmalkaldiſche Bund habe eine fortwährende Ausbreitung des Evangeliums ohne Krieg noch Blutvergießen hervorgebracht. Unaufhörlich arbeitete, ſchrieb er dafür. In den Archiven finden ſich eigenhändige Aufſätze von mehreren Bogen von ihm, welche ſogleich in aller Weitläuftigkeit damaliger Canzleiformen, ſo daß er von ſich ſelbſt nicht ſelten in der dritten Perſon mit dem Prä- dicat churfürſtliche Gnaden redet, abgefaßt ſind. Die Ent- würfe ſeiner Räthe corrigirt er von Anfang bis Ende durch und bedeckt den Rand des Papieres mit ſeinen Zuſätzen. Und man dürfte nicht etwa glauben, daß er hierin dem Rathe ſeiner Theologen, namentlich Luthers, zu viel gefolgt ſey. Er iſt von Ehrfurcht für ſeinen Doctor durchdrungen: ein Blatt von ihm ſey ihm lieber als ganze Bogen von an- dern: ſein Wort dringe ihm durch Mark und Bein; er läßt den Tadel nicht gelten, der nicht ſelten über ſeine Heftigkeit erhoben wurde, denn er werde wohl weiter ſehen und mehr verſtehen als andre. Aber in den Geſchäften giebt er ihm vielleicht weniger Gehör als gut geweſen wäre. 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Johann Friedrich.
Pflicht erheiſche ſie zu bekennen. Er ſpottete der Beſchuldi-
gung, die Reformation der Kirche ſey von ſeinen Vorfah-
ren oder von ihm um der geiſtlichen Güter willen unter-
nommen worden; er meinte, das würde heißen, die Schüſ-
ſel zertrümmern, um ſich des Löffels zu bemächtigen; ſo viele
Widerwärtigkeiten habe man darüber beſtanden und beſtehe
ſie noch; allein es reue ihn nicht; aus der bekannten Lehre
ſey nun auch alles Gute hervorgegangen, wahrhafter Got-
tesdienſt, Beſſerung des Volkes, auch Erkenntniß des Ge-
horſams gegen die Obrigkeit; der ſchmalkaldiſche Bund habe
eine fortwährende Ausbreitung des Evangeliums ohne Krieg
noch Blutvergießen hervorgebracht. Unaufhörlich arbeitete,
ſchrieb er dafür. In den Archiven finden ſich eigenhändige
Aufſätze von mehreren Bogen von ihm, welche ſogleich in
aller Weitläuftigkeit damaliger Canzleiformen, ſo daß er von
ſich ſelbſt nicht ſelten in der dritten Perſon mit dem Prä-
dicat churfürſtliche Gnaden redet, abgefaßt ſind. Die Ent-
würfe ſeiner Räthe corrigirt er von Anfang bis Ende durch
und bedeckt den Rand des Papieres mit ſeinen Zuſätzen.
Und man dürfte nicht etwa glauben, daß er hierin dem
Rathe ſeiner Theologen, namentlich Luthers, zu viel gefolgt
ſey. Er iſt von Ehrfurcht für ſeinen Doctor durchdrungen:
ein Blatt von ihm ſey ihm lieber als ganze Bogen von an-
dern: ſein Wort dringe ihm durch Mark und Bein; er läßt
den Tadel nicht gelten, der nicht ſelten über ſeine Heftigkeit
erhoben wurde, denn er werde wohl weiter ſehen und mehr
verſtehen als andre. Aber in den Geſchäften giebt er ihm
vielleicht weniger Gehör als gut geweſen wäre. Nicht ſelten
iſt Luther über das Verhalten das am Hofe beliebt wird,
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