Die vornehmste war, daß der Landgraf, dem man so- gar von dem Mittelpunct seiner Partei her mit Kaiser und Reich drohte (hat doch Luther selbst einmal darauf provo- cirt), sich dem Kaiser annäherte.
Nicht als ob der erste Grund dazu aus dieser Ange- legenheit entsprungen wäre: wir wissen wie nach dem Frieden von Cadan ein besseres Vernehmen entstand und seitdem von Lunden und Königin Maria unterhalten wurde; doch um vieles enger schloß sich der Landgraf nunmehr dem Kaiser selber an; er sagte, er müsse Mittel suchen, um Leib und Gut, Land und Leute zu retten. Bei der Zusammenkunft zu Worms, auf dem Reichstag von Regensburg zeigte er eine unerwartete Nachgiebigkeit; er fesselte endlich seine ganze Politik durch das engste Bündniß mit dem Kaiser.
In demselben Grade mußte nun aber auch sein Ver- hältniß zu andern Bundesverwandten, namentlich zu Johann Friedrich, lockerer werden.
Johann Friedrich zeichnete sich eben durch die sittlich- strenge Haltung, die er beobachtete, vor allen Zeitgenossen aus.
Nicht allein seiner Gemahlin hielt er unverbrüchliche Treue, sein Hof war überhaupt ein Muster von guter Zucht und Sittsamkeit; auch sein Feldlager wußte er in dieser Hinsicht in Ordnung zu halten. Nie gieng ein unzüchti- ges Wort aus seinem Munde; eine Unwahrheit hätte er um keinen Preis ausgesprochen: auf jede seiner Zusagen konnte man sich heilig verlassen. Wir lesen in dieser Zeit so viel von geheimen Ränken, hinterlistigen Umtrieben. In Johann
Die vornehmſte war, daß der Landgraf, dem man ſo- gar von dem Mittelpunct ſeiner Partei her mit Kaiſer und Reich drohte (hat doch Luther ſelbſt einmal darauf provo- cirt), ſich dem Kaiſer annäherte.
Nicht als ob der erſte Grund dazu aus dieſer Ange- legenheit entſprungen wäre: wir wiſſen wie nach dem Frieden von Cadan ein beſſeres Vernehmen entſtand und ſeitdem von Lunden und Königin Maria unterhalten wurde; doch um vieles enger ſchloß ſich der Landgraf nunmehr dem Kaiſer ſelber an; er ſagte, er müſſe Mittel ſuchen, um Leib und Gut, Land und Leute zu retten. Bei der Zuſammenkunft zu Worms, auf dem Reichstag von Regensburg zeigte er eine unerwartete Nachgiebigkeit; er feſſelte endlich ſeine ganze Politik durch das engſte Bündniß mit dem Kaiſer.
In demſelben Grade mußte nun aber auch ſein Ver- hältniß zu andern Bundesverwandten, namentlich zu Johann Friedrich, lockerer werden.
Johann Friedrich zeichnete ſich eben durch die ſittlich- ſtrenge Haltung, die er beobachtete, vor allen Zeitgenoſſen aus.
Nicht allein ſeiner Gemahlin hielt er unverbrüchliche Treue, ſein Hof war überhaupt ein Muſter von guter Zucht und Sittſamkeit; auch ſein Feldlager wußte er in dieſer Hinſicht in Ordnung zu halten. Nie gieng ein unzüchti- ges Wort aus ſeinem Munde; eine Unwahrheit hätte er um keinen Preis ausgeſprochen: auf jede ſeiner Zuſagen konnte man ſich heilig verlaſſen. Wir leſen in dieſer Zeit ſo viel von geheimen Ränken, hinterliſtigen Umtrieben. In Johann
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Johann Friedrich.
Die vornehmſte war, daß der Landgraf, dem man ſo-
gar von dem Mittelpunct ſeiner Partei her mit Kaiſer und
Reich drohte (hat doch Luther ſelbſt einmal darauf provo-
cirt), ſich dem Kaiſer annäherte.
Nicht als ob der erſte Grund dazu aus dieſer Ange-
legenheit entſprungen wäre: wir wiſſen wie nach dem Frieden
von Cadan ein beſſeres Vernehmen entſtand und ſeitdem von
Lunden und Königin Maria unterhalten wurde; doch um
vieles enger ſchloß ſich der Landgraf nunmehr dem Kaiſer
ſelber an; er ſagte, er müſſe Mittel ſuchen, um Leib und
Gut, Land und Leute zu retten. Bei der Zuſammenkunft
zu Worms, auf dem Reichstag von Regensburg zeigte er
eine unerwartete Nachgiebigkeit; er feſſelte endlich ſeine ganze
Politik durch das engſte Bündniß mit dem Kaiſer.
In demſelben Grade mußte nun aber auch ſein Ver-
hältniß zu andern Bundesverwandten, namentlich zu Johann
Friedrich, lockerer werden.
Johann Friedrich zeichnete ſich eben durch die ſittlich-
ſtrenge Haltung, die er beobachtete, vor allen Zeitgenoſſen aus.
Nicht allein ſeiner Gemahlin hielt er unverbrüchliche
Treue, ſein Hof war überhaupt ein Muſter von guter Zucht
und Sittſamkeit; auch ſein Feldlager wußte er in dieſer
Hinſicht in Ordnung zu halten. Nie gieng ein unzüchti-
ges Wort aus ſeinem Munde; eine Unwahrheit hätte er um
keinen Preis ausgeſprochen: auf jede ſeiner Zuſagen konnte
man ſich heilig verlaſſen. Wir leſen in dieſer Zeit ſo viel
von geheimen Ränken, hinterliſtigen Umtrieben. In Johann
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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