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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Sechstes Capitel.

Zwar arbeitete Paul III unaufhörlich an der Herstel-
lung des Friedens zwischen dem Kaiser und dem König: er
schmiedete, wie ein Nuntius sagte, kein andres Eisen; aber
die Art und Weise wie er dieß that, war den Kaiserlichen
verhaßt. Er empfahl dem König wohl Verzichtleistung auf
seine mailändischen Ansprüche; wenn er aber hinzufügte, er für
seine Person würde nichts lieber sehen, als daß Mailand an
Frankreich gelange: für den apostolischen Stuhl, ja für ganz
Italien würde dieß besser seyn: so konnten diese Vorstellungen
wohl das nicht wirken, was sie angeblich wirken sollten. 1

Um so mehr setzte sich bei dem Kaiser die Meinung
fest, der Papst hege eine unbillige Vorliebe für Frankreich.

Bei der Zusammenkunft in Lucca hatte der Kaiser die
Sache des Concils in neue Anregung gebracht; am Reichs-
tag zu Speier 1542 hatte dann der päpstliche Nuntius er-
klärt, daß es nach Trient berufen werden solle; im Mai er-
gieng die Bulle der Berufung auf nächsten ersten November.
Darin sah sich nun aber der Kaiser auf gleichen Fuß mit
dem König von Frankreich behandelt; von ihren Streitigkei-
ten ward die Verzögerung hergeleitet, ohne daß zwischen ihnen
ein Unterschied gemacht worden wäre. Er fand diese Fas-
sung ungerecht, ja beleidigend. In einem Schreiben an den
Papst gab er sie geradezu der ihm entgegengesetzten, franzö-
sisch gesinnten Faction im Cardinalscollegium Schuld, durch
welche der König alles ausrichten zu können sich rühme.

Nun traten aber in diesem Augenblicke die Verbindun-
gen Suleimans mit Franz I ohne alles Hehl hervor; durfte

1 Negotiato di lega e di pace fra l'imperatore Carlo V e
Francesco
re di Francia proposto di Monsr Ardinghello.
(Bibl.
Corsini zu Rom nr 443.)
Siebentes Buch. Sechstes Capitel.

Zwar arbeitete Paul III unaufhörlich an der Herſtel-
lung des Friedens zwiſchen dem Kaiſer und dem König: er
ſchmiedete, wie ein Nuntius ſagte, kein andres Eiſen; aber
die Art und Weiſe wie er dieß that, war den Kaiſerlichen
verhaßt. Er empfahl dem König wohl Verzichtleiſtung auf
ſeine mailändiſchen Anſprüche; wenn er aber hinzufügte, er für
ſeine Perſon würde nichts lieber ſehen, als daß Mailand an
Frankreich gelange: für den apoſtoliſchen Stuhl, ja für ganz
Italien würde dieß beſſer ſeyn: ſo konnten dieſe Vorſtellungen
wohl das nicht wirken, was ſie angeblich wirken ſollten. 1

Um ſo mehr ſetzte ſich bei dem Kaiſer die Meinung
feſt, der Papſt hege eine unbillige Vorliebe für Frankreich.

Bei der Zuſammenkunft in Lucca hatte der Kaiſer die
Sache des Concils in neue Anregung gebracht; am Reichs-
tag zu Speier 1542 hatte dann der päpſtliche Nuntius er-
klärt, daß es nach Trient berufen werden ſolle; im Mai er-
gieng die Bulle der Berufung auf nächſten erſten November.
Darin ſah ſich nun aber der Kaiſer auf gleichen Fuß mit
dem König von Frankreich behandelt; von ihren Streitigkei-
ten ward die Verzögerung hergeleitet, ohne daß zwiſchen ihnen
ein Unterſchied gemacht worden wäre. Er fand dieſe Faſ-
ſung ungerecht, ja beleidigend. In einem Schreiben an den
Papſt gab er ſie geradezu der ihm entgegengeſetzten, franzö-
ſiſch geſinnten Faction im Cardinalscollegium Schuld, durch
welche der König alles ausrichten zu können ſich rühme.

Nun traten aber in dieſem Augenblicke die Verbindun-
gen Suleimans mit Franz I ohne alles Hehl hervor; durfte

1 Negotiato di lega e di pace fra l’imperatore Carlo V e
Francesço
re di Francia proposto di Monsr Ardinghello.
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[250/0262] Siebentes Buch. Sechstes Capitel. Zwar arbeitete Paul III unaufhörlich an der Herſtel- lung des Friedens zwiſchen dem Kaiſer und dem König: er ſchmiedete, wie ein Nuntius ſagte, kein andres Eiſen; aber die Art und Weiſe wie er dieß that, war den Kaiſerlichen verhaßt. Er empfahl dem König wohl Verzichtleiſtung auf ſeine mailändiſchen Anſprüche; wenn er aber hinzufügte, er für ſeine Perſon würde nichts lieber ſehen, als daß Mailand an Frankreich gelange: für den apoſtoliſchen Stuhl, ja für ganz Italien würde dieß beſſer ſeyn: ſo konnten dieſe Vorſtellungen wohl das nicht wirken, was ſie angeblich wirken ſollten. 1 Um ſo mehr ſetzte ſich bei dem Kaiſer die Meinung feſt, der Papſt hege eine unbillige Vorliebe für Frankreich. Bei der Zuſammenkunft in Lucca hatte der Kaiſer die Sache des Concils in neue Anregung gebracht; am Reichs- tag zu Speier 1542 hatte dann der päpſtliche Nuntius er- klärt, daß es nach Trient berufen werden ſolle; im Mai er- gieng die Bulle der Berufung auf nächſten erſten November. Darin ſah ſich nun aber der Kaiſer auf gleichen Fuß mit dem König von Frankreich behandelt; von ihren Streitigkei- ten ward die Verzögerung hergeleitet, ohne daß zwiſchen ihnen ein Unterſchied gemacht worden wäre. Er fand dieſe Faſ- ſung ungerecht, ja beleidigend. In einem Schreiben an den Papſt gab er ſie geradezu der ihm entgegengeſetzten, franzö- ſiſch geſinnten Faction im Cardinalscollegium Schuld, durch welche der König alles ausrichten zu können ſich rühme. Nun traten aber in dieſem Augenblicke die Verbindun- gen Suleimans mit Franz I ohne alles Hehl hervor; durfte 1 Negotiato di lega e di pace fra l’imperatore Carlo V e Francesço re di Francia proposto di Monsr Ardinghello. (Bibl. Corſini zu Rom nr 443.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/262>, abgerufen am 25.11.2024.