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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Sechstes Capitel.
Papst die ihnen gegebene Declaration abgeleugnet. Auf ihr
dringendes Gesuch bestätigte nun wohl König Ferdinand die-
selbe auf die Zeit des Stillstandes: aber er bediente sich da-
bei eines Ausdruckes der alle ihre Befürchtungen erweckte:
sie solle so lange "in ihrem Werth bleiben." Sie ruhten
nicht bis diese höchst verfängliche Formel in die andere ab-
geändert worden war: sie solle so lange "währen". Und so-
gleich bekam auch die andre Partei einen Grund sich zu be-
schweren. Auf den nächsten Juni war endlich die Revision
des Kammergerichts festgesetzt worden; indem man nun die
nähern Bestimmungen der hierauf anzuordnenden Reform be-
sprach, erklärten die Protestanten, sie würden keinen Geistli-
chen in dem Gerichte dulden. 1 Die Katholischen fanden es
unerträglich, daß die Protestanten nicht allein in dem Gerichte
sitzen sondern auch schon Andere davon ausschließen wollten.
Der bitterste Hader erhob sich.

Was man da von einem eifrigen Zusammenwirken bei-
der Parteien zu erwarten hatte, mag der Gedanke zeigen, wel-
cher in diesem Augenblick auftauchte, ob es nicht gut sey, das
protestantische Heer gradezu von dem katholischen zu trennen.

Außerdem aber erhob man bei einem Versuche Ungarn
wiederzuerobern natürlich die Frage, wem zu Gute. Das
Haus Östreich auf allgemeine Kosten mit allgemeiner Anstren-
gung zu verstärken, war doch eigentlich Niemand gesonnen.

Eigenthümliche Klagen hatten die Städte. Entschiede-
ner als je waren sie von Stimme und Session ausgeschlos-
sen. Ein Antrag den sie öfter gemacht, die Kosten eines

1 "Nachdem dieß ein weltlich Gericht, daran nichts dann Pro-
phan und Criminalsachen tractirt werden, daß hinfüro vermöge der
Recht kein Pfaff oder Geistlicher zu dem Besitzstand gelassen werde."

Siebentes Buch. Sechstes Capitel.
Papſt die ihnen gegebene Declaration abgeleugnet. Auf ihr
dringendes Geſuch beſtätigte nun wohl König Ferdinand die-
ſelbe auf die Zeit des Stillſtandes: aber er bediente ſich da-
bei eines Ausdruckes der alle ihre Befürchtungen erweckte:
ſie ſolle ſo lange „in ihrem Werth bleiben.“ Sie ruhten
nicht bis dieſe höchſt verfängliche Formel in die andere ab-
geändert worden war: ſie ſolle ſo lange „währen“. Und ſo-
gleich bekam auch die andre Partei einen Grund ſich zu be-
ſchweren. Auf den nächſten Juni war endlich die Reviſion
des Kammergerichts feſtgeſetzt worden; indem man nun die
nähern Beſtimmungen der hierauf anzuordnenden Reform be-
ſprach, erklärten die Proteſtanten, ſie würden keinen Geiſtli-
chen in dem Gerichte dulden. 1 Die Katholiſchen fanden es
unerträglich, daß die Proteſtanten nicht allein in dem Gerichte
ſitzen ſondern auch ſchon Andere davon ausſchließen wollten.
Der bitterſte Hader erhob ſich.

Was man da von einem eifrigen Zuſammenwirken bei-
der Parteien zu erwarten hatte, mag der Gedanke zeigen, wel-
cher in dieſem Augenblick auftauchte, ob es nicht gut ſey, das
proteſtantiſche Heer gradezu von dem katholiſchen zu trennen.

Außerdem aber erhob man bei einem Verſuche Ungarn
wiederzuerobern natürlich die Frage, wem zu Gute. Das
Haus Öſtreich auf allgemeine Koſten mit allgemeiner Anſtren-
gung zu verſtärken, war doch eigentlich Niemand geſonnen.

Eigenthümliche Klagen hatten die Städte. Entſchiede-
ner als je waren ſie von Stimme und Seſſion ausgeſchloſ-
ſen. Ein Antrag den ſie öfter gemacht, die Koſten eines

1 „Nachdem dieß ein weltlich Gericht, daran nichts dann Pro-
phan und Criminalſachen tractirt werden, daß hinfuͤro vermoͤge der
Recht kein Pfaff oder Geiſtlicher zu dem Beſitzſtand gelaſſen werde.“
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[238/0250] Siebentes Buch. Sechstes Capitel. Papſt die ihnen gegebene Declaration abgeleugnet. Auf ihr dringendes Geſuch beſtätigte nun wohl König Ferdinand die- ſelbe auf die Zeit des Stillſtandes: aber er bediente ſich da- bei eines Ausdruckes der alle ihre Befürchtungen erweckte: ſie ſolle ſo lange „in ihrem Werth bleiben.“ Sie ruhten nicht bis dieſe höchſt verfängliche Formel in die andere ab- geändert worden war: ſie ſolle ſo lange „währen“. Und ſo- gleich bekam auch die andre Partei einen Grund ſich zu be- ſchweren. Auf den nächſten Juni war endlich die Reviſion des Kammergerichts feſtgeſetzt worden; indem man nun die nähern Beſtimmungen der hierauf anzuordnenden Reform be- ſprach, erklärten die Proteſtanten, ſie würden keinen Geiſtli- chen in dem Gerichte dulden. 1 Die Katholiſchen fanden es unerträglich, daß die Proteſtanten nicht allein in dem Gerichte ſitzen ſondern auch ſchon Andere davon ausſchließen wollten. Der bitterſte Hader erhob ſich. Was man da von einem eifrigen Zuſammenwirken bei- der Parteien zu erwarten hatte, mag der Gedanke zeigen, wel- cher in dieſem Augenblick auftauchte, ob es nicht gut ſey, das proteſtantiſche Heer gradezu von dem katholiſchen zu trennen. Außerdem aber erhob man bei einem Verſuche Ungarn wiederzuerobern natürlich die Frage, wem zu Gute. Das Haus Öſtreich auf allgemeine Koſten mit allgemeiner Anſtren- gung zu verſtärken, war doch eigentlich Niemand geſonnen. Eigenthümliche Klagen hatten die Städte. Entſchiede- ner als je waren ſie von Stimme und Seſſion ausgeſchloſ- ſen. Ein Antrag den ſie öfter gemacht, die Koſten eines 1 „Nachdem dieß ein weltlich Gericht, daran nichts dann Pro- phan und Criminalſachen tractirt werden, daß hinfuͤro vermoͤge der Recht kein Pfaff oder Geiſtlicher zu dem Beſitzſtand gelaſſen werde.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/250>, abgerufen am 24.11.2024.