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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Fünftes Capitel.

Hans Hofmann versichert, daß auch sein Herr, König
Ferdinand, diese Annahme wünsche.

Die Sache würde entschieden gewesen seyn, hätte noch
das alte Reichsherkommen gegolten, nach welchem der Für-
stenrath den Ansichten der Churfürsten beizutreten pflegte. Al-
lein schon seit einiger Zeit war dieß nicht mehr der Fall:
eben wegen der Mäßigung welche die Churfürsten zu zeigen
anfiengen, zogen sich die Fürsten von ihnen zurück. Durch
die große Zahl geistlicher Mitglieder und den Eifer von Baiern,
das sie alle zusammenhielt, ward hier eine compacte päpstlich-
gesinnte Mehrheit gebildet. Die Herzoge von Baiern woll-
ten nicht auf sich kommen lassen, Unrecht gethan zu haben:
sie erklärten dem Kaiser unverholen, es sey ihnen schon darum
unmöglich nachzugeben, weil sie sich dann der Nachrede aus-
setzen würden, als hätten sie mit Unrecht Strafen verhängt. In
der That, die schlimmste Folge eines begangenen Irrthums,
wenn die Consequenz daran festzuhalten nöthigt. Überdieß
aber fehlte es nicht an Einwirkungen von Rom und von
Frankreich. Längst schon zeigte der römische Hof über den
Gang der Dinge an dem Reichstag Besorgniß. Franz I
hatte zwei Gesandten in Regensburg, von denen einer sich
mehr an die Protestanten hielt, der andre aber an die Ka-
tholiken und unter diesen an Baiern. Der Papst, der König
und die deutschen Fürsten fürchteten, eine Vereinigung von
Deutschland werde den Kaiser stärker machen als gut sey. 1

die wolle dieselbigen also zu einem christlichen guten Anfang der Con-
cordia ins Werk richten und bringen lassen." Der Religionsverwand-
ten Stände Antwort etc. C. Ref. IV, 517.
1 Von Baiern und Salzburg sagt der venezianische Gesandte
(1540): nessuna cosa ponno avere piu contraria che la potentia
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.

Hans Hofmann verſichert, daß auch ſein Herr, König
Ferdinand, dieſe Annahme wünſche.

Die Sache würde entſchieden geweſen ſeyn, hätte noch
das alte Reichsherkommen gegolten, nach welchem der Für-
ſtenrath den Anſichten der Churfürſten beizutreten pflegte. Al-
lein ſchon ſeit einiger Zeit war dieß nicht mehr der Fall:
eben wegen der Mäßigung welche die Churfürſten zu zeigen
anfiengen, zogen ſich die Fürſten von ihnen zurück. Durch
die große Zahl geiſtlicher Mitglieder und den Eifer von Baiern,
das ſie alle zuſammenhielt, ward hier eine compacte päpſtlich-
geſinnte Mehrheit gebildet. Die Herzoge von Baiern woll-
ten nicht auf ſich kommen laſſen, Unrecht gethan zu haben:
ſie erklärten dem Kaiſer unverholen, es ſey ihnen ſchon darum
unmöglich nachzugeben, weil ſie ſich dann der Nachrede aus-
ſetzen würden, als hätten ſie mit Unrecht Strafen verhängt. In
der That, die ſchlimmſte Folge eines begangenen Irrthums,
wenn die Conſequenz daran feſtzuhalten nöthigt. Überdieß
aber fehlte es nicht an Einwirkungen von Rom und von
Frankreich. Längſt ſchon zeigte der römiſche Hof über den
Gang der Dinge an dem Reichstag Beſorgniß. Franz I
hatte zwei Geſandten in Regensburg, von denen einer ſich
mehr an die Proteſtanten hielt, der andre aber an die Ka-
tholiken und unter dieſen an Baiern. Der Papſt, der König
und die deutſchen Fürſten fürchteten, eine Vereinigung von
Deutſchland werde den Kaiſer ſtärker machen als gut ſey. 1

die wolle dieſelbigen alſo zu einem chriſtlichen guten Anfang der Con-
cordia ins Werk richten und bringen laſſen.“ Der Religionsverwand-
ten Staͤnde Antwort ꝛc. C. Ref. IV, 517.
1 Von Baiern und Salzburg ſagt der venezianiſche Geſandte
(1540): nessuna cosa ponno avere piu contraria che la potentia
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[218/0230] Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. Hans Hofmann verſichert, daß auch ſein Herr, König Ferdinand, dieſe Annahme wünſche. Die Sache würde entſchieden geweſen ſeyn, hätte noch das alte Reichsherkommen gegolten, nach welchem der Für- ſtenrath den Anſichten der Churfürſten beizutreten pflegte. Al- lein ſchon ſeit einiger Zeit war dieß nicht mehr der Fall: eben wegen der Mäßigung welche die Churfürſten zu zeigen anfiengen, zogen ſich die Fürſten von ihnen zurück. Durch die große Zahl geiſtlicher Mitglieder und den Eifer von Baiern, das ſie alle zuſammenhielt, ward hier eine compacte päpſtlich- geſinnte Mehrheit gebildet. Die Herzoge von Baiern woll- ten nicht auf ſich kommen laſſen, Unrecht gethan zu haben: ſie erklärten dem Kaiſer unverholen, es ſey ihnen ſchon darum unmöglich nachzugeben, weil ſie ſich dann der Nachrede aus- ſetzen würden, als hätten ſie mit Unrecht Strafen verhängt. In der That, die ſchlimmſte Folge eines begangenen Irrthums, wenn die Conſequenz daran feſtzuhalten nöthigt. Überdieß aber fehlte es nicht an Einwirkungen von Rom und von Frankreich. Längſt ſchon zeigte der römiſche Hof über den Gang der Dinge an dem Reichstag Beſorgniß. Franz I hatte zwei Geſandten in Regensburg, von denen einer ſich mehr an die Proteſtanten hielt, der andre aber an die Ka- tholiken und unter dieſen an Baiern. Der Papſt, der König und die deutſchen Fürſten fürchteten, eine Vereinigung von Deutſchland werde den Kaiſer ſtärker machen als gut ſey. 1 2 1 Von Baiern und Salzburg ſagt der venezianiſche Geſandte (1540): nessuna cosa ponno avere piu contraria che la potentia 2 die wolle dieſelbigen alſo zu einem chriſtlichen guten Anfang der Con- cordia ins Werk richten und bringen laſſen.“ Der Religionsverwand- ten Staͤnde Antwort ꝛc. C. Ref. IV, 517.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/230>, abgerufen am 23.11.2024.