Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Fünftes Capitel. aller Form verwarfen. Man kannte sie hinreichend, um sichhierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verspre- chen. Eher versuchte Granvella noch einmal bei Contarini sein Glück. Aber schon fühlte dieser sich von Verdacht und Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubenssätze so wichti- ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht in Zweifel ziehen lassen. 1 Und so war man doch auch dießmal auf dem eingeschla- An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, so Doch war das Werk noch nicht geradezu gescheitert. Uber einige der wichtigsten Lehren hatte man sich in 1 "nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur." Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſichhierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre- chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti- ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht in Zweifel ziehen laſſen. 1 Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla- An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert. Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in 1 „nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0226" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich<lb/> hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre-<lb/> chen. Eher verſuchte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName> noch einmal bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118996193">Contarini</persName><lb/> ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und<lb/> Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti-<lb/> ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht<lb/> in Zweifel ziehen laſſen. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">„nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-<lb/> creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“</hi></note></p><lb/> <p>Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla-<lb/> genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen:<lb/> nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das<lb/> Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei-<lb/> gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-<lb/> nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war:<lb/> der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti-<lb/> ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr-<lb/> hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich<lb/> daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-<lb/> mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es<lb/> eben das Prinzip ſich davon loszureißen.</p><lb/> <p>An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo<lb/> lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem<lb/> Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.</p><lb/> <p>Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.</p><lb/> <p>Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in<lb/> der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran<lb/> feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr<lb/> eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0226]
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre-
chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini
ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti-
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht
in Zweifel ziehen laſſen. 1
Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla-
genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen:
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das
Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei-
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-
nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war:
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti-
ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr-
hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-
mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es
eben das Prinzip ſich davon loszureißen.
An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo
lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem
Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.
Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.
Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran
feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr
eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-
1 „nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“
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