aller Form verwarfen. Man kannte sie hinreichend, um sich hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verspre- chen. Eher versuchte Granvella noch einmal bei Contarini sein Glück. Aber schon fühlte dieser sich von Verdacht und Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubenssätze so wichti- ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht in Zweifel ziehen lassen. 1
Und so war man doch auch dießmal auf dem eingeschla- genen Wege auf ganz unübersteigliche Hindernisse gestoßen: nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das Verhältniß Gottes zu den Menschen betreffen: auch nicht ei- gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we- nigstens bis auf einen gewissen Punct einverstanden war: der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den scholasti- schen Vorstellungen, welche während der hierarchischen Jahr- hunderte geltend geworden. Diese und die Dienste die sich daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge- mein gültig und göttlich festhalten; auf der andern war es eben das Prinzip sich davon loszureißen.
An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, so lange ein Abgeordneter der römischen Curie, die von dem Herkömmlichen nicht ablassen wollte, daran Theil nahm.
Doch war das Werk noch nicht geradezu gescheitert.
Uber einige der wichtigsten Lehren hatte man sich in der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran festhielt, ein so vollkommener Gegensatz wie früher nicht mehr eintreten konnte. Die Absicht erhob sich, die entgegengesetz-
1"nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de- creta tot saeculis culta in dubium adducerentur."
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre- chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti- ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht in Zweifel ziehen laſſen. 1
Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla- genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen: nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei- gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we- nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war: der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti- ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr- hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge- mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es eben das Prinzip ſich davon loszureißen.
An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.
Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.
Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-
1„nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de- creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0226"n="214"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich<lb/>
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre-<lb/>
chen. Eher verſuchte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName> noch einmal bei <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118996193">Contarini</persName><lb/>ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und<lb/>
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti-<lb/>
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht<lb/>
in Zweifel ziehen laſſen. <noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">„nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-<lb/>
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“</hi></note></p><lb/><p>Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla-<lb/>
genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen:<lb/>
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das<lb/>
Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei-<lb/>
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-<lb/>
nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war:<lb/>
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti-<lb/>ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr-<lb/>
hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich<lb/>
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-<lb/>
mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es<lb/>
eben das Prinzip ſich davon loszureißen.</p><lb/><p>An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo<lb/>
lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem<lb/>
Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.</p><lb/><p>Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.</p><lb/><p>Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in<lb/>
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran<lb/>
feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr<lb/>
eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[214/0226]
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre-
chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini
ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti-
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht
in Zweifel ziehen laſſen. 1
Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla-
genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen:
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das
Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei-
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-
nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war:
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti-
ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr-
hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-
mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es
eben das Prinzip ſich davon loszureißen.
An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo
lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem
Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.
Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.
Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran
feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr
eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-
1 „nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/226>, abgerufen am 06.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.