innern Wahrheit des Glaubens willen. Es blieb allezeit vor- behalten, von jener abzuweichen, wofern sie sich dem Irrthum hingab. Alsdann konnten auch die Einrichtungen und Rechte geändert werden; daran war kein Zweifel. Für die Nation lag alles daran, daß sie sich darüber verständigte.
Und daß es dahin kommen könnte, durfte man viel- leicht hoffen, wenn man die Regung betrachtete, welche sich damals in den Ländern die noch an den alten Dogmen fest- hielten, kund gab.
Die Unhaltbarkeit des Zustandes, von welchem die Pro- testanten auf eigne Hand sich losgerissen, war immer stär- ker zu allgemeinem Bewußtseyn gekommen. Hatte sich doch selber der strenge Herzog Georg in seinem letzten Lebensjahr entschlossen, in seinem Lande zu einer Verbesserung zu schrei- ten, nach der Idee einer angeblich apostolischen Kirche, welche seine Geistlichen und Gelehrten realisiren zu können meinten. Im Jahre 1536 hatte der Churfürst von Cölln die Bischöfe von Lüttich, Utrecht, Münster, Osnabrück und Minden in seiner Hauptstadt versammelt, und es waren Anordnungen getroffen worden, die, wie sehr sie auch sonst auf dem al- ten Begriffe beruhten, doch zugleich einige dem Geiste des reformirenden Zeitalters entsprechende Bestimmungen enthiel- ten, z. B. daß man den Aberglauben des Glockenweihens vermeiden, nicht über das Fegfeuer disputiren solle. 1 Da- mit war freilich nur wenig geholfen. Andere meinten,
1 Im Düsseldorfer Archiv findet sich das Original sammt ei- ner lateinischen Übersetzung, deren Zweck aus folgenden Worten er- hellt: Hanc ordinationem ego Carolus Haupt ex jussu Erasmi Ro- terodami, cum apud illum Friburgi Brisgoiae essem, verti in lin- guam latinam, ut Erasmus illam ordinationem intelligeret, nam
innern Wahrheit des Glaubens willen. Es blieb allezeit vor- behalten, von jener abzuweichen, wofern ſie ſich dem Irrthum hingab. Alsdann konnten auch die Einrichtungen und Rechte geändert werden; daran war kein Zweifel. Für die Nation lag alles daran, daß ſie ſich darüber verſtändigte.
Und daß es dahin kommen könnte, durfte man viel- leicht hoffen, wenn man die Regung betrachtete, welche ſich damals in den Ländern die noch an den alten Dogmen feſt- hielten, kund gab.
Die Unhaltbarkeit des Zuſtandes, von welchem die Pro- teſtanten auf eigne Hand ſich losgeriſſen, war immer ſtär- ker zu allgemeinem Bewußtſeyn gekommen. Hatte ſich doch ſelber der ſtrenge Herzog Georg in ſeinem letzten Lebensjahr entſchloſſen, in ſeinem Lande zu einer Verbeſſerung zu ſchrei- ten, nach der Idee einer angeblich apoſtoliſchen Kirche, welche ſeine Geiſtlichen und Gelehrten realiſiren zu können meinten. Im Jahre 1536 hatte der Churfürſt von Cölln die Biſchöfe von Lüttich, Utrecht, Münſter, Osnabrück und Minden in ſeiner Hauptſtadt verſammelt, und es waren Anordnungen getroffen worden, die, wie ſehr ſie auch ſonſt auf dem al- ten Begriffe beruhten, doch zugleich einige dem Geiſte des reformirenden Zeitalters entſprechende Beſtimmungen enthiel- ten, z. B. daß man den Aberglauben des Glockenweihens vermeiden, nicht über das Fegfeuer disputiren ſolle. 1 Da- mit war freilich nur wenig geholfen. Andere meinten,
1 Im Duͤſſeldorfer Archiv findet ſich das Original ſammt ei- ner lateiniſchen Uͤberſetzung, deren Zweck aus folgenden Worten er- hellt: Hanc ordinationem ego Carolus Haupt ex jussu Erasmi Ro- terodami, cum apud illum Friburgi Brisgoiae essem, verti in lin- guam latinam, ut Erasmus illam ordinationem intelligeret, nam
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[193/0205]
Verſammlung zu Hagenau.
innern Wahrheit des Glaubens willen. Es blieb allezeit vor-
behalten, von jener abzuweichen, wofern ſie ſich dem Irrthum
hingab. Alsdann konnten auch die Einrichtungen und Rechte
geändert werden; daran war kein Zweifel. Für die Nation
lag alles daran, daß ſie ſich darüber verſtändigte.
Und daß es dahin kommen könnte, durfte man viel-
leicht hoffen, wenn man die Regung betrachtete, welche ſich
damals in den Ländern die noch an den alten Dogmen feſt-
hielten, kund gab.
Die Unhaltbarkeit des Zuſtandes, von welchem die Pro-
teſtanten auf eigne Hand ſich losgeriſſen, war immer ſtär-
ker zu allgemeinem Bewußtſeyn gekommen. Hatte ſich doch
ſelber der ſtrenge Herzog Georg in ſeinem letzten Lebensjahr
entſchloſſen, in ſeinem Lande zu einer Verbeſſerung zu ſchrei-
ten, nach der Idee einer angeblich apoſtoliſchen Kirche, welche
ſeine Geiſtlichen und Gelehrten realiſiren zu können meinten.
Im Jahre 1536 hatte der Churfürſt von Cölln die Biſchöfe
von Lüttich, Utrecht, Münſter, Osnabrück und Minden in
ſeiner Hauptſtadt verſammelt, und es waren Anordnungen
getroffen worden, die, wie ſehr ſie auch ſonſt auf dem al-
ten Begriffe beruhten, doch zugleich einige dem Geiſte des
reformirenden Zeitalters entſprechende Beſtimmungen enthiel-
ten, z. B. daß man den Aberglauben des Glockenweihens
vermeiden, nicht über das Fegfeuer disputiren ſolle. 1 Da-
mit war freilich nur wenig geholfen. Andere meinten,
1 Im Duͤſſeldorfer Archiv findet ſich das Original ſammt ei-
ner lateiniſchen Uͤberſetzung, deren Zweck aus folgenden Worten er-
hellt: Hanc ordinationem ego Carolus Haupt ex jussu Erasmi Ro-
terodami, cum apud illum Friburgi Brisgoiae essem, verti in lin-
guam latinam, ut Erasmus illam ordinationem intelligeret, nam
Ranke D. Geſch. IV. 13
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/205>, abgerufen am 17.02.2025.
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