sen zu halten, auf welcher Johann Friedrich die geldrische Angelegenheit in aller Form vorzubringen gedachte; eine all- gemeine Fürstenversammlung sollte folgen, um alle im Reiche obwaltenden Übelstände in Berathung zu ziehen.
Das also war die Lage der Dinge. Auf der einen Seite stand der engste Bund mit dem König von Frankreich unter päpstlicher Vermittelung in Aussicht, und dann wäre zunächst ein Unternehmen gegen die von der römischen Kirche Abgefallenen zu erwarten gewesen. Auf der andern Seite bildete sich aber auch eine entgegengesetzte Vereinigung. Ganz Deutschland schien noch einmal zu gemeinschaftlicher Oppo- sition zusammentreten zu wollen, welche dann dem religiösen Gegensatze, der ihren Kern gebildet haben würde, eine neue Kraft verliehen hätte. Der König von England würde sich ohne Zweifel ebenfalls geregt haben. In der clevischen An- gelegenheit berührten sich alle diese Momente.
Als Cardinal Farnese, dem Auftrag seines Großvaters gemäß, den Abschluß mit Frankreich in Erinnerung brachte, entgegnete der Kaiser -- und wir können wohl begreifen daß es sich so verhielt -- diese Sache mache ihn verlegner und verwirrter als er jemals durch eine andre geworden sey oder noch werden dürfte. 1
War es in der That blos die Wirkung der Ereignisse, der vorwaltenden Betrachtungen und Rücksichten, was die verschiedenen Richtungen der kaiserlichen Politik hervorbrachte? Dürfte man sagen, daß sich nur die Kräfte der Dinge gegen einander bewegten und den persönlichen Willen bestimmten? Oder wäre der Kaiser wirklich von dem Vorwurf bewußter
ſen zu halten, auf welcher Johann Friedrich die geldriſche Angelegenheit in aller Form vorzubringen gedachte; eine all- gemeine Fürſtenverſammlung ſollte folgen, um alle im Reiche obwaltenden Übelſtände in Berathung zu ziehen.
Das alſo war die Lage der Dinge. Auf der einen Seite ſtand der engſte Bund mit dem König von Frankreich unter päpſtlicher Vermittelung in Ausſicht, und dann wäre zunächſt ein Unternehmen gegen die von der römiſchen Kirche Abgefallenen zu erwarten geweſen. Auf der andern Seite bildete ſich aber auch eine entgegengeſetzte Vereinigung. Ganz Deutſchland ſchien noch einmal zu gemeinſchaftlicher Oppo- ſition zuſammentreten zu wollen, welche dann dem religiöſen Gegenſatze, der ihren Kern gebildet haben würde, eine neue Kraft verliehen hätte. Der König von England würde ſich ohne Zweifel ebenfalls geregt haben. In der cleviſchen An- gelegenheit berührten ſich alle dieſe Momente.
Als Cardinal Farneſe, dem Auftrag ſeines Großvaters gemäß, den Abſchluß mit Frankreich in Erinnerung brachte, entgegnete der Kaiſer — und wir können wohl begreifen daß es ſich ſo verhielt — dieſe Sache mache ihn verlegner und verwirrter als er jemals durch eine andre geworden ſey oder noch werden dürfte. 1
War es in der That blos die Wirkung der Ereigniſſe, der vorwaltenden Betrachtungen und Rückſichten, was die verſchiedenen Richtungen der kaiſerlichen Politik hervorbrachte? Dürfte man ſagen, daß ſich nur die Kräfte der Dinge gegen einander bewegten und den perſönlichen Willen beſtimmten? Oder wäre der Kaiſer wirklich von dem Vorwurf bewußter
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Siebentes Buch. Viertes Capitel.
ſen zu halten, auf welcher Johann Friedrich die geldriſche
Angelegenheit in aller Form vorzubringen gedachte; eine all-
gemeine Fürſtenverſammlung ſollte folgen, um alle im Reiche
obwaltenden Übelſtände in Berathung zu ziehen.
Das alſo war die Lage der Dinge. Auf der einen
Seite ſtand der engſte Bund mit dem König von Frankreich
unter päpſtlicher Vermittelung in Ausſicht, und dann wäre
zunächſt ein Unternehmen gegen die von der römiſchen Kirche
Abgefallenen zu erwarten geweſen. Auf der andern Seite
bildete ſich aber auch eine entgegengeſetzte Vereinigung. Ganz
Deutſchland ſchien noch einmal zu gemeinſchaftlicher Oppo-
ſition zuſammentreten zu wollen, welche dann dem religiöſen
Gegenſatze, der ihren Kern gebildet haben würde, eine neue
Kraft verliehen hätte. Der König von England würde ſich
ohne Zweifel ebenfalls geregt haben. In der cleviſchen An-
gelegenheit berührten ſich alle dieſe Momente.
Als Cardinal Farneſe, dem Auftrag ſeines Großvaters
gemäß, den Abſchluß mit Frankreich in Erinnerung brachte,
entgegnete der Kaiſer — und wir können wohl begreifen
daß es ſich ſo verhielt — dieſe Sache mache ihn verlegner
und verwirrter als er jemals durch eine andre geworden ſey
oder noch werden dürfte. 1
War es in der That blos die Wirkung der Ereigniſſe,
der vorwaltenden Betrachtungen und Rückſichten, was die
verſchiedenen Richtungen der kaiſerlichen Politik hervorbrachte?
Dürfte man ſagen, daß ſich nur die Kräfte der Dinge gegen
einander bewegten und den perſönlichen Willen beſtimmten?
Oder wäre der Kaiſer wirklich von dem Vorwurf bewußter
1 Pallavicini lib. IV, cap. X, p. 418.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/196>, abgerufen am 24.11.2024.
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