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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Reformation geistlicher Fürsten.

Schon gab es aber unter den geistlichen Fürsten in
Norddeutschland wenigstens einen, der aus dem landesfürst-
lichen Geschlechte stammend, fast im Sinne der spätern Zei-
ten, Protestantismus und Bisthum verband. Auf dem Land-
tag zu Parchim forderte Herzog Magnus von Meklenburg,
Bischof von Schwerin, ein förmliches Verbot der Messe:
was er da nicht durchsetzen können, führte er bald hernach
auf seine eigne Hand in der Stiftskirche zu Bützow aus. 1
Unter seiner Mitwirkung erschien im Jahr 1540 eine Kir-
chenordnung für die meklenburgischen Lande, die durch eine
scharfe Visitation eingeführt ward.

Auch die Äbtissin eines kaiserlichen Stiftes machte sich
bemerklich. Anna von Stolberg, Äbtissin von Quedlinburg,
konnte es nach dem Tode Herzog Georgs von Sachsen wa-
gen, dem Beispiel ihrer Brüder und Nachbarn zu folgen.
Auf ihren Wunsch kam der Superintendent von Stolberg
herbei, und reformirte ihr Stift und Stadt. 2

Auf diese Weise nahm der Protestantismus beinahe das
ganze nördliche Deutschland ein. Von den Verbündeten von
Halle und Nürnberg war nun nur noch Heinrich von Braun-
schweig
übrig, dessen Überzeugung und Politik unerschütter-
lich blieben, dessen Macht aber nur wenig bedeutete. Übrigens
erschien die reformatorische Bewegung noch in ihren vollsten
Lebenstrieben. Zuweilen war es die durch einen Regierungs-
wechsel veranlaßte etwas gewaltsame Vertauschung eines Sy-
stems mit dem andern, zuweilen die umsichtige Leitung eines

1 Schreiben an Johann Friedrich Sonntag Jubilate 1540.
"Wil E. Ch. Gn. nicht verhalten das ich in meyner Stifftskirchen
zu Butzaw den Greuel der gotteslästerlichen papistischen Messe end-
lich abgeschafft."
2 Fritsch Geschi[cht]e von Quedlinburg II, p. 8.
Reformation geiſtlicher Fuͤrſten.

Schon gab es aber unter den geiſtlichen Fürſten in
Norddeutſchland wenigſtens einen, der aus dem landesfürſt-
lichen Geſchlechte ſtammend, faſt im Sinne der ſpätern Zei-
ten, Proteſtantismus und Bisthum verband. Auf dem Land-
tag zu Parchim forderte Herzog Magnus von Meklenburg,
Biſchof von Schwerin, ein förmliches Verbot der Meſſe:
was er da nicht durchſetzen können, führte er bald hernach
auf ſeine eigne Hand in der Stiftskirche zu Bützow aus. 1
Unter ſeiner Mitwirkung erſchien im Jahr 1540 eine Kir-
chenordnung für die meklenburgiſchen Lande, die durch eine
ſcharfe Viſitation eingeführt ward.

Auch die Äbtiſſin eines kaiſerlichen Stiftes machte ſich
bemerklich. Anna von Stolberg, Äbtiſſin von Quedlinburg,
konnte es nach dem Tode Herzog Georgs von Sachſen wa-
gen, dem Beiſpiel ihrer Brüder und Nachbarn zu folgen.
Auf ihren Wunſch kam der Superintendent von Stolberg
herbei, und reformirte ihr Stift und Stadt. 2

Auf dieſe Weiſe nahm der Proteſtantismus beinahe das
ganze nördliche Deutſchland ein. Von den Verbündeten von
Halle und Nürnberg war nun nur noch Heinrich von Braun-
ſchweig
übrig, deſſen Überzeugung und Politik unerſchütter-
lich blieben, deſſen Macht aber nur wenig bedeutete. Übrigens
erſchien die reformatoriſche Bewegung noch in ihren vollſten
Lebenstrieben. Zuweilen war es die durch einen Regierungs-
wechſel veranlaßte etwas gewaltſame Vertauſchung eines Sy-
ſtems mit dem andern, zuweilen die umſichtige Leitung eines

1 Schreiben an Johann Friedrich Sonntag Jubilate 1540.
„Wil E. Ch. Gn. nicht verhalten das ich in meyner Stifftskirchen
zu Butzaw den Greuel der gotteslaͤſterlichen papiſtiſchen Meſſe end-
lich abgeſchafft.“
2 Fritſch Geſchi[cht]e von Quedlinburg II, p. 8.
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[167/0179] Reformation geiſtlicher Fuͤrſten. Schon gab es aber unter den geiſtlichen Fürſten in Norddeutſchland wenigſtens einen, der aus dem landesfürſt- lichen Geſchlechte ſtammend, faſt im Sinne der ſpätern Zei- ten, Proteſtantismus und Bisthum verband. Auf dem Land- tag zu Parchim forderte Herzog Magnus von Meklenburg, Biſchof von Schwerin, ein förmliches Verbot der Meſſe: was er da nicht durchſetzen können, führte er bald hernach auf ſeine eigne Hand in der Stiftskirche zu Bützow aus. 1 Unter ſeiner Mitwirkung erſchien im Jahr 1540 eine Kir- chenordnung für die meklenburgiſchen Lande, die durch eine ſcharfe Viſitation eingeführt ward. Auch die Äbtiſſin eines kaiſerlichen Stiftes machte ſich bemerklich. Anna von Stolberg, Äbtiſſin von Quedlinburg, konnte es nach dem Tode Herzog Georgs von Sachſen wa- gen, dem Beiſpiel ihrer Brüder und Nachbarn zu folgen. Auf ihren Wunſch kam der Superintendent von Stolberg herbei, und reformirte ihr Stift und Stadt. 2 Auf dieſe Weiſe nahm der Proteſtantismus beinahe das ganze nördliche Deutſchland ein. Von den Verbündeten von Halle und Nürnberg war nun nur noch Heinrich von Braun- ſchweig übrig, deſſen Überzeugung und Politik unerſchütter- lich blieben, deſſen Macht aber nur wenig bedeutete. Übrigens erſchien die reformatoriſche Bewegung noch in ihren vollſten Lebenstrieben. Zuweilen war es die durch einen Regierungs- wechſel veranlaßte etwas gewaltſame Vertauſchung eines Sy- ſtems mit dem andern, zuweilen die umſichtige Leitung eines 1 Schreiben an Johann Friedrich Sonntag Jubilate 1540. „Wil E. Ch. Gn. nicht verhalten das ich in meyner Stifftskirchen zu Butzaw den Greuel der gotteslaͤſterlichen papiſtiſchen Meſſe end- lich abgeſchafft.“ 2 Fritſch Geſchichte von Quedlinburg II, p. 8.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/179>, abgerufen am 29.11.2024.