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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Reformation in Magdeburg (Halle).
nicht die Städte ein gleiches Gesuch vorgetragen haben: we-
nigstens schritten die meisten von ihnen nach dem Landtag
zur Veränderung der Religion, ohne darin gestört zu wer-
den. -- Und ist das nun nicht das nemliche was die alte
Erzählung angiebt? Der Erzbischof macht doch noch einen
Unterschied zwischen erlauben und nicht verhindern. "Was
in unsrer Gewalt nicht steht", sagt er in einem seiner Briefe,
"weder zu wehren noch zu erlauben, das müssen wir mit
Geduld, wider unsern Willen, geschehen lassen;" 1 er soll
sich damit getröstet haben, daß auch Kaiser und Papst nicht
im Stande seyen, dieser Sache Einhalt zu thun. Eine förm-
liche Erlaubniß gab er nicht, aber er resignirte sich, es nicht
hindern zu können. Und sogleich sollte sich zeigen, wie we-
nig er dazu fähig sey. Von seinen Städten wollte er nur
eine, Halle, seine Residenz, wo er noch immer einen katholi-
schen Rath zu behaupten gewußt, von der Neuerung zurück-
halten: nur da setzte er sich derselben noch entgegen: aber
er erweckte damit eine tumultuarische Bewegung, beinahe wie
jene, welche vor zehn Jahren so viele niederdeutsche Städte
ergriffen hatten. Als der Bürgerschaft die Leistung der auf
dem Landtag bewilligten Abgabe angemuthet wurde, forderte
sie dieselben Zugeständnisse, in deren Genuß andere gekom-
men: sie warf ihren Ehrgeiz darauf: Halle, sagte der Aus-
schuß den sie aufgestellt, sey um nichts schlechter als Hal-
berstadt
. Der Rath zeigte sich zu einer Fürbitte bei dem
Fürsten bereit; aber damit war der Ausschuß, der bereits

1 Schreiben an den Coadjutor ohne Datum, in dem Magde-
burger Provinzialarchiv. In der Hauptsache läßt sich das mit der
Erzählung bei Hamelmann Opp. genealogica p. 887 vereinigen: nur
daß diese weniger authentisch und etwas anzüglicher ist.

Reformation in Magdeburg (Halle).
nicht die Städte ein gleiches Geſuch vorgetragen haben: we-
nigſtens ſchritten die meiſten von ihnen nach dem Landtag
zur Veränderung der Religion, ohne darin geſtört zu wer-
den. — Und iſt das nun nicht das nemliche was die alte
Erzählung angiebt? Der Erzbiſchof macht doch noch einen
Unterſchied zwiſchen erlauben und nicht verhindern. „Was
in unſrer Gewalt nicht ſteht“, ſagt er in einem ſeiner Briefe,
„weder zu wehren noch zu erlauben, das müſſen wir mit
Geduld, wider unſern Willen, geſchehen laſſen;“ 1 er ſoll
ſich damit getröſtet haben, daß auch Kaiſer und Papſt nicht
im Stande ſeyen, dieſer Sache Einhalt zu thun. Eine förm-
liche Erlaubniß gab er nicht, aber er reſignirte ſich, es nicht
hindern zu können. Und ſogleich ſollte ſich zeigen, wie we-
nig er dazu fähig ſey. Von ſeinen Städten wollte er nur
eine, Halle, ſeine Reſidenz, wo er noch immer einen katholi-
ſchen Rath zu behaupten gewußt, von der Neuerung zurück-
halten: nur da ſetzte er ſich derſelben noch entgegen: aber
er erweckte damit eine tumultuariſche Bewegung, beinahe wie
jene, welche vor zehn Jahren ſo viele niederdeutſche Städte
ergriffen hatten. Als der Bürgerſchaft die Leiſtung der auf
dem Landtag bewilligten Abgabe angemuthet wurde, forderte
ſie dieſelben Zugeſtändniſſe, in deren Genuß andere gekom-
men: ſie warf ihren Ehrgeiz darauf: Halle, ſagte der Aus-
ſchuß den ſie aufgeſtellt, ſey um nichts ſchlechter als Hal-
berſtadt
. Der Rath zeigte ſich zu einer Fürbitte bei dem
Fürſten bereit; aber damit war der Ausſchuß, der bereits

1 Schreiben an den Coadjutor ohne Datum, in dem Magde-
burger Provinzialarchiv. In der Hauptſache laͤßt ſich das mit der
Erzaͤhlung bei Hamelmann Opp. genealogica p. 887 vereinigen: nur
daß dieſe weniger authentiſch und etwas anzuͤglicher iſt.
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[165/0177] Reformation in Magdeburg (Halle). nicht die Städte ein gleiches Geſuch vorgetragen haben: we- nigſtens ſchritten die meiſten von ihnen nach dem Landtag zur Veränderung der Religion, ohne darin geſtört zu wer- den. — Und iſt das nun nicht das nemliche was die alte Erzählung angiebt? Der Erzbiſchof macht doch noch einen Unterſchied zwiſchen erlauben und nicht verhindern. „Was in unſrer Gewalt nicht ſteht“, ſagt er in einem ſeiner Briefe, „weder zu wehren noch zu erlauben, das müſſen wir mit Geduld, wider unſern Willen, geſchehen laſſen;“ 1 er ſoll ſich damit getröſtet haben, daß auch Kaiſer und Papſt nicht im Stande ſeyen, dieſer Sache Einhalt zu thun. Eine förm- liche Erlaubniß gab er nicht, aber er reſignirte ſich, es nicht hindern zu können. Und ſogleich ſollte ſich zeigen, wie we- nig er dazu fähig ſey. Von ſeinen Städten wollte er nur eine, Halle, ſeine Reſidenz, wo er noch immer einen katholi- ſchen Rath zu behaupten gewußt, von der Neuerung zurück- halten: nur da ſetzte er ſich derſelben noch entgegen: aber er erweckte damit eine tumultuariſche Bewegung, beinahe wie jene, welche vor zehn Jahren ſo viele niederdeutſche Städte ergriffen hatten. Als der Bürgerſchaft die Leiſtung der auf dem Landtag bewilligten Abgabe angemuthet wurde, forderte ſie dieſelben Zugeſtändniſſe, in deren Genuß andere gekom- men: ſie warf ihren Ehrgeiz darauf: Halle, ſagte der Aus- ſchuß den ſie aufgeſtellt, ſey um nichts ſchlechter als Hal- berſtadt. Der Rath zeigte ſich zu einer Fürbitte bei dem Fürſten bereit; aber damit war der Ausſchuß, der bereits 1 Schreiben an den Coadjutor ohne Datum, in dem Magde- burger Provinzialarchiv. In der Hauptſache laͤßt ſich das mit der Erzaͤhlung bei Hamelmann Opp. genealogica p. 887 vereinigen: nur daß dieſe weniger authentiſch und etwas anzuͤglicher iſt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/177>, abgerufen am 25.11.2024.