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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Reformation in der Mark Brandenburg.
gen zurück, nur den Urkunden des Glaubens erkannte man
fortan religiöses Ansehen zu. Der Werth der kirchlichen
Werke und der ganze bisher gebotene Dienst fielen in sich
selbst zusammen. 1 Mochte dann auch manche andre Äußer-
lichkeit beibehalten werden, wie es hier geschah, so war doch
die Hauptsache gethan: die reformatorische Bewegung ward
ihrem Wesen nach aufgenommen.

Joachim fühlte sich glücklich, daß er so weit gekommen.
"Wir wollen Gott bitten," antwortete er auf ein glückwün-
schendes Schreiben des Fürsten Georg von Anhalt, "daß
er uns in dem angefangenen Werke Beständigkeit verleihe,
bis auf unsre letzte Stunde." 2 Die Art wie er von dieser
Tugend redet, "damit er nicht wie ein leichtes Rohr von den
Winden hin und her geweht werde," zeigt fast eine Besorg-
niß an daß es geschehen könnte. Aber ich denke, sie bürgt
auch um so mehr für die Reinheit der Motive aus denen
der Entschluß hervorgieng.

Sein Standpunct überhaupt und der Grund, aus wel-
chem er seine Befugniß zu diesem Verfahren herleitet, erhellt
aus den Vorreden zu den verschiedenen Theilen der Kirchen-
ordnung, die er unverzüglich zu Stande brachte. 3 Er geht

1 Mit großer Naivetät drückte sich über den Sinn des Evan-
gelischwerdens der alte Prediger aus, dessen Schmidt (Brandenburg.
Reformationshist. p. 185.) aus Scultetus gedenkt.
2 Schreiben des Churfürsten vom 30sten Nov. in dem anhal-
tischen Archiv zu Dessau.
3 Kirchen Ordnung im Churfurstenthum der Marcken zu Bran-
demburg
, wie man sich beide mit der Leer und Ceremonien halten sol.
M. D. XL. Bei der Abfassung derselben ist unter andern auch Georg
von Anhalt
zu Rathe gezogen worden. Die Lehrartikel sind fast
durchweg aus der fränkisch-brandenburgischen Kirchenordnung herüber-
genommen.

Reformation in der Mark Brandenburg.
gen zurück, nur den Urkunden des Glaubens erkannte man
fortan religiöſes Anſehen zu. Der Werth der kirchlichen
Werke und der ganze bisher gebotene Dienſt fielen in ſich
ſelbſt zuſammen. 1 Mochte dann auch manche andre Äußer-
lichkeit beibehalten werden, wie es hier geſchah, ſo war doch
die Hauptſache gethan: die reformatoriſche Bewegung ward
ihrem Weſen nach aufgenommen.

Joachim fühlte ſich glücklich, daß er ſo weit gekommen.
„Wir wollen Gott bitten,“ antwortete er auf ein glückwün-
ſchendes Schreiben des Fürſten Georg von Anhalt, „daß
er uns in dem angefangenen Werke Beſtändigkeit verleihe,
bis auf unſre letzte Stunde.“ 2 Die Art wie er von dieſer
Tugend redet, „damit er nicht wie ein leichtes Rohr von den
Winden hin und her geweht werde,“ zeigt faſt eine Beſorg-
niß an daß es geſchehen könnte. Aber ich denke, ſie bürgt
auch um ſo mehr für die Reinheit der Motive aus denen
der Entſchluß hervorgieng.

Sein Standpunct überhaupt und der Grund, aus wel-
chem er ſeine Befugniß zu dieſem Verfahren herleitet, erhellt
aus den Vorreden zu den verſchiedenen Theilen der Kirchen-
ordnung, die er unverzüglich zu Stande brachte. 3 Er geht

1 Mit großer Naivetaͤt druͤckte ſich uͤber den Sinn des Evan-
geliſchwerdens der alte Prediger aus, deſſen Schmidt (Brandenburg.
Reformationshiſt. p. 185.) aus Scultetus gedenkt.
2 Schreiben des Churfuͤrſten vom 30ſten Nov. in dem anhal-
tiſchen Archiv zu Deſſau.
3 Kirchen Ordnung im Churfurſtenthum der Marcken zu Bran-
demburg
, wie man ſich beide mit der Leer und Ceremonien halten ſol.
M. D. XL. Bei der Abfaſſung derſelben iſt unter andern auch Georg
von Anhalt
zu Rathe gezogen worden. Die Lehrartikel ſind faſt
durchweg aus der fraͤnkiſch-brandenburgiſchen Kirchenordnung heruͤber-
genommen.
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[157/0169] Reformation in der Mark Brandenburg. gen zurück, nur den Urkunden des Glaubens erkannte man fortan religiöſes Anſehen zu. Der Werth der kirchlichen Werke und der ganze bisher gebotene Dienſt fielen in ſich ſelbſt zuſammen. 1 Mochte dann auch manche andre Äußer- lichkeit beibehalten werden, wie es hier geſchah, ſo war doch die Hauptſache gethan: die reformatoriſche Bewegung ward ihrem Weſen nach aufgenommen. Joachim fühlte ſich glücklich, daß er ſo weit gekommen. „Wir wollen Gott bitten,“ antwortete er auf ein glückwün- ſchendes Schreiben des Fürſten Georg von Anhalt, „daß er uns in dem angefangenen Werke Beſtändigkeit verleihe, bis auf unſre letzte Stunde.“ 2 Die Art wie er von dieſer Tugend redet, „damit er nicht wie ein leichtes Rohr von den Winden hin und her geweht werde,“ zeigt faſt eine Beſorg- niß an daß es geſchehen könnte. Aber ich denke, ſie bürgt auch um ſo mehr für die Reinheit der Motive aus denen der Entſchluß hervorgieng. Sein Standpunct überhaupt und der Grund, aus wel- chem er ſeine Befugniß zu dieſem Verfahren herleitet, erhellt aus den Vorreden zu den verſchiedenen Theilen der Kirchen- ordnung, die er unverzüglich zu Stande brachte. 3 Er geht 1 Mit großer Naivetaͤt druͤckte ſich uͤber den Sinn des Evan- geliſchwerdens der alte Prediger aus, deſſen Schmidt (Brandenburg. Reformationshiſt. p. 185.) aus Scultetus gedenkt. 2 Schreiben des Churfuͤrſten vom 30ſten Nov. in dem anhal- tiſchen Archiv zu Deſſau. 3 Kirchen Ordnung im Churfurſtenthum der Marcken zu Bran- demburg, wie man ſich beide mit der Leer und Ceremonien halten ſol. M. D. XL. Bei der Abfaſſung derſelben iſt unter andern auch Georg von Anhalt zu Rathe gezogen worden. Die Lehrartikel ſind faſt durchweg aus der fraͤnkiſch-brandenburgiſchen Kirchenordnung heruͤber- genommen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/169>, abgerufen am 26.11.2024.