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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
in Dresden einlassen, sie aber hier nöthigen, sich dem Wil-
len der bisherigen Räthe zu unterwerfen. 1 Ich weiß nicht
ob das eine Großsprecherei oder eine Einschüchterung war;
wenigstens war, als der Todesfall so plötzlich eintrat, nichts
zu einer Unternehmung solcher Art vorbereitet. Noch jenen
17ten April langte Herzog Heinrich in Dresden an: des
Abends, bei Fackelschein, unter freudigem Zuruf des Volkes.
Ein paar Tage fanden Verhandlungen mit den bisherigen
Räthen statt, welche allerdings sehr bitter ausfielen und die
Sache einem völligen Bruch nahe brachten. Allein so groß
war doch auch ihre Gewalt nicht, daß sie es darauf hätten
wagen können: Heinrich ergriff ohne Widerrede Besitz. 2

König Ferdinand, von jenem für ihn so vortheilhaften
Testamente unterrichtet, erklärte, nur dann werde er Herzog
Heinrich als Erben des Landes betrachten können, wenn der-
selbe sich verpflichte den Nürnberger Bund zu halten, den
Herzog Georg zugleich im Namen seiner Nachfolger und sei-
ner Landschaft abgeschlossen. Allein wie die Dinge standen,
so konnte das auf den neuen Herzog keinen Einfluß aus-
üben. Dessen schmalkaldische Verbündeten erklärten sich be-
reit, ihm mit aller ihrer Macht zu Hülfe zu kommen, und
zögerten aus diesem Grunde einen Augenblick, ihre Truppen
zu entlassen, wie der Frankfurter Stillstand erheischte: Land-

1 Philipp an Johann Friedrich, Dienstag nach Misericordias:
"Wann sie Herzog Heinrich und s. L. Sone hinein in Thresden ge-
locket hetten, sie darin zu behalten und zu inen zu sagen Das und
das, auch kein anders, wollen wir gehabt haben, und müßt uns das
alsbald zusagen."
2 Georg von Carlowitz an Landgraf Philipp Montag nach
St. Georgi 28 April; ein Schreiben das schon Seckendorf kannte,
das jetzt bei Neudecker, Urkunden p. 346, abgedruckt ist.

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
in Dresden einlaſſen, ſie aber hier nöthigen, ſich dem Wil-
len der bisherigen Räthe zu unterwerfen. 1 Ich weiß nicht
ob das eine Großſprecherei oder eine Einſchüchterung war;
wenigſtens war, als der Todesfall ſo plötzlich eintrat, nichts
zu einer Unternehmung ſolcher Art vorbereitet. Noch jenen
17ten April langte Herzog Heinrich in Dresden an: des
Abends, bei Fackelſchein, unter freudigem Zuruf des Volkes.
Ein paar Tage fanden Verhandlungen mit den bisherigen
Räthen ſtatt, welche allerdings ſehr bitter ausfielen und die
Sache einem völligen Bruch nahe brachten. Allein ſo groß
war doch auch ihre Gewalt nicht, daß ſie es darauf hätten
wagen können: Heinrich ergriff ohne Widerrede Beſitz. 2

König Ferdinand, von jenem für ihn ſo vortheilhaften
Teſtamente unterrichtet, erklärte, nur dann werde er Herzog
Heinrich als Erben des Landes betrachten können, wenn der-
ſelbe ſich verpflichte den Nürnberger Bund zu halten, den
Herzog Georg zugleich im Namen ſeiner Nachfolger und ſei-
ner Landſchaft abgeſchloſſen. Allein wie die Dinge ſtanden,
ſo konnte das auf den neuen Herzog keinen Einfluß aus-
üben. Deſſen ſchmalkaldiſche Verbündeten erklärten ſich be-
reit, ihm mit aller ihrer Macht zu Hülfe zu kommen, und
zögerten aus dieſem Grunde einen Augenblick, ihre Truppen
zu entlaſſen, wie der Frankfurter Stillſtand erheiſchte: Land-

1 Philipp an Johann Friedrich, Dienſtag nach Miſericordias:
„Wann ſie Herzog Heinrich und ſ. L. Sone hinein in Thresden ge-
locket hetten, ſie darin zu behalten und zu inen zu ſagen Das und
das, auch kein anders, wollen wir gehabt haben, und muͤßt uns das
alsbald zuſagen.“
2 Georg von Carlowitz an Landgraf Philipp Montag nach
St. Georgi 28 April; ein Schreiben das ſchon Seckendorf kannte,
das jetzt bei Neudecker, Urkunden p. 346, abgedruckt iſt.
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[142/0154] Siebentes Buch. Drittes Capitel. in Dresden einlaſſen, ſie aber hier nöthigen, ſich dem Wil- len der bisherigen Räthe zu unterwerfen. 1 Ich weiß nicht ob das eine Großſprecherei oder eine Einſchüchterung war; wenigſtens war, als der Todesfall ſo plötzlich eintrat, nichts zu einer Unternehmung ſolcher Art vorbereitet. Noch jenen 17ten April langte Herzog Heinrich in Dresden an: des Abends, bei Fackelſchein, unter freudigem Zuruf des Volkes. Ein paar Tage fanden Verhandlungen mit den bisherigen Räthen ſtatt, welche allerdings ſehr bitter ausfielen und die Sache einem völligen Bruch nahe brachten. Allein ſo groß war doch auch ihre Gewalt nicht, daß ſie es darauf hätten wagen können: Heinrich ergriff ohne Widerrede Beſitz. 2 König Ferdinand, von jenem für ihn ſo vortheilhaften Teſtamente unterrichtet, erklärte, nur dann werde er Herzog Heinrich als Erben des Landes betrachten können, wenn der- ſelbe ſich verpflichte den Nürnberger Bund zu halten, den Herzog Georg zugleich im Namen ſeiner Nachfolger und ſei- ner Landſchaft abgeſchloſſen. Allein wie die Dinge ſtanden, ſo konnte das auf den neuen Herzog keinen Einfluß aus- üben. Deſſen ſchmalkaldiſche Verbündeten erklärten ſich be- reit, ihm mit aller ihrer Macht zu Hülfe zu kommen, und zögerten aus dieſem Grunde einen Augenblick, ihre Truppen zu entlaſſen, wie der Frankfurter Stillſtand erheiſchte: Land- 1 Philipp an Johann Friedrich, Dienſtag nach Miſericordias: „Wann ſie Herzog Heinrich und ſ. L. Sone hinein in Thresden ge- locket hetten, ſie darin zu behalten und zu inen zu ſagen Das und das, auch kein anders, wollen wir gehabt haben, und muͤßt uns das alsbald zuſagen.“ 2 Georg von Carlowitz an Landgraf Philipp Montag nach St. Georgi 28 April; ein Schreiben das ſchon Seckendorf kannte, das jetzt bei Neudecker, Urkunden p. 346, abgedruckt iſt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/154>, abgerufen am 28.11.2024.