Schriftwechsel welcher der Zusammenkunft vorhergieng, hatte auch Joachim II die Hofnung und den Wunsch einer de- finitiven religiösen Vergleichung durchblicken lassen. 1
Und mußte es nicht den Protestanten höchlich erwünscht seyn, daß der Kaiser, der sich unaufhörlich wiederholenden Verzögerungen müde, jetzt selbst des Conciliums das sie ver- worfen nicht mehr gedachte, sondern eine Vereinigung der Stände unter sich in Aussicht stellte?
In Frankfurt war die päpstlich-gesinnte Partei eigent- lich gar nicht repräsentirt. Zwischen Männern der gemäßig- ten, vermittelnden Gesinnung und den Protestanten wurden alle Verabredungen getroffen.
Und so beschloß man denn, daß auf einer noch im nächsten Sommer zu haltenden Versammlung der Stände ein Ausschuß gelehrter Theologen und verständiger Laien, bei- des Männer von Gottesfurcht und Friedensliebe, ernannt werden solle, um "auf eine löbliche christliche Vereinigung zu handeln." Kaiserliche und königliche Bevollmächtigte soll- ten daran mitarbeiten. Was der Ausschuß beschließen würde, solle anwesenden und abwesenden Ständen mitgetheilt und vom Kaiser ratificirt werden.
Und nicht allein war hiebei auf die Selbständigkeit des clericalischen Prinzipes keinerlei Rücksicht genommen: als die Frage aufgeworfen ward, ob ein päpstlicher Nuntius bei den Verhandlungen zugelassen werden solle, verweigerten dieß die
1 In einer Schrift betitelt: Vorschläge aus dem Cadanischen Vertrage gezogen, an Philipp von Hessen gerichtet: "Da solches ge- schaffen, werden die Wege zu finden seyn, einmal zu Vergleichung und einmüthigem Verstand der christlichen Religion zu kommen."
Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Schriftwechſel welcher der Zuſammenkunft vorhergieng, hatte auch Joachim II die Hofnung und den Wunſch einer de- finitiven religiöſen Vergleichung durchblicken laſſen. 1
Und mußte es nicht den Proteſtanten höchlich erwünſcht ſeyn, daß der Kaiſer, der ſich unaufhörlich wiederholenden Verzögerungen müde, jetzt ſelbſt des Conciliums das ſie ver- worfen nicht mehr gedachte, ſondern eine Vereinigung der Stände unter ſich in Ausſicht ſtellte?
In Frankfurt war die päpſtlich-geſinnte Partei eigent- lich gar nicht repräſentirt. Zwiſchen Männern der gemäßig- ten, vermittelnden Geſinnung und den Proteſtanten wurden alle Verabredungen getroffen.
Und ſo beſchloß man denn, daß auf einer noch im nächſten Sommer zu haltenden Verſammlung der Stände ein Ausſchuß gelehrter Theologen und verſtändiger Laien, bei- des Männer von Gottesfurcht und Friedensliebe, ernannt werden ſolle, um „auf eine löbliche chriſtliche Vereinigung zu handeln.“ Kaiſerliche und königliche Bevollmächtigte ſoll- ten daran mitarbeiten. Was der Ausſchuß beſchließen würde, ſolle anweſenden und abweſenden Ständen mitgetheilt und vom Kaiſer ratificirt werden.
Und nicht allein war hiebei auf die Selbſtändigkeit des clericaliſchen Prinzipes keinerlei Rückſicht genommen: als die Frage aufgeworfen ward, ob ein päpſtlicher Nuntius bei den Verhandlungen zugelaſſen werden ſolle, verweigerten dieß die
1 In einer Schrift betitelt: Vorſchlaͤge aus dem Cadaniſchen Vertrage gezogen, an Philipp von Heſſen gerichtet: „Da ſolches ge- ſchaffen, werden die Wege zu finden ſeyn, einmal zu Vergleichung und einmuͤthigem Verſtand der chriſtlichen Religion zu kommen.“
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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Schriftwechſel welcher der Zuſammenkunft vorhergieng, hatte
auch Joachim II die Hofnung und den Wunſch einer de-
finitiven religiöſen Vergleichung durchblicken laſſen. 1
Und mußte es nicht den Proteſtanten höchlich erwünſcht
ſeyn, daß der Kaiſer, der ſich unaufhörlich wiederholenden
Verzögerungen müde, jetzt ſelbſt des Conciliums das ſie ver-
worfen nicht mehr gedachte, ſondern eine Vereinigung der
Stände unter ſich in Ausſicht ſtellte?
In Frankfurt war die päpſtlich-geſinnte Partei eigent-
lich gar nicht repräſentirt. Zwiſchen Männern der gemäßig-
ten, vermittelnden Geſinnung und den Proteſtanten wurden
alle Verabredungen getroffen.
Und ſo beſchloß man denn, daß auf einer noch im
nächſten Sommer zu haltenden Verſammlung der Stände
ein Ausſchuß gelehrter Theologen und verſtändiger Laien, bei-
des Männer von Gottesfurcht und Friedensliebe, ernannt
werden ſolle, um „auf eine löbliche chriſtliche Vereinigung
zu handeln.“ Kaiſerliche und königliche Bevollmächtigte ſoll-
ten daran mitarbeiten. Was der Ausſchuß beſchließen würde,
ſolle anweſenden und abweſenden Ständen mitgetheilt und
vom Kaiſer ratificirt werden.
Und nicht allein war hiebei auf die Selbſtändigkeit des
clericaliſchen Prinzipes keinerlei Rückſicht genommen: als die
Frage aufgeworfen ward, ob ein päpſtlicher Nuntius bei den
Verhandlungen zugelaſſen werden ſolle, verweigerten dieß die
1 In einer Schrift betitelt: Vorſchlaͤge aus dem Cadaniſchen
Vertrage gezogen, an Philipp von Heſſen gerichtet: „Da ſolches ge-
ſchaffen, werden die Wege zu finden ſeyn, einmal zu Vergleichung
und einmuͤthigem Verſtand der chriſtlichen Religion zu kommen.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/144>, abgerufen am 25.07.2024.
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