Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Zweites Capitel. König selber erschreckten. Da gegen den Kaiser wenig aus-zurichten war, wandte sich die Seemacht des Sultans ge- gen die ihm bequemer gelegenen venezianischen Besitzungen. Corfu ward wenigstens geplündert (die Lebensbeschreibung Chaireddins will 140 zerstörte Dörfer daselbst zählen); alle die altberühmten Eilande des Archipelagus aber, Skyros, Pathmos, Aegina, Paros, Naxos, an die sich die Erinne- rung der Anfänge der abendländischen Cultur, der profanen wie der kirchlichen, knüpfen, fielen jetzt in die Hände der Barbaren. 1 Indessen erneuerten die Paschas von Bosnien und Semendria den Krieg an den ungarisch-slawonischen Grenzen: Katzianer, der ihnen Einhalt thun sollte, erlitt bei Essek eine jener Niederlagen welche das Heer, das sie er- fährt, zugleich vernichten. Nicht allein die ferdinandeischen Gebiete standen hierauf dem Feinde offen, sondern der Kö- nig-Woiwode Johann, der schon seit mehreren Jahren in Constantinopel verdächtig und verhaßt geworden, fieng an sich zu fürchten. Dadurch geschah zunächst, daß die gefährdeten Grenz- 1 Antonio Longo commentarj della guerra del 1537, 38,
39. MS Venet. Siebentes Buch. Zweites Capitel. König ſelber erſchreckten. Da gegen den Kaiſer wenig aus-zurichten war, wandte ſich die Seemacht des Sultans ge- gen die ihm bequemer gelegenen venezianiſchen Beſitzungen. Corfu ward wenigſtens geplündert (die Lebensbeſchreibung Chaireddins will 140 zerſtörte Dörfer daſelbſt zählen); alle die altberühmten Eilande des Archipelagus aber, Skyros, Pathmos, Aegina, Paros, Naxos, an die ſich die Erinne- rung der Anfänge der abendländiſchen Cultur, der profanen wie der kirchlichen, knüpfen, fielen jetzt in die Hände der Barbaren. 1 Indeſſen erneuerten die Paſchas von Bosnien und Semendria den Krieg an den ungariſch-ſlawoniſchen Grenzen: Katzianer, der ihnen Einhalt thun ſollte, erlitt bei Eſſek eine jener Niederlagen welche das Heer, das ſie er- fährt, zugleich vernichten. Nicht allein die ferdinandeiſchen Gebiete ſtanden hierauf dem Feinde offen, ſondern der Kö- nig-Woiwode Johann, der ſchon ſeit mehreren Jahren in Conſtantinopel verdächtig und verhaßt geworden, fieng an ſich zu fürchten. Dadurch geſchah zunächſt, daß die gefährdeten Grenz- 1 Antonio Longo commentarj della guerra del 1537, 38,
39. MS Venet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0130" n="118"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/> König ſelber erſchreckten. Da gegen den Kaiſer wenig aus-<lb/> zurichten war, wandte ſich die Seemacht des Sultans ge-<lb/> gen die ihm bequemer gelegenen venezianiſchen Beſitzungen.<lb/><placeName>Corfu</placeName> ward wenigſtens geplündert (die Lebensbeſchreibung<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118675435">Chaireddins</persName> will 140 zerſtörte Dörfer daſelbſt zählen); alle<lb/> die altberühmten Eilande des <placeName>Archipelagus</placeName> aber, <placeName>Skyros</placeName>,<lb/><placeName>Pathmos</placeName>, <placeName>Aegina</placeName>, <placeName>Paros</placeName>, <placeName>Naxos</placeName>, an die ſich die Erinne-<lb/> rung der Anfänge der abendländiſchen Cultur, der profanen<lb/> wie der kirchlichen, knüpfen, fielen jetzt in die Hände der<lb/> Barbaren. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1026430437">Antonio</persName> Longo commentarj della guerra del 1537, 38,<lb/> 39. MS Venet.</hi></note> Indeſſen erneuerten die Paſchas von <placeName>Bosnien</placeName><lb/> und <placeName>Semendria</placeName> den Krieg an den ungariſch-ſlawoniſchen<lb/> Grenzen: <persName ref="http://d-nb.info/gnd/131426478">Katzianer</persName>, der ihnen Einhalt thun ſollte, erlitt bei<lb/><placeName>Eſſek</placeName> eine jener Niederlagen welche das Heer, das ſie er-<lb/> fährt, zugleich vernichten. Nicht allein die ferdinandeiſchen<lb/> Gebiete ſtanden hierauf dem Feinde offen, ſondern der Kö-<lb/> nig-Woiwode <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712330">Johann</persName>, der ſchon ſeit mehreren Jahren in<lb/><placeName>Conſtantinopel</placeName> verdächtig und verhaßt geworden, fieng an<lb/> ſich zu fürchten.</p><lb/> <p>Dadurch geſchah zunächſt, daß die gefährdeten Grenz-<lb/> ſtaaten bei der größeren Macht des Hauſes Öſtreich Rück-<lb/> halt ſuchten. Unter Vermittelung des Papſtes traf <placeName>Venedig</placeName><lb/> mit dieſem und dem Kaiſer ein Offenſiv- und Defenſiv-<lb/> Bündniß wider die Osmanen, bei welchem man ſogar die<lb/> Zerſtörung ihres Reiches in Ausſicht nahm und der Kaiſer<lb/> ſich die Krone von <placeName>Conſtantinopel</placeName> ausdrücklich vorbehielt.<lb/> Am 24ſten Februar 1538 ſchloß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712330">Johann Zapolya</persName> einen<lb/> Vertrag mit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118560093">Carl</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName>, in welchem er allen ſei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0130]
Siebentes Buch. Zweites Capitel.
König ſelber erſchreckten. Da gegen den Kaiſer wenig aus-
zurichten war, wandte ſich die Seemacht des Sultans ge-
gen die ihm bequemer gelegenen venezianiſchen Beſitzungen.
Corfu ward wenigſtens geplündert (die Lebensbeſchreibung
Chaireddins will 140 zerſtörte Dörfer daſelbſt zählen); alle
die altberühmten Eilande des Archipelagus aber, Skyros,
Pathmos, Aegina, Paros, Naxos, an die ſich die Erinne-
rung der Anfänge der abendländiſchen Cultur, der profanen
wie der kirchlichen, knüpfen, fielen jetzt in die Hände der
Barbaren. 1 Indeſſen erneuerten die Paſchas von Bosnien
und Semendria den Krieg an den ungariſch-ſlawoniſchen
Grenzen: Katzianer, der ihnen Einhalt thun ſollte, erlitt bei
Eſſek eine jener Niederlagen welche das Heer, das ſie er-
fährt, zugleich vernichten. Nicht allein die ferdinandeiſchen
Gebiete ſtanden hierauf dem Feinde offen, ſondern der Kö-
nig-Woiwode Johann, der ſchon ſeit mehreren Jahren in
Conſtantinopel verdächtig und verhaßt geworden, fieng an
ſich zu fürchten.
Dadurch geſchah zunächſt, daß die gefährdeten Grenz-
ſtaaten bei der größeren Macht des Hauſes Öſtreich Rück-
halt ſuchten. Unter Vermittelung des Papſtes traf Venedig
mit dieſem und dem Kaiſer ein Offenſiv- und Defenſiv-
Bündniß wider die Osmanen, bei welchem man ſogar die
Zerſtörung ihres Reiches in Ausſicht nahm und der Kaiſer
ſich die Krone von Conſtantinopel ausdrücklich vorbehielt.
Am 24ſten Februar 1538 ſchloß Johann Zapolya einen
Vertrag mit Carl und Ferdinand, in welchem er allen ſei-
1 Antonio Longo commentarj della guerra del 1537, 38,
39. MS Venet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |