Ferdinand soll bedenken, daß man, da alles auf dem Spiel steht, auch alles daran setzen müsse.
Dergestalt hegte der Kaiser doch wirklich die Gesinnung welche die Protestanten in ihm voraussetzten: er war in der That geneigt die Nürnberger Zugeständnisse zu erweitern, die Protestanten vor Anwendung der Gewalt zu sichern. Wir können sagen, unter diesen Bedingungen wäre der Friede auf immer befestigt gewesen: die Evangelischen wünschten nichts weiter: sie wären damit vollkommen beruhigt worden.
Statt dieser Zusicherungen aber trug nun Held eine Erklärung vor, welche wenn nicht dem Wortlaut, doch der Tendenz nach das grade Gegentheil von dem enthielt was ihm aufgetragen worden.
Nothwendig erheben wir die zweite Frage wie dieß auch nur möglich war. Nicht mit so vieler Bestimmtheit wie die erste können wir sie beantworten, aber die Sache ist doch wohl zu erklären.
Doctor Matthias Held war früher selbst Beisitzer am Kammergericht gewesen, und durch die unaufhörliche Reni- tenz der Protestanten gegen die Autorität dieses Gerichts- hofes mit Bitterkeit und Haß gegen sie angefüllt worden. Er war ein kleiner heftiger Mann, nicht eben von moralisch- reiner Haltung. Seine unechten Kinder machten ihm viel zu schaffen, und wir finden wohl daß er den jungen Vi- glius, den er am Kammergericht beförderte, dafür mit sei- ner natürlichen Tochter verheirathen wollte. 1 In seinen
selon que l'on verra et ce que depuis est succede en aura baille l'occasion - - - Die ganze Instruction, ebenfalls im Brüsseler Archiv befindlich, folgt im Anhang.
Ferdinand ſoll bedenken, daß man, da alles auf dem Spiel ſteht, auch alles daran ſetzen müſſe.
Dergeſtalt hegte der Kaiſer doch wirklich die Geſinnung welche die Proteſtanten in ihm vorausſetzten: er war in der That geneigt die Nürnberger Zugeſtändniſſe zu erweitern, die Proteſtanten vor Anwendung der Gewalt zu ſichern. Wir können ſagen, unter dieſen Bedingungen wäre der Friede auf immer befeſtigt geweſen: die Evangeliſchen wünſchten nichts weiter: ſie wären damit vollkommen beruhigt worden.
Statt dieſer Zuſicherungen aber trug nun Held eine Erklärung vor, welche wenn nicht dem Wortlaut, doch der Tendenz nach das grade Gegentheil von dem enthielt was ihm aufgetragen worden.
Nothwendig erheben wir die zweite Frage wie dieß auch nur möglich war. Nicht mit ſo vieler Beſtimmtheit wie die erſte können wir ſie beantworten, aber die Sache iſt doch wohl zu erklären.
Doctor Matthias Held war früher ſelbſt Beiſitzer am Kammergericht geweſen, und durch die unaufhörliche Reni- tenz der Proteſtanten gegen die Autorität dieſes Gerichts- hofes mit Bitterkeit und Haß gegen ſie angefüllt worden. Er war ein kleiner heftiger Mann, nicht eben von moraliſch- reiner Haltung. Seine unechten Kinder machten ihm viel zu ſchaffen, und wir finden wohl daß er den jungen Vi- glius, den er am Kammergericht beförderte, dafür mit ſei- ner natürlichen Tochter verheirathen wollte. 1 In ſeinen
selon que l’on verra et ce que depuis est succedé en aura baillé l’occasion ‒ ‒ ‒ Die ganze Inſtruction, ebenfalls im Bruͤſſeler Archiv befindlich, folgt im Anhang.
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[104/0116]
Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Ferdinand ſoll bedenken, daß man, da alles auf dem Spiel
ſteht, auch alles daran ſetzen müſſe.
Dergeſtalt hegte der Kaiſer doch wirklich die Geſinnung
welche die Proteſtanten in ihm vorausſetzten: er war in der
That geneigt die Nürnberger Zugeſtändniſſe zu erweitern, die
Proteſtanten vor Anwendung der Gewalt zu ſichern. Wir
können ſagen, unter dieſen Bedingungen wäre der Friede auf
immer befeſtigt geweſen: die Evangeliſchen wünſchten nichts
weiter: ſie wären damit vollkommen beruhigt worden.
Statt dieſer Zuſicherungen aber trug nun Held eine
Erklärung vor, welche wenn nicht dem Wortlaut, doch der
Tendenz nach das grade Gegentheil von dem enthielt was
ihm aufgetragen worden.
Nothwendig erheben wir die zweite Frage wie dieß auch
nur möglich war. Nicht mit ſo vieler Beſtimmtheit wie die
erſte können wir ſie beantworten, aber die Sache iſt doch
wohl zu erklären.
Doctor Matthias Held war früher ſelbſt Beiſitzer am
Kammergericht geweſen, und durch die unaufhörliche Reni-
tenz der Proteſtanten gegen die Autorität dieſes Gerichts-
hofes mit Bitterkeit und Haß gegen ſie angefüllt worden.
Er war ein kleiner heftiger Mann, nicht eben von moraliſch-
reiner Haltung. Seine unechten Kinder machten ihm viel
zu ſchaffen, und wir finden wohl daß er den jungen Vi-
glius, den er am Kammergericht beförderte, dafür mit ſei-
ner natürlichen Tochter verheirathen wollte. 1 In ſeinen
1
1 Vita Viglii. Anal. Belg. II, 1, 97.
1 selon que l’on verra et ce que depuis est succedé en aura baillé
l’occasion ‒ ‒ ‒ Die ganze Inſtruction, ebenfalls im Bruͤſſeler Archiv
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/116>, abgerufen am 27.11.2024.
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