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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Verhandlungen des Dr Held.
halten, unmöglich gestatten, eigenmächtig davon abzuweichen:
er werde die Zusage geltend zu machen wissen die ihm gesche-
hen sey; wolle jemand zurücktreten, so müsse ein solcher erst
die Genehmigung des Hofes dazu nachsuchen. Genug, dem
Gerichtshof, von dem die Protestanten ausgeschlossen waren,
und in welchem der Mittelpunct der sie bedrohenden Feind-
seligkeiten lag, suchte er die ganze Freiheit des Verfahrens
vorzubehalten, welche diese beschränken wollten. Es sollte
ihm überlassen bleiben, in welchen Sachen, gegen welche
Stände es die alten Rechte geltend machen wolle. Da sei-
nen Aussprüchen die Reichsacht folgen mußte, wäre keinen
Augenblick weiter an ein ruhiges Bestehen zu denken gewesen. 1

Die Protestanten, die sich auf den Frieden von Cadan,
die Abrede zu Wien, das Schreiben von Savigliano ver-
ließen, hätten eine Erklärung dieser Art nimmermehr erwar-
tet. "Wir sind alle ganz erschrocken gewesen," sagt der Land-
graf, "wir waren wie vor den Kopf geschlagen." "Wir hatten
uns," sagt ein sächsischer Gesandter, "einer Bekräftigung des
kaiserlichen Friedens versehen, nicht dieses Untrosts."

Auch wir unsres Ortes, nachdem wir die friedliche Hal-
tung wahrgenommen, die der Kaiser und nicht einmal freiwil-
lig jetzt einhielt, müssen vor allem die Frage aufwerfen, ob
eine Erklärung wie diese wirklich seinen Absichten entsprach.


1 Die einzige einigermaßen authentische gedruckte Notiz über
diese Verhandlungen findet sich bei Schmidt Theil VIII, p. 374, wo
sich jedoch sonst über die Heldische Angelegenheit gar viele Irrthümer
kund geben. Von um so größerem Werthe war mir ein Actenstück
im Brüsseler Archiv ohne Titel im 4ten Bde der Documens rela-
tifs a la reforme, Piece 85,
das die Verhandlungen über Concil,
surseance d. i. das Kammergericht, und novi adhaerentes d. i. den
Nürnberger Frieden, Vortrag, Antwort, Replik und zweite Antwort
enthält.

Verhandlungen des Dr Held.
halten, unmöglich geſtatten, eigenmächtig davon abzuweichen:
er werde die Zuſage geltend zu machen wiſſen die ihm geſche-
hen ſey; wolle jemand zurücktreten, ſo müſſe ein ſolcher erſt
die Genehmigung des Hofes dazu nachſuchen. Genug, dem
Gerichtshof, von dem die Proteſtanten ausgeſchloſſen waren,
und in welchem der Mittelpunct der ſie bedrohenden Feind-
ſeligkeiten lag, ſuchte er die ganze Freiheit des Verfahrens
vorzubehalten, welche dieſe beſchränken wollten. Es ſollte
ihm überlaſſen bleiben, in welchen Sachen, gegen welche
Stände es die alten Rechte geltend machen wolle. Da ſei-
nen Ausſprüchen die Reichsacht folgen mußte, wäre keinen
Augenblick weiter an ein ruhiges Beſtehen zu denken geweſen. 1

Die Proteſtanten, die ſich auf den Frieden von Cadan,
die Abrede zu Wien, das Schreiben von Savigliano ver-
ließen, hätten eine Erklärung dieſer Art nimmermehr erwar-
tet. „Wir ſind alle ganz erſchrocken geweſen,“ ſagt der Land-
graf, „wir waren wie vor den Kopf geſchlagen.“ „Wir hatten
uns,“ ſagt ein ſächſiſcher Geſandter, „einer Bekräftigung des
kaiſerlichen Friedens verſehen, nicht dieſes Untroſts.“

Auch wir unſres Ortes, nachdem wir die friedliche Hal-
tung wahrgenommen, die der Kaiſer und nicht einmal freiwil-
lig jetzt einhielt, müſſen vor allem die Frage aufwerfen, ob
eine Erklärung wie dieſe wirklich ſeinen Abſichten entſprach.


1 Die einzige einigermaßen authentiſche gedruckte Notiz uͤber
dieſe Verhandlungen findet ſich bei Schmidt Theil VIII, p. 374, wo
ſich jedoch ſonſt uͤber die Heldiſche Angelegenheit gar viele Irrthuͤmer
kund geben. Von um ſo groͤßerem Werthe war mir ein Actenſtuͤck
im Bruͤſſeler Archiv ohne Titel im 4ten Bde der Documens rela-
tifs à la reforme, Piece 85,
das die Verhandlungen uͤber Concil,
surséance d. i. das Kammergericht, und novi adhaerentes d. i. den
Nuͤrnberger Frieden, Vortrag, Antwort, Replik und zweite Antwort
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[101/0113] Verhandlungen des Dr Held. halten, unmöglich geſtatten, eigenmächtig davon abzuweichen: er werde die Zuſage geltend zu machen wiſſen die ihm geſche- hen ſey; wolle jemand zurücktreten, ſo müſſe ein ſolcher erſt die Genehmigung des Hofes dazu nachſuchen. Genug, dem Gerichtshof, von dem die Proteſtanten ausgeſchloſſen waren, und in welchem der Mittelpunct der ſie bedrohenden Feind- ſeligkeiten lag, ſuchte er die ganze Freiheit des Verfahrens vorzubehalten, welche dieſe beſchränken wollten. Es ſollte ihm überlaſſen bleiben, in welchen Sachen, gegen welche Stände es die alten Rechte geltend machen wolle. Da ſei- nen Ausſprüchen die Reichsacht folgen mußte, wäre keinen Augenblick weiter an ein ruhiges Beſtehen zu denken geweſen. 1 Die Proteſtanten, die ſich auf den Frieden von Cadan, die Abrede zu Wien, das Schreiben von Savigliano ver- ließen, hätten eine Erklärung dieſer Art nimmermehr erwar- tet. „Wir ſind alle ganz erſchrocken geweſen,“ ſagt der Land- graf, „wir waren wie vor den Kopf geſchlagen.“ „Wir hatten uns,“ ſagt ein ſächſiſcher Geſandter, „einer Bekräftigung des kaiſerlichen Friedens verſehen, nicht dieſes Untroſts.“ Auch wir unſres Ortes, nachdem wir die friedliche Hal- tung wahrgenommen, die der Kaiſer und nicht einmal freiwil- lig jetzt einhielt, müſſen vor allem die Frage aufwerfen, ob eine Erklärung wie dieſe wirklich ſeinen Abſichten entſprach. 1 Die einzige einigermaßen authentiſche gedruckte Notiz uͤber dieſe Verhandlungen findet ſich bei Schmidt Theil VIII, p. 374, wo ſich jedoch ſonſt uͤber die Heldiſche Angelegenheit gar viele Irrthuͤmer kund geben. Von um ſo groͤßerem Werthe war mir ein Actenſtuͤck im Bruͤſſeler Archiv ohne Titel im 4ten Bde der Documens rela- tifs à la reforme, Piece 85, das die Verhandlungen uͤber Concil, surséance d. i. das Kammergericht, und novi adhaerentes d. i. den Nuͤrnberger Frieden, Vortrag, Antwort, Replik und zweite Antwort enthaͤlt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/113>, abgerufen am 26.11.2024.