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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Drittes Capitel.
waren auch die Verhältnisse der öffentlichen Gewalt, an die
sie sich anschlossen, und die Gegensätze, welche sie zu bekäm-
pfen hatten, sehr verschieden. Auch in der Richtung der
Ideen und der Auffassung der Lehre zeigten sich bei aller
Analogie doch sehr bald wesentliche Abweichungen.

Der vornehmste Unterschied ist, daß Luther an dem
bestehenden geistlichen Institut alles festhalten wollte, was
nicht durch einen ausdrücklichen Spruch der Schrift wider-
legt werde; Zwingli dagegen alles abzuschaffen entschlossen
war, was sich nicht durch die Schrift beweisen lasse. Lu-
ther blieb auf dem gewonnenen Grund und Boden der la-
teinischen Kirche stehen; er wollte nur reinigen, die Lehre
außer Widerspruch mit dem Evangelium setzen; Zwingli hielt
dagegen für nothwendig, die ersten einfachsten Zustände der
christlichen Kirche so viel wie immer möglich herzustellen;
er schritt zu einer totalen Umwandlung fort.

Wir wissen, wie weit Luther entfernt war, auf die
Abschaffung der Bilder zu dringen; er begnügte sich den
Aberglauben zu bekämpfen, der sich daran geknüpft hatte.
Zwingli dagegen betrachtete diesen Dienst schlechthin als Ab-
götterei und verdammte die Bilder selbst und an sich. Im
Einverständniß mit ihm erklärte der Rath zu Pfingsten 1524,
er wolle die Bilder abschaffen, er halte dieß für ein gött-
liches Werk. Glücklich vermied man die Unordnungen,
welche ein ähnliches Vorhaben an so manchen andern Orten
hervorgebracht hat. Die drei Leutpriester mit zwölf Raths-
gliedern, einem aus jeder Zunft, begaben sich nach den
Kirchen, um die Sache unter ihrer Aufsicht ausführen zu
lassen. Die Kreuze bei den Frohnaltären verschwanden.

Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
waren auch die Verhältniſſe der öffentlichen Gewalt, an die
ſie ſich anſchloſſen, und die Gegenſätze, welche ſie zu bekäm-
pfen hatten, ſehr verſchieden. Auch in der Richtung der
Ideen und der Auffaſſung der Lehre zeigten ſich bei aller
Analogie doch ſehr bald weſentliche Abweichungen.

Der vornehmſte Unterſchied iſt, daß Luther an dem
beſtehenden geiſtlichen Inſtitut alles feſthalten wollte, was
nicht durch einen ausdrücklichen Spruch der Schrift wider-
legt werde; Zwingli dagegen alles abzuſchaffen entſchloſſen
war, was ſich nicht durch die Schrift beweiſen laſſe. Lu-
ther blieb auf dem gewonnenen Grund und Boden der la-
teiniſchen Kirche ſtehen; er wollte nur reinigen, die Lehre
außer Widerſpruch mit dem Evangelium ſetzen; Zwingli hielt
dagegen für nothwendig, die erſten einfachſten Zuſtände der
chriſtlichen Kirche ſo viel wie immer möglich herzuſtellen;
er ſchritt zu einer totalen Umwandlung fort.

Wir wiſſen, wie weit Luther entfernt war, auf die
Abſchaffung der Bilder zu dringen; er begnügte ſich den
Aberglauben zu bekämpfen, der ſich daran geknüpft hatte.
Zwingli dagegen betrachtete dieſen Dienſt ſchlechthin als Ab-
götterei und verdammte die Bilder ſelbſt und an ſich. Im
Einverſtändniß mit ihm erklärte der Rath zu Pfingſten 1524,
er wolle die Bilder abſchaffen, er halte dieß für ein gött-
liches Werk. Glücklich vermied man die Unordnungen,
welche ein ähnliches Vorhaben an ſo manchen andern Orten
hervorgebracht hat. Die drei Leutprieſter mit zwölf Raths-
gliedern, einem aus jeder Zunft, begaben ſich nach den
Kirchen, um die Sache unter ihrer Aufſicht ausführen zu
laſſen. Die Kreuze bei den Frohnaltären verſchwanden.

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[78/0094] Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. waren auch die Verhältniſſe der öffentlichen Gewalt, an die ſie ſich anſchloſſen, und die Gegenſätze, welche ſie zu bekäm- pfen hatten, ſehr verſchieden. Auch in der Richtung der Ideen und der Auffaſſung der Lehre zeigten ſich bei aller Analogie doch ſehr bald weſentliche Abweichungen. Der vornehmſte Unterſchied iſt, daß Luther an dem beſtehenden geiſtlichen Inſtitut alles feſthalten wollte, was nicht durch einen ausdrücklichen Spruch der Schrift wider- legt werde; Zwingli dagegen alles abzuſchaffen entſchloſſen war, was ſich nicht durch die Schrift beweiſen laſſe. Lu- ther blieb auf dem gewonnenen Grund und Boden der la- teiniſchen Kirche ſtehen; er wollte nur reinigen, die Lehre außer Widerſpruch mit dem Evangelium ſetzen; Zwingli hielt dagegen für nothwendig, die erſten einfachſten Zuſtände der chriſtlichen Kirche ſo viel wie immer möglich herzuſtellen; er ſchritt zu einer totalen Umwandlung fort. Wir wiſſen, wie weit Luther entfernt war, auf die Abſchaffung der Bilder zu dringen; er begnügte ſich den Aberglauben zu bekämpfen, der ſich daran geknüpft hatte. Zwingli dagegen betrachtete dieſen Dienſt ſchlechthin als Ab- götterei und verdammte die Bilder ſelbſt und an ſich. Im Einverſtändniß mit ihm erklärte der Rath zu Pfingſten 1524, er wolle die Bilder abſchaffen, er halte dieß für ein gött- liches Werk. Glücklich vermied man die Unordnungen, welche ein ähnliches Vorhaben an ſo manchen andern Orten hervorgebracht hat. Die drei Leutprieſter mit zwölf Raths- gliedern, einem aus jeder Zunft, begaben ſich nach den Kirchen, um die Sache unter ihrer Aufſicht ausführen zu laſſen. Die Kreuze bei den Frohnaltären verſchwanden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/94>, abgerufen am 23.11.2024.