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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Zwingli.
in Aufnahme kamen. Zwingli schloß sich wie seine Lehrer,
alle seine Freunde, dieser Richtung an; und hielt sie fest,
auch als er noch sehr jung im Jahr 1506 Pfarrer in Gla-
rus wurde. Alle Muße, die sein Amt ihm ließ, widmete
er den Studien. Zuweilen hat er sich in schriftstellerischen
Productionen im Sinne der Latinisten jener Zeit versucht;
doch ist es ihm nicht gelungen, sich der Antike mit voller
Freiheit anzuschließen. 1 Hauptsächlich las und studirte er
die Alten. Mehr noch ihr Inhalt, ihr großer Sinn für
das Einfache und Wahre fesselte ihn, als ihn ihre Form
zur Nachahmung reizte. Er meinte wohl, der göttliche Geist
sey nicht auf Palästina beschränkt gewesen, auch Plato habe
aus dem göttlichen Born getrunken, Seneca nennt er einen
heiligen Mann: vor allem verehrt er Pindar, der so erha-
ben von seinen Göttern rede, daß ihm eine Ahnung von
der einen heiligen Gotteskraft beigewohnt haben müsse, 2
er ist ihnen allen dankbar, weil er von ihnen allen gelernt,
weil sie ihn zur Wahrheit geführt. In diesen Studien be-
griffen nahm er nun auch das griechische neue Testament,
in der Ausgabe von Erasmus, zur Hand und widmete ihm
den größten Fleiß. Um sich mit den Episteln Pauli vertraut
zu machen, ließ er sich die Mühe nicht verdrießen, sie mit
eigner Hand sauber abzuschreiben; 3 am Rande merkte er

1 De gestis inter Helvetios et Gallos ad Ravennam Pa-
piam aliisque locis relatio
bei Freher-Struve III, 171.
2 Nihil est in omni opere, quod non sit doctum, amoenum,
sanctum. -- -- Quum aliquando dei munere oculos recipimus eos-
que ad vetustissimos scriptores attollimus, jam videntur lux et
virtus in conspectum venisse.
Siehe die Vorrede und Nachrede,
welche Zwingli unter dem Namen Huldrychus Geminius ber Ausgabe
des Pindar von Ceporin 1526 hinzufügte Tig- III, 207.
3 Schuler: Huldreich Zwingli: Geschichte seiner Bildung zum
Reformator. Anmerkungen p. 7.

Zwingli.
in Aufnahme kamen. Zwingli ſchloß ſich wie ſeine Lehrer,
alle ſeine Freunde, dieſer Richtung an; und hielt ſie feſt,
auch als er noch ſehr jung im Jahr 1506 Pfarrer in Gla-
rus wurde. Alle Muße, die ſein Amt ihm ließ, widmete
er den Studien. Zuweilen hat er ſich in ſchriftſtelleriſchen
Productionen im Sinne der Latiniſten jener Zeit verſucht;
doch iſt es ihm nicht gelungen, ſich der Antike mit voller
Freiheit anzuſchließen. 1 Hauptſächlich las und ſtudirte er
die Alten. Mehr noch ihr Inhalt, ihr großer Sinn für
das Einfache und Wahre feſſelte ihn, als ihn ihre Form
zur Nachahmung reizte. Er meinte wohl, der göttliche Geiſt
ſey nicht auf Paläſtina beſchränkt geweſen, auch Plato habe
aus dem göttlichen Born getrunken, Seneca nennt er einen
heiligen Mann: vor allem verehrt er Pindar, der ſo erha-
ben von ſeinen Göttern rede, daß ihm eine Ahnung von
der einen heiligen Gotteskraft beigewohnt haben müſſe, 2
er iſt ihnen allen dankbar, weil er von ihnen allen gelernt,
weil ſie ihn zur Wahrheit geführt. In dieſen Studien be-
griffen nahm er nun auch das griechiſche neue Teſtament,
in der Ausgabe von Erasmus, zur Hand und widmete ihm
den größten Fleiß. Um ſich mit den Epiſteln Pauli vertraut
zu machen, ließ er ſich die Mühe nicht verdrießen, ſie mit
eigner Hand ſauber abzuſchreiben; 3 am Rande merkte er

1 De gestis inter Helvetios et Gallos ad Ravennam Pa-
piam aliisque locis relatio
bei Freher-Struve III, 171.
2 Nihil est in omni opere, quod non sit doctum, amoenum,
sanctum. — — Quum aliquando dei munere oculos recipimus eos-
que ad vetustissimos scriptores attollimus, jam videntur lux et
virtus in conspectum venisse.
Siehe die Vorrede und Nachrede,
welche Zwingli unter dem Namen Huldrychus Geminius ber Ausgabe
des Pindar von Ceporin 1526 hinzufuͤgte Tig- III, 207.
3 Schuler: Huldreich Zwingli: Geſchichte ſeiner Bildung zum
Reformator. Anmerkungen p. 7.
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[57/0073] Zwingli. in Aufnahme kamen. Zwingli ſchloß ſich wie ſeine Lehrer, alle ſeine Freunde, dieſer Richtung an; und hielt ſie feſt, auch als er noch ſehr jung im Jahr 1506 Pfarrer in Gla- rus wurde. Alle Muße, die ſein Amt ihm ließ, widmete er den Studien. Zuweilen hat er ſich in ſchriftſtelleriſchen Productionen im Sinne der Latiniſten jener Zeit verſucht; doch iſt es ihm nicht gelungen, ſich der Antike mit voller Freiheit anzuſchließen. 1 Hauptſächlich las und ſtudirte er die Alten. Mehr noch ihr Inhalt, ihr großer Sinn für das Einfache und Wahre feſſelte ihn, als ihn ihre Form zur Nachahmung reizte. Er meinte wohl, der göttliche Geiſt ſey nicht auf Paläſtina beſchränkt geweſen, auch Plato habe aus dem göttlichen Born getrunken, Seneca nennt er einen heiligen Mann: vor allem verehrt er Pindar, der ſo erha- ben von ſeinen Göttern rede, daß ihm eine Ahnung von der einen heiligen Gotteskraft beigewohnt haben müſſe, 2 er iſt ihnen allen dankbar, weil er von ihnen allen gelernt, weil ſie ihn zur Wahrheit geführt. In dieſen Studien be- griffen nahm er nun auch das griechiſche neue Teſtament, in der Ausgabe von Erasmus, zur Hand und widmete ihm den größten Fleiß. Um ſich mit den Epiſteln Pauli vertraut zu machen, ließ er ſich die Mühe nicht verdrießen, ſie mit eigner Hand ſauber abzuſchreiben; 3 am Rande merkte er 1 De gestis inter Helvetios et Gallos ad Ravennam Pa- piam aliisque locis relatio bei Freher-Struve III, 171. 2 Nihil est in omni opere, quod non sit doctum, amoenum, sanctum. — — Quum aliquando dei munere oculos recipimus eos- que ad vetustissimos scriptores attollimus, jam videntur lux et virtus in conspectum venisse. Siehe die Vorrede und Nachrede, welche Zwingli unter dem Namen Huldrychus Geminius ber Ausgabe des Pindar von Ceporin 1526 hinzufuͤgte Tig- III, 207. 3 Schuler: Huldreich Zwingli: Geſchichte ſeiner Bildung zum Reformator. Anmerkungen p. 7.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/73>, abgerufen am 25.11.2024.