Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Zweites Capitel.
Schreiber Wurisyn habe ihm eine Copie aus Schlesien ge-
bracht. Allein auch dieß zeigte sich unwahr. Der Schrei-
ber bewies, daß er in der Zeit, welche Pack bezeichnet, gar
nicht nach Dresden gekommen war. Er war damals aus
Furcht vor den Gläubigern, die ihn verfolgten, auf flüch-
tigem Fuß gewesen.

Ein in sich so mit Widersprüchen angefülltes, von ei-
nem so unzuverlässigen betrügerischen Menschen dargebotenes
Actenstück muß ohne Zweifel völlig verworfen werden. Ich
finde auch, daß die Meinung Pack habe einen Betrug aus-
geübt, sich damals sehr bald auch diesseit geltend machte.
Melanchthon war davon sogleich überzeugt, als er die ersten
Verhöre gelesen hatte. 1 Der Landgraf Philipp hat es
mehr als einmal unumwunden bekannt. Man warf ihm
wohl später einmal vor, er habe da viel vorgenommen und
wenig ausgerichtet. "Das geschah, darum," sagt er, "daß
wir fühleten, daß wir betrogen waren." 2 "Wir befanden,
daß wir zu milde" (d. i. falsch) "berichtet waren."

Und hätte er dieser Ueberzeugung nur noch früher Raum
gegeben, als er wirklich that!

Allein ehe noch die Nichtigkeit jenes Entwurfes voll-
kommen klar geworden, war er schon ins Würzburgische
eingefallen, und bedrohte die Gebiete von Bamberg auf der
einen, von Mainz auf der andern Seite. Von denen, welche
durch ihre Drohungen seine Rüstungen veranlaßt, forderte

1 An Camerarius Corp. Ref. I, 988. Alter sane odiose ex-
torsit pecuniam nobis valde dissuadentibus:
aidos d ouk agathe
kekhremeno andri. Camerarius hatte diese Ausdrücke sehr ermäßigt;
Hr. Dr. Bretschneider hat sie wieder hergestellt.
2 Dritte Verantwortung bei Hortleder IV, 19 nr. 26 p. 567.

Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel.
Schreiber Wuriſyn habe ihm eine Copie aus Schleſien ge-
bracht. Allein auch dieß zeigte ſich unwahr. Der Schrei-
ber bewies, daß er in der Zeit, welche Pack bezeichnet, gar
nicht nach Dresden gekommen war. Er war damals aus
Furcht vor den Gläubigern, die ihn verfolgten, auf flüch-
tigem Fuß geweſen.

Ein in ſich ſo mit Widerſprüchen angefülltes, von ei-
nem ſo unzuverläſſigen betrügeriſchen Menſchen dargebotenes
Actenſtück muß ohne Zweifel völlig verworfen werden. Ich
finde auch, daß die Meinung Pack habe einen Betrug aus-
geübt, ſich damals ſehr bald auch dieſſeit geltend machte.
Melanchthon war davon ſogleich überzeugt, als er die erſten
Verhöre geleſen hatte. 1 Der Landgraf Philipp hat es
mehr als einmal unumwunden bekannt. Man warf ihm
wohl ſpäter einmal vor, er habe da viel vorgenommen und
wenig ausgerichtet. „Das geſchah, darum,“ ſagt er, „daß
wir fühleten, daß wir betrogen waren.“ 2 „Wir befanden,
daß wir zu milde“ (d. i. falſch) „berichtet waren.“

Und hätte er dieſer Ueberzeugung nur noch früher Raum
gegeben, als er wirklich that!

Allein ehe noch die Nichtigkeit jenes Entwurfes voll-
kommen klar geworden, war er ſchon ins Würzburgiſche
eingefallen, und bedrohte die Gebiete von Bamberg auf der
einen, von Mainz auf der andern Seite. Von denen, welche
durch ihre Drohungen ſeine Rüſtungen veranlaßt, forderte

1 An Camerarius Corp. Ref. I, 988. Alter sane odiose ex-
torsit pecuniam nobis valde dissuadentibus:
αἰδὼς δ̕ οὐκ ἀγαϑὴ
κεχϱημένῳ ἀνδϱὶ. Camerarius hatte dieſe Ausdruͤcke ſehr ermaͤßigt;
Hr. Dr. Bretſchneider hat ſie wieder hergeſtellt.
2 Dritte Verantwortung bei Hortleder IV, 19 nr. 26 p. 567.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
Schreiber Wuri&#x017F;yn habe ihm eine Copie aus Schle&#x017F;ien ge-<lb/>
bracht. Allein auch dieß zeigte &#x017F;ich unwahr. Der Schrei-<lb/>
ber bewies, daß er in der Zeit, welche Pack bezeichnet, gar<lb/>
nicht nach Dresden gekommen war. Er war damals aus<lb/>
Furcht vor den Gläubigern, die ihn verfolgten, auf flüch-<lb/>
tigem Fuß gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Ein in &#x017F;ich &#x017F;o mit Wider&#x017F;prüchen angefülltes, von ei-<lb/>
nem &#x017F;o unzuverlä&#x017F;&#x017F;igen betrügeri&#x017F;chen Men&#x017F;chen dargebotenes<lb/>
Acten&#x017F;tück muß ohne Zweifel völlig verworfen werden. Ich<lb/>
finde auch, daß die Meinung Pack habe einen Betrug aus-<lb/>
geübt, &#x017F;ich damals &#x017F;ehr bald auch die&#x017F;&#x017F;eit geltend machte.<lb/>
Melanchthon war davon &#x017F;ogleich überzeugt, als er die er&#x017F;ten<lb/>
Verhöre gele&#x017F;en hatte. <note place="foot" n="1">An Camerarius <hi rendition="#aq">Corp. Ref. I, 988. Alter sane odiose ex-<lb/>
torsit pecuniam nobis valde dissuadentibus:</hi> &#x03B1;&#x1F30;&#x03B4;&#x1F7C;&#x03C2; &#x03B4;&#x0315; &#x03BF;&#x1F50;&#x03BA; &#x1F00;&#x03B3;&#x03B1;&#x03D1;&#x1F74;<lb/>
&#x03BA;&#x03B5;&#x03C7;&#x03F1;&#x03B7;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x1FF3; &#x1F00;&#x03BD;&#x03B4;&#x03F1;&#x1F76;. Camerarius hatte die&#x017F;e Ausdru&#x0364;cke &#x017F;ehr erma&#x0364;ßigt;<lb/>
Hr. Dr. Bret&#x017F;chneider hat &#x017F;ie wieder herge&#x017F;tellt.</note> Der Landgraf Philipp hat es<lb/>
mehr als einmal unumwunden bekannt. Man warf ihm<lb/>
wohl &#x017F;päter einmal vor, er habe da viel vorgenommen und<lb/>
wenig ausgerichtet. &#x201E;Das ge&#x017F;chah, darum,&#x201C; &#x017F;agt er, &#x201E;daß<lb/>
wir fühleten, daß wir betrogen waren.&#x201C; <note place="foot" n="2">Dritte Verantwortung bei Hortleder <hi rendition="#aq">IV, 19 nr. 26 p.</hi> 567.</note> &#x201E;Wir befanden,<lb/>
daß wir zu milde&#x201C; (d. i. fal&#x017F;ch) &#x201E;berichtet waren.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und hätte er die&#x017F;er Ueberzeugung nur noch früher Raum<lb/>
gegeben, als er wirklich that!</p><lb/>
          <p>Allein ehe noch die Nichtigkeit jenes Entwurfes voll-<lb/>
kommen klar geworden, war er &#x017F;chon ins Würzburgi&#x017F;che<lb/>
eingefallen, und bedrohte die Gebiete von Bamberg auf der<lb/>
einen, von Mainz auf der andern Seite. Von denen, welche<lb/>
durch ihre Drohungen &#x017F;eine Rü&#x017F;tungen veranlaßt, forderte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0062] Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel. Schreiber Wuriſyn habe ihm eine Copie aus Schleſien ge- bracht. Allein auch dieß zeigte ſich unwahr. Der Schrei- ber bewies, daß er in der Zeit, welche Pack bezeichnet, gar nicht nach Dresden gekommen war. Er war damals aus Furcht vor den Gläubigern, die ihn verfolgten, auf flüch- tigem Fuß geweſen. Ein in ſich ſo mit Widerſprüchen angefülltes, von ei- nem ſo unzuverläſſigen betrügeriſchen Menſchen dargebotenes Actenſtück muß ohne Zweifel völlig verworfen werden. Ich finde auch, daß die Meinung Pack habe einen Betrug aus- geübt, ſich damals ſehr bald auch dieſſeit geltend machte. Melanchthon war davon ſogleich überzeugt, als er die erſten Verhöre geleſen hatte. 1 Der Landgraf Philipp hat es mehr als einmal unumwunden bekannt. Man warf ihm wohl ſpäter einmal vor, er habe da viel vorgenommen und wenig ausgerichtet. „Das geſchah, darum,“ ſagt er, „daß wir fühleten, daß wir betrogen waren.“ 2 „Wir befanden, daß wir zu milde“ (d. i. falſch) „berichtet waren.“ Und hätte er dieſer Ueberzeugung nur noch früher Raum gegeben, als er wirklich that! Allein ehe noch die Nichtigkeit jenes Entwurfes voll- kommen klar geworden, war er ſchon ins Würzburgiſche eingefallen, und bedrohte die Gebiete von Bamberg auf der einen, von Mainz auf der andern Seite. Von denen, welche durch ihre Drohungen ſeine Rüſtungen veranlaßt, forderte 1 An Camerarius Corp. Ref. I, 988. Alter sane odiose ex- torsit pecuniam nobis valde dissuadentibus: αἰδὼς δ̕ οὐκ ἀγαϑὴ κεχϱημένῳ ἀνδϱὶ. Camerarius hatte dieſe Ausdruͤcke ſehr ermaͤßigt; Hr. Dr. Bretſchneider hat ſie wieder hergeſtellt. 2 Dritte Verantwortung bei Hortleder IV, 19 nr. 26 p. 567.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/62
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/62>, abgerufen am 26.11.2024.