Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Packische Händel 1528.
Pack, den er nun näher an sich gezogen, an den Woiwoden
schickte. Unverweilt begannen die Rüstungen. Die hessischen
Truppen versammelten sich bei Herrenbreitungen, die säch-
sischen am Thüringer Wald. Ganz Deutschland gerieth in
Bewegung.

Die Lage der Dinge in dem evangelischen Deutschland
war aber nicht so beschaffen, daß es allein auf den raschen
Muth eines oder des andern Fürsten angekommen wäre. Auch
die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh-
ren; und es fragte sich erst, was diese dazu sagen würden.

Luther zweifelte so wenig, wie die Fürsten an der Aecht-
heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand,
man werde dadurch noch nicht berechtigt, sofort zu den Waf-
fen zu greifen. Dieß stürmische Zuschlagen widerstritt seinen
Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müsse den
Fürsten ihr Vorhaben vorhalten und sie bitten, davon ab-
zustehn; man müsse sie verklagen und ihre Antwort verneh-
men. Sonst könnte ein Fürsten-Aufruhr entstehn, der zur
Freude des Satans Deutschland verwüste. Luther ist von
Allen, die sich jemals an die Spitze einer Weltbewegung
gestellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigsten von
Gewalt und Krieg hat wissen wollen. Er hielt dafür, man
könne sich vertheidigen, namentlich gegen Fürsten, wie die
genannten, welche als die Gleichen seines Herrn nicht dessen
Obrigkeit seyen, aber daß man die Waffen zuerst in die
Hand nehme, zu einem Angriff schreiten solle, das war über
seine Vorstellung. 1 Er wandte den Spruch: selig sind die

1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei-
fel aber noch in den März zu setzen, nicht in den Mai. Sie wer-

Packiſche Haͤndel 1528.
Pack, den er nun näher an ſich gezogen, an den Woiwoden
ſchickte. Unverweilt begannen die Rüſtungen. Die heſſiſchen
Truppen verſammelten ſich bei Herrenbreitungen, die ſäch-
ſiſchen am Thüringer Wald. Ganz Deutſchland gerieth in
Bewegung.

Die Lage der Dinge in dem evangeliſchen Deutſchland
war aber nicht ſo beſchaffen, daß es allein auf den raſchen
Muth eines oder des andern Fürſten angekommen wäre. Auch
die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh-
ren; und es fragte ſich erſt, was dieſe dazu ſagen würden.

Luther zweifelte ſo wenig, wie die Fürſten an der Aecht-
heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand,
man werde dadurch noch nicht berechtigt, ſofort zu den Waf-
fen zu greifen. Dieß ſtürmiſche Zuſchlagen widerſtritt ſeinen
Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müſſe den
Fürſten ihr Vorhaben vorhalten und ſie bitten, davon ab-
zuſtehn; man müſſe ſie verklagen und ihre Antwort verneh-
men. Sonſt könnte ein Fürſten-Aufruhr entſtehn, der zur
Freude des Satans Deutſchland verwüſte. Luther iſt von
Allen, die ſich jemals an die Spitze einer Weltbewegung
geſtellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigſten von
Gewalt und Krieg hat wiſſen wollen. Er hielt dafür, man
könne ſich vertheidigen, namentlich gegen Fürſten, wie die
genannten, welche als die Gleichen ſeines Herrn nicht deſſen
Obrigkeit ſeyen, aber daß man die Waffen zuerſt in die
Hand nehme, zu einem Angriff ſchreiten ſolle, das war über
ſeine Vorſtellung. 1 Er wandte den Spruch: ſelig ſind die

1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei-
fel aber noch in den Maͤrz zu ſetzen, nicht in den Mai. Sie wer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="41"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Packi&#x017F;che Ha&#x0364;ndel</hi> 1528.</fw><lb/>
Pack, den er nun näher an &#x017F;ich gezogen, an den Woiwoden<lb/>
&#x017F;chickte. Unverweilt begannen die Rü&#x017F;tungen. Die he&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Truppen ver&#x017F;ammelten &#x017F;ich bei Herrenbreitungen, die &#x017F;äch-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen am Thüringer Wald. Ganz Deut&#x017F;chland gerieth in<lb/>
Bewegung.</p><lb/>
          <p>Die Lage der Dinge in dem evangeli&#x017F;chen Deut&#x017F;chland<lb/>
war aber nicht &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß es allein auf den ra&#x017F;chen<lb/>
Muth eines oder des andern Für&#x017F;ten angekommen wäre. Auch<lb/>
die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh-<lb/>
ren; und es fragte &#x017F;ich er&#x017F;t, was die&#x017F;e dazu &#x017F;agen würden.</p><lb/>
          <p>Luther zweifelte &#x017F;o wenig, wie die Für&#x017F;ten an der Aecht-<lb/>
heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand,<lb/>
man werde dadurch noch nicht berechtigt, &#x017F;ofort zu den Waf-<lb/>
fen zu greifen. Dieß &#x017F;türmi&#x017F;che Zu&#x017F;chlagen wider&#x017F;tritt &#x017F;einen<lb/>
Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man mü&#x017F;&#x017F;e den<lb/>
Für&#x017F;ten ihr Vorhaben vorhalten und &#x017F;ie bitten, davon ab-<lb/>
zu&#x017F;tehn; man mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie verklagen und ihre Antwort verneh-<lb/>
men. Son&#x017F;t könnte ein Für&#x017F;ten-Aufruhr ent&#x017F;tehn, der zur<lb/>
Freude des Satans Deut&#x017F;chland verwü&#x017F;te. Luther i&#x017F;t von<lb/>
Allen, die &#x017F;ich jemals an die Spitze einer Weltbewegung<lb/>
ge&#x017F;tellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenig&#x017F;ten von<lb/>
Gewalt und Krieg hat wi&#x017F;&#x017F;en wollen. Er hielt dafür, man<lb/>
könne &#x017F;ich vertheidigen, namentlich gegen Für&#x017F;ten, wie die<lb/>
genannten, welche als die Gleichen &#x017F;eines Herrn nicht de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Obrigkeit &#x017F;eyen, aber daß man die Waffen zuer&#x017F;t in die<lb/>
Hand nehme, zu einem Angriff &#x017F;chreiten &#x017F;olle, das war über<lb/>
&#x017F;eine Vor&#x017F;tellung. <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="1">Bedenken bei de Wette <hi rendition="#aq">III, 316, nr.</hi> 986, 987; ohne Zwei-<lb/>
fel aber noch in den Ma&#x0364;rz zu &#x017F;etzen, nicht in den Mai. Sie wer-</note> Er wandte den Spruch: &#x017F;elig &#x017F;ind die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0057] Packiſche Haͤndel 1528. Pack, den er nun näher an ſich gezogen, an den Woiwoden ſchickte. Unverweilt begannen die Rüſtungen. Die heſſiſchen Truppen verſammelten ſich bei Herrenbreitungen, die ſäch- ſiſchen am Thüringer Wald. Ganz Deutſchland gerieth in Bewegung. Die Lage der Dinge in dem evangeliſchen Deutſchland war aber nicht ſo beſchaffen, daß es allein auf den raſchen Muth eines oder des andern Fürſten angekommen wäre. Auch die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh- ren; und es fragte ſich erſt, was dieſe dazu ſagen würden. Luther zweifelte ſo wenig, wie die Fürſten an der Aecht- heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand, man werde dadurch noch nicht berechtigt, ſofort zu den Waf- fen zu greifen. Dieß ſtürmiſche Zuſchlagen widerſtritt ſeinen Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müſſe den Fürſten ihr Vorhaben vorhalten und ſie bitten, davon ab- zuſtehn; man müſſe ſie verklagen und ihre Antwort verneh- men. Sonſt könnte ein Fürſten-Aufruhr entſtehn, der zur Freude des Satans Deutſchland verwüſte. Luther iſt von Allen, die ſich jemals an die Spitze einer Weltbewegung geſtellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigſten von Gewalt und Krieg hat wiſſen wollen. Er hielt dafür, man könne ſich vertheidigen, namentlich gegen Fürſten, wie die genannten, welche als die Gleichen ſeines Herrn nicht deſſen Obrigkeit ſeyen, aber daß man die Waffen zuerſt in die Hand nehme, zu einem Angriff ſchreiten ſolle, das war über ſeine Vorſtellung. 1 Er wandte den Spruch: ſelig ſind die 1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei- fel aber noch in den Maͤrz zu ſetzen, nicht in den Mai. Sie wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/57
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/57>, abgerufen am 26.11.2024.