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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Ernennung eines Königs.
Jeden, den er bei einer Uebertretung der neuen Gesetze be-
troffen, auf der Stelle, ohne alles Gericht, umzubringen:
denn das Böse müsse ausgerottet werden auf der Erde.
Von vier Trabanten begleitet, das bloße Schwert in der
Hand, Schrecken erregend zog er durch die Straßen.

Wie nun aber alles von der Regel Abweichende doch
immer wieder dem eignen Naturgesetze folgt, die Triebe
seines Entstehens vollständig ans Licht zu bringen strebt, so
trat allmählig, nachdem alle innere Opposition beseitigt
worden, auch diese Erscheinung in die letzten Stadien ihrer
Entwickelung ein.

Die geistliche Macht, im Kampfe mit der weltlichen,
hatte sich mit den Propheten verstärkt, sich zuerst zur ge-
waltigen Opposition erhoben, dann den Herrschenden, zu
den Waffen bereit, die Spitze geboten, darnach diese durch
ihre Majorität gestürzt, alle ihre Gegner vertrieben, ver-
tilgt, und ein Regiment aufgerichtet, auf das sie den größ-
ten Einfluß hatte. Allein noch war sie damit nicht an
ihrem Ziele. Die Theokratie wird meistens monarchisch
seyn; denn sie setzt immer eine persönliche Bevorzugung,
Begnadigung voraus. Der vornehmste Prophet konnte
sich nicht begnügen, blos den Willen der Aeltesten, obwohl
er auf ihre Ernennung den größten Einfluß gehabt, dem
israelitischen Volke zu verkündigen; er faßte die Idee Kö-
nig dieses Volks zu seyn.

Ein anderer Prophet, der neben ihm aufgestanden,
Dusentschuer von Warendorf, früher ein Goldschmied, er-
sparte ihm die Mühe, dieß selbst erklären zu müssen. Du-
sentschuer verkündigte eines Tages, Gott habe ihm offen-

Ernennung eines Koͤnigs.
Jeden, den er bei einer Uebertretung der neuen Geſetze be-
troffen, auf der Stelle, ohne alles Gericht, umzubringen:
denn das Böſe müſſe ausgerottet werden auf der Erde.
Von vier Trabanten begleitet, das bloße Schwert in der
Hand, Schrecken erregend zog er durch die Straßen.

Wie nun aber alles von der Regel Abweichende doch
immer wieder dem eignen Naturgeſetze folgt, die Triebe
ſeines Entſtehens vollſtändig ans Licht zu bringen ſtrebt, ſo
trat allmählig, nachdem alle innere Oppoſition beſeitigt
worden, auch dieſe Erſcheinung in die letzten Stadien ihrer
Entwickelung ein.

Die geiſtliche Macht, im Kampfe mit der weltlichen,
hatte ſich mit den Propheten verſtärkt, ſich zuerſt zur ge-
waltigen Oppoſition erhoben, dann den Herrſchenden, zu
den Waffen bereit, die Spitze geboten, darnach dieſe durch
ihre Majorität geſtürzt, alle ihre Gegner vertrieben, ver-
tilgt, und ein Regiment aufgerichtet, auf das ſie den größ-
ten Einfluß hatte. Allein noch war ſie damit nicht an
ihrem Ziele. Die Theokratie wird meiſtens monarchiſch
ſeyn; denn ſie ſetzt immer eine perſönliche Bevorzugung,
Begnadigung voraus. Der vornehmſte Prophet konnte
ſich nicht begnügen, blos den Willen der Aelteſten, obwohl
er auf ihre Ernennung den größten Einfluß gehabt, dem
israelitiſchen Volke zu verkündigen; er faßte die Idee Kö-
nig dieſes Volks zu ſeyn.

Ein anderer Prophet, der neben ihm aufgeſtanden,
Duſentſchuer von Warendorf, früher ein Goldſchmied, er-
ſparte ihm die Mühe, dieß ſelbſt erklären zu müſſen. Du-
ſentſchuer verkündigte eines Tages, Gott habe ihm offen-

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[535/0551] Ernennung eines Koͤnigs. Jeden, den er bei einer Uebertretung der neuen Geſetze be- troffen, auf der Stelle, ohne alles Gericht, umzubringen: denn das Böſe müſſe ausgerottet werden auf der Erde. Von vier Trabanten begleitet, das bloße Schwert in der Hand, Schrecken erregend zog er durch die Straßen. Wie nun aber alles von der Regel Abweichende doch immer wieder dem eignen Naturgeſetze folgt, die Triebe ſeines Entſtehens vollſtändig ans Licht zu bringen ſtrebt, ſo trat allmählig, nachdem alle innere Oppoſition beſeitigt worden, auch dieſe Erſcheinung in die letzten Stadien ihrer Entwickelung ein. Die geiſtliche Macht, im Kampfe mit der weltlichen, hatte ſich mit den Propheten verſtärkt, ſich zuerſt zur ge- waltigen Oppoſition erhoben, dann den Herrſchenden, zu den Waffen bereit, die Spitze geboten, darnach dieſe durch ihre Majorität geſtürzt, alle ihre Gegner vertrieben, ver- tilgt, und ein Regiment aufgerichtet, auf das ſie den größ- ten Einfluß hatte. Allein noch war ſie damit nicht an ihrem Ziele. Die Theokratie wird meiſtens monarchiſch ſeyn; denn ſie ſetzt immer eine perſönliche Bevorzugung, Begnadigung voraus. Der vornehmſte Prophet konnte ſich nicht begnügen, blos den Willen der Aelteſten, obwohl er auf ihre Ernennung den größten Einfluß gehabt, dem israelitiſchen Volke zu verkündigen; er faßte die Idee Kö- nig dieſes Volks zu ſeyn. Ein anderer Prophet, der neben ihm aufgeſtanden, Duſentſchuer von Warendorf, früher ein Goldſchmied, er- ſparte ihm die Mühe, dieß ſelbſt erklären zu müſſen. Du- ſentſchuer verkündigte eines Tages, Gott habe ihm offen-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/551>, abgerufen am 22.11.2024.