was schon kein geringer Vortheil war, daß die Bewegung in Münster eingeschlossen, fürs erste auf sich selber be- schränkt ward.
Da ist nun das nächste Interesse diese innere Ent- wickelung zu betrachten. Es ist ein religiöses Element, wie es in den kirchlichen Bewegungen mehr als Eines Jahr- hunderts auf eine oder die andere Weise hervorgetreten ist, das sich nun hier in engem Kreise, aber innerhalb dessel- ben in voller Freiheit in den merkwürdigsten Phänome- nen entlud.
Entwickelungen des münsterischen Anabaptismus.
Wir müssen davon ausgehen, daß die Secte, so wie sie zur Herrschaft gekommen, durch den Sieg in ihrer na- türlichen Beschränktheit verhärtet, nicht allein nichts um sich dulden wollte, was ihr widersprochen hätte, son- dern auch nichts, was ihr nur nicht selber eigen ange- hörte. Alle Bildwerke am Dom und auf dem Markt wur- den zertrümmert. Wenn die Denkmale der westfälischen Ma- lerschule, welche sonst einen Platz neben der cölnischen be- haupten würde, für die Nachwelt beinahe ganz verschwun- den sind, so rührt dieß ohne Zweifel von dem schnöden Uebermuth her, mit dem sie in unserer Epoche vernichtet wurden. Rudolf von Langen hatte in Italien eine herr- liche Sammlung alter Drucke und Handschriften zusam- mengebracht, an die sich das Andenken der großen litera- rischen Umwandlung knüpfte; sie wurden jetzt feierlich auf dem Markte verbrannt. Selbst musikalische Instrumente zu vertilgen hielt man für nöthig. Es sollte nichts übrig
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
was ſchon kein geringer Vortheil war, daß die Bewegung in Münſter eingeſchloſſen, fürs erſte auf ſich ſelber be- ſchränkt ward.
Da iſt nun das nächſte Intereſſe dieſe innere Ent- wickelung zu betrachten. Es iſt ein religiöſes Element, wie es in den kirchlichen Bewegungen mehr als Eines Jahr- hunderts auf eine oder die andere Weiſe hervorgetreten iſt, das ſich nun hier in engem Kreiſe, aber innerhalb deſſel- ben in voller Freiheit in den merkwürdigſten Phänome- nen entlud.
Entwickelungen des münſteriſchen Anabaptismus.
Wir müſſen davon ausgehen, daß die Secte, ſo wie ſie zur Herrſchaft gekommen, durch den Sieg in ihrer na- türlichen Beſchränktheit verhärtet, nicht allein nichts um ſich dulden wollte, was ihr widerſprochen hätte, ſon- dern auch nichts, was ihr nur nicht ſelber eigen ange- hörte. Alle Bildwerke am Dom und auf dem Markt wur- den zertrümmert. Wenn die Denkmale der weſtfäliſchen Ma- lerſchule, welche ſonſt einen Platz neben der cölniſchen be- haupten würde, für die Nachwelt beinahe ganz verſchwun- den ſind, ſo rührt dieß ohne Zweifel von dem ſchnöden Uebermuth her, mit dem ſie in unſerer Epoche vernichtet wurden. Rudolf von Langen hatte in Italien eine herr- liche Sammlung alter Drucke und Handſchriften zuſam- mengebracht, an die ſich das Andenken der großen litera- riſchen Umwandlung knüpfte; ſie wurden jetzt feierlich auf dem Markte verbrannt. Selbſt muſikaliſche Inſtrumente zu vertilgen hielt man für nöthig. Es ſollte nichts übrig
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[528/0544]
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
was ſchon kein geringer Vortheil war, daß die Bewegung
in Münſter eingeſchloſſen, fürs erſte auf ſich ſelber be-
ſchränkt ward.
Da iſt nun das nächſte Intereſſe dieſe innere Ent-
wickelung zu betrachten. Es iſt ein religiöſes Element, wie
es in den kirchlichen Bewegungen mehr als Eines Jahr-
hunderts auf eine oder die andere Weiſe hervorgetreten iſt,
das ſich nun hier in engem Kreiſe, aber innerhalb deſſel-
ben in voller Freiheit in den merkwürdigſten Phänome-
nen entlud.
Entwickelungen des münſteriſchen Anabaptismus.
Wir müſſen davon ausgehen, daß die Secte, ſo wie
ſie zur Herrſchaft gekommen, durch den Sieg in ihrer na-
türlichen Beſchränktheit verhärtet, nicht allein nichts um
ſich dulden wollte, was ihr widerſprochen hätte, ſon-
dern auch nichts, was ihr nur nicht ſelber eigen ange-
hörte. Alle Bildwerke am Dom und auf dem Markt wur-
den zertrümmert. Wenn die Denkmale der weſtfäliſchen Ma-
lerſchule, welche ſonſt einen Platz neben der cölniſchen be-
haupten würde, für die Nachwelt beinahe ganz verſchwun-
den ſind, ſo rührt dieß ohne Zweifel von dem ſchnöden
Uebermuth her, mit dem ſie in unſerer Epoche vernichtet
wurden. Rudolf von Langen hatte in Italien eine herr-
liche Sammlung alter Drucke und Handſchriften zuſam-
mengebracht, an die ſich das Andenken der großen litera-
riſchen Umwandlung knüpfte; ſie wurden jetzt feierlich auf
dem Markte verbrannt. Selbſt muſikaliſche Inſtrumente
zu vertilgen hielt man für nöthig. Es ſollte nichts übrig
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/544>, abgerufen am 25.11.2024.
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