und der Landgraf von Hessen wußten nichts davon, daß sie Verbündete waren. Die religiösen Antipathien der verschie- denen Fürsten waren vielmehr so stark, daß eine der selt- samsten Verwickelungen, die wohl jemals vorgekommen ist, unter ihnen selbst entstand.
Das ist ganz richtig, daß jene Emancipationen von der geistlichen Jurisdiction, zu der die evangelischen Für- sten geschritten waren, Klagen am kaiserlichen Hofe veran- laßt hatten, daß daselbst von Bestrafungen, selbst von der Acht die Rede war. Schon suchte sich Nassau, das in al- ten Territorialstreitigkeiten mit dem Landgrafen von Hessen lag, für diesen Fall durch Mandate sicher zu stellen. 1
Davon drang nun ein dunkles Gerücht auch nach Deutsch- land. Der Landgraf ward gewarnt, von einem Manne gro- ßen Ansehens, wie er sagt, "den er nicht nennen könne, der aber gut Wissens darum trage, es sey etwas im Werke eine merkliche Practica gegen die Lutherischen."
Der Landgraf suchte jedoch den Ursprung der Gefahr nicht so in der Ferne; er faßte nur die Feindseligkeiten ins Auge, welche in Baiern und ganz Oberdeutschland gegen die Be- kenner der Lehre ausgeübt wurden -- die heftigen Drohungen, welche Herzog Georg von Sachsen gegen seinen Vetter den Churfürsten ausstieß, als mit dem er seine Zwistigkeiten nicht austragen wolle, wenn er nicht von Luthers Sekte ablasse, gegen den er nur einen Befehl des Kaisers erwarte; es war
1 Heinrich v. Nassau an Joh. v. Nassau, Arnoldi Denkwür- digkeiten p. 200. Das Schreiben ist vom 13. April, vor den Pa- ckischen Unruhen, von denen man damals überhaupt noch nichts wußte, am wenigsten in Spanien.
Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel.
und der Landgraf von Heſſen wußten nichts davon, daß ſie Verbündete waren. Die religiöſen Antipathien der verſchie- denen Fürſten waren vielmehr ſo ſtark, daß eine der ſelt- ſamſten Verwickelungen, die wohl jemals vorgekommen iſt, unter ihnen ſelbſt entſtand.
Das iſt ganz richtig, daß jene Emancipationen von der geiſtlichen Jurisdiction, zu der die evangeliſchen Für- ſten geſchritten waren, Klagen am kaiſerlichen Hofe veran- laßt hatten, daß daſelbſt von Beſtrafungen, ſelbſt von der Acht die Rede war. Schon ſuchte ſich Naſſau, das in al- ten Territorialſtreitigkeiten mit dem Landgrafen von Heſſen lag, für dieſen Fall durch Mandate ſicher zu ſtellen. 1
Davon drang nun ein dunkles Gerücht auch nach Deutſch- land. Der Landgraf ward gewarnt, von einem Manne gro- ßen Anſehens, wie er ſagt, „den er nicht nennen könne, der aber gut Wiſſens darum trage, es ſey etwas im Werke eine merkliche Practica gegen die Lutheriſchen.“
Der Landgraf ſuchte jedoch den Urſprung der Gefahr nicht ſo in der Ferne; er faßte nur die Feindſeligkeiten ins Auge, welche in Baiern und ganz Oberdeutſchland gegen die Be- kenner der Lehre ausgeübt wurden — die heftigen Drohungen, welche Herzog Georg von Sachſen gegen ſeinen Vetter den Churfürſten ausſtieß, als mit dem er ſeine Zwiſtigkeiten nicht austragen wolle, wenn er nicht von Luthers Sekte ablaſſe, gegen den er nur einen Befehl des Kaiſers erwarte; es war
1 Heinrich v. Naſſau an Joh. v. Naſſau, Arnoldi Denkwuͤr- digkeiten p. 200. Das Schreiben iſt vom 13. April, vor den Pa- ckiſchen Unruhen, von denen man damals uͤberhaupt noch nichts wußte, am wenigſten in Spanien.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0054"n="38"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
und der Landgraf von Heſſen wußten nichts davon, daß ſie<lb/>
Verbündete waren. Die religiöſen Antipathien der verſchie-<lb/>
denen Fürſten waren vielmehr ſo ſtark, daß eine der ſelt-<lb/>ſamſten Verwickelungen, die wohl jemals vorgekommen iſt,<lb/>
unter ihnen ſelbſt entſtand.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Das iſt ganz richtig, daß jene Emancipationen von<lb/>
der geiſtlichen Jurisdiction, zu der die evangeliſchen Für-<lb/>ſten geſchritten waren, Klagen am kaiſerlichen Hofe veran-<lb/>
laßt hatten, daß daſelbſt von Beſtrafungen, ſelbſt von der<lb/>
Acht die Rede war. Schon ſuchte ſich Naſſau, das in al-<lb/>
ten Territorialſtreitigkeiten mit dem Landgrafen von Heſſen<lb/>
lag, für dieſen Fall durch Mandate ſicher zu ſtellen. <noteplace="foot"n="1">Heinrich v. Naſſau an Joh. v. Naſſau, Arnoldi Denkwuͤr-<lb/>
digkeiten <hirendition="#aq">p.</hi> 200. Das Schreiben iſt vom 13. April, vor den Pa-<lb/>
ckiſchen Unruhen, von denen man damals uͤberhaupt noch nichts wußte,<lb/>
am wenigſten in Spanien.</note></p><lb/><p>Davon drang nun ein dunkles Gerücht auch nach Deutſch-<lb/>
land. Der Landgraf ward gewarnt, von einem Manne gro-<lb/>
ßen Anſehens, wie er ſagt, „den er nicht nennen könne,<lb/>
der aber gut Wiſſens darum trage, es ſey etwas im Werke<lb/>
eine merkliche Practica gegen die Lutheriſchen.“</p><lb/><p>Der Landgraf ſuchte jedoch den Urſprung der Gefahr nicht<lb/>ſo in der Ferne; er faßte nur die Feindſeligkeiten ins Auge,<lb/>
welche in Baiern und ganz Oberdeutſchland gegen die Be-<lb/>
kenner der Lehre ausgeübt wurden — die heftigen Drohungen,<lb/>
welche Herzog Georg von Sachſen gegen ſeinen Vetter den<lb/>
Churfürſten ausſtieß, als mit dem er ſeine Zwiſtigkeiten nicht<lb/>
austragen wolle, wenn er nicht von Luthers Sekte ablaſſe,<lb/>
gegen den er nur einen Befehl des Kaiſers erwarte; es war<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[38/0054]
Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel.
und der Landgraf von Heſſen wußten nichts davon, daß ſie
Verbündete waren. Die religiöſen Antipathien der verſchie-
denen Fürſten waren vielmehr ſo ſtark, daß eine der ſelt-
ſamſten Verwickelungen, die wohl jemals vorgekommen iſt,
unter ihnen ſelbſt entſtand.
Das iſt ganz richtig, daß jene Emancipationen von
der geiſtlichen Jurisdiction, zu der die evangeliſchen Für-
ſten geſchritten waren, Klagen am kaiſerlichen Hofe veran-
laßt hatten, daß daſelbſt von Beſtrafungen, ſelbſt von der
Acht die Rede war. Schon ſuchte ſich Naſſau, das in al-
ten Territorialſtreitigkeiten mit dem Landgrafen von Heſſen
lag, für dieſen Fall durch Mandate ſicher zu ſtellen. 1
Davon drang nun ein dunkles Gerücht auch nach Deutſch-
land. Der Landgraf ward gewarnt, von einem Manne gro-
ßen Anſehens, wie er ſagt, „den er nicht nennen könne,
der aber gut Wiſſens darum trage, es ſey etwas im Werke
eine merkliche Practica gegen die Lutheriſchen.“
Der Landgraf ſuchte jedoch den Urſprung der Gefahr nicht
ſo in der Ferne; er faßte nur die Feindſeligkeiten ins Auge,
welche in Baiern und ganz Oberdeutſchland gegen die Be-
kenner der Lehre ausgeübt wurden — die heftigen Drohungen,
welche Herzog Georg von Sachſen gegen ſeinen Vetter den
Churfürſten ausſtieß, als mit dem er ſeine Zwiſtigkeiten nicht
austragen wolle, wenn er nicht von Luthers Sekte ablaſſe,
gegen den er nur einen Befehl des Kaiſers erwarte; es war
1 Heinrich v. Naſſau an Joh. v. Naſſau, Arnoldi Denkwuͤr-
digkeiten p. 200. Das Schreiben iſt vom 13. April, vor den Pa-
ckiſchen Unruhen, von denen man damals uͤberhaupt noch nichts wußte,
am wenigſten in Spanien.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/54>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.