Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Hinrichtungen der Wiedertäufer.
Leute beflecken zu wollen. In Strasburg hat man wohl
die Kinder sieben Jahre alt werden lassen, ohne ihre Eltern
anzuhalten, sie taufen zu lassen. 1

In den katholischen Ländern dagegen, wo man nicht
allein den Aufruhr, sondern vor allem die Ketzerei strafte,
wurden Executionen in Masse verhängt. Die Gärtnerbrü-
der wurden in München so strenge behandelt wie in Salz-
burg; "einige an den Gliedern gestümmelt, andern der
Kopf abgeschlagen, andere in die Isar gestürzt, noch an-
dere auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt." In
Passau wurden ähnliche Strafen verhängt. Ihrer dreißig
mußten im Gefängnisse verschmachten. 2 In ausführli-
chen Erzählungen ist zu lesen, wie Georg Wagner zu Mün-
chen, Hätzer zu Constanz, Hubmayr zu Wien den Tod im
Feuer erlitten. Was ist das für ein klägliches Hülfsge-
schrei, das Jacob Hutter erhob, als die Wiedertäufer,
welche sich unter den Schutz mährischer Herren geflüch-
tet, nun auch von da wieder verjagt werden sollten: "Wir
sind in der Wüste, auf einer wilden Haide, unter dem lich-
ten Himmel;" aber auch da wollte man sie nicht dulden. 3

Mit allen diesen Verfolgungen jedoch kam man nicht
zum Ziele, und zwar am wenigsten dort, wo sie am härte-
sten waren, wie in den Niederlanden. Von Anfang an
hatten hier die lutherischen Meinungen in weiten Kreisen
Beifall gefunden; so gewaltsam sie auch zurückgedrängt
wurden, so hören wir doch im Jahre 1531 das Bekennt-
niß, daß alles Volk ihnen beifallen würde, wenn der

1 Sattler III, Bd. 44. Röhrich.
2 Winter Geschichte der baierschen Wiedertäufer p. 35.
3 Sendbrief Jacob Hutters an den Landeshauptmann zu Mäh-
ren: Annales Anabaptistici p. 75.

Hinrichtungen der Wiedertaͤufer.
Leute beflecken zu wollen. In Strasburg hat man wohl
die Kinder ſieben Jahre alt werden laſſen, ohne ihre Eltern
anzuhalten, ſie taufen zu laſſen. 1

In den katholiſchen Ländern dagegen, wo man nicht
allein den Aufruhr, ſondern vor allem die Ketzerei ſtrafte,
wurden Executionen in Maſſe verhängt. Die Gärtnerbrü-
der wurden in München ſo ſtrenge behandelt wie in Salz-
burg; „einige an den Gliedern geſtümmelt, andern der
Kopf abgeſchlagen, andere in die Iſar geſtürzt, noch an-
dere auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt.“ In
Paſſau wurden ähnliche Strafen verhängt. Ihrer dreißig
mußten im Gefängniſſe verſchmachten. 2 In ausführli-
chen Erzählungen iſt zu leſen, wie Georg Wagner zu Mün-
chen, Hätzer zu Conſtanz, Hubmayr zu Wien den Tod im
Feuer erlitten. Was iſt das für ein klägliches Hülfsge-
ſchrei, das Jacob Hutter erhob, als die Wiedertäufer,
welche ſich unter den Schutz mähriſcher Herren geflüch-
tet, nun auch von da wieder verjagt werden ſollten: „Wir
ſind in der Wüſte, auf einer wilden Haide, unter dem lich-
ten Himmel;“ aber auch da wollte man ſie nicht dulden. 3

Mit allen dieſen Verfolgungen jedoch kam man nicht
zum Ziele, und zwar am wenigſten dort, wo ſie am härte-
ſten waren, wie in den Niederlanden. Von Anfang an
hatten hier die lutheriſchen Meinungen in weiten Kreiſen
Beifall gefunden; ſo gewaltſam ſie auch zurückgedrängt
wurden, ſo hören wir doch im Jahre 1531 das Bekennt-
niß, daß alles Volk ihnen beifallen würde, wenn der

1 Sattler III, Bd. 44. Roͤhrich.
2 Winter Geſchichte der baierſchen Wiedertaͤufer p. 35.
3 Sendbrief Jacob Hutters an den Landeshauptmann zu Maͤh-
ren: Annales Anabaptistici p. 75.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0533" n="517"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hinrichtungen der Wiederta&#x0364;ufer</hi>.</fw><lb/>
Leute beflecken zu wollen. In Strasburg hat man wohl<lb/>
die Kinder &#x017F;ieben Jahre alt werden la&#x017F;&#x017F;en, ohne ihre Eltern<lb/>
anzuhalten, &#x017F;ie taufen zu la&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="1">Sattler <hi rendition="#aq">III,</hi> Bd. 44. Ro&#x0364;hrich.</note></p><lb/>
            <p>In den katholi&#x017F;chen Ländern dagegen, wo man nicht<lb/>
allein den Aufruhr, &#x017F;ondern vor allem die Ketzerei &#x017F;trafte,<lb/>
wurden Executionen in Ma&#x017F;&#x017F;e verhängt. Die Gärtnerbrü-<lb/>
der wurden in München &#x017F;o &#x017F;trenge behandelt wie in Salz-<lb/>
burg; &#x201E;einige an den Gliedern ge&#x017F;tümmelt, andern der<lb/>
Kopf abge&#x017F;chlagen, andere in die I&#x017F;ar ge&#x017F;türzt, noch an-<lb/>
dere auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt.&#x201C; In<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;au wurden ähnliche Strafen verhängt. Ihrer dreißig<lb/>
mußten im Gefängni&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;chmachten. <note place="foot" n="2">Winter Ge&#x017F;chichte der baier&#x017F;chen Wiederta&#x0364;ufer <hi rendition="#aq">p.</hi> 35.</note> In ausführli-<lb/>
chen Erzählungen i&#x017F;t zu le&#x017F;en, wie Georg Wagner zu Mün-<lb/>
chen, Hätzer zu Con&#x017F;tanz, Hubmayr zu Wien den Tod im<lb/>
Feuer erlitten. Was i&#x017F;t das für ein klägliches Hülfsge-<lb/>
&#x017F;chrei, das Jacob Hutter erhob, als die Wiedertäufer,<lb/>
welche &#x017F;ich unter den Schutz mähri&#x017F;cher Herren geflüch-<lb/>
tet, nun auch von da wieder verjagt werden &#x017F;ollten: &#x201E;Wir<lb/>
&#x017F;ind in der Wü&#x017F;te, auf einer wilden Haide, unter dem lich-<lb/>
ten Himmel;&#x201C; aber auch da wollte man &#x017F;ie nicht dulden. <note place="foot" n="3">Sendbrief Jacob Hutters an den Landeshauptmann zu Ma&#x0364;h-<lb/>
ren: <hi rendition="#aq">Annales Anabaptistici p.</hi> 75.</note></p><lb/>
            <p>Mit allen die&#x017F;en Verfolgungen jedoch kam man nicht<lb/>
zum Ziele, und zwar am wenig&#x017F;ten dort, wo &#x017F;ie am härte-<lb/>
&#x017F;ten waren, wie in den Niederlanden. Von Anfang an<lb/>
hatten hier die lutheri&#x017F;chen Meinungen in weiten Krei&#x017F;en<lb/>
Beifall gefunden; &#x017F;o gewalt&#x017F;am &#x017F;ie auch zurückgedrängt<lb/>
wurden, &#x017F;o hören wir doch im Jahre 1531 das Bekennt-<lb/>
niß, daß alles Volk ihnen beifallen würde, wenn der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[517/0533] Hinrichtungen der Wiedertaͤufer. Leute beflecken zu wollen. In Strasburg hat man wohl die Kinder ſieben Jahre alt werden laſſen, ohne ihre Eltern anzuhalten, ſie taufen zu laſſen. 1 In den katholiſchen Ländern dagegen, wo man nicht allein den Aufruhr, ſondern vor allem die Ketzerei ſtrafte, wurden Executionen in Maſſe verhängt. Die Gärtnerbrü- der wurden in München ſo ſtrenge behandelt wie in Salz- burg; „einige an den Gliedern geſtümmelt, andern der Kopf abgeſchlagen, andere in die Iſar geſtürzt, noch an- dere auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt.“ In Paſſau wurden ähnliche Strafen verhängt. Ihrer dreißig mußten im Gefängniſſe verſchmachten. 2 In ausführli- chen Erzählungen iſt zu leſen, wie Georg Wagner zu Mün- chen, Hätzer zu Conſtanz, Hubmayr zu Wien den Tod im Feuer erlitten. Was iſt das für ein klägliches Hülfsge- ſchrei, das Jacob Hutter erhob, als die Wiedertäufer, welche ſich unter den Schutz mähriſcher Herren geflüch- tet, nun auch von da wieder verjagt werden ſollten: „Wir ſind in der Wüſte, auf einer wilden Haide, unter dem lich- ten Himmel;“ aber auch da wollte man ſie nicht dulden. 3 Mit allen dieſen Verfolgungen jedoch kam man nicht zum Ziele, und zwar am wenigſten dort, wo ſie am härte- ſten waren, wie in den Niederlanden. Von Anfang an hatten hier die lutheriſchen Meinungen in weiten Kreiſen Beifall gefunden; ſo gewaltſam ſie auch zurückgedrängt wurden, ſo hören wir doch im Jahre 1531 das Bekennt- niß, daß alles Volk ihnen beifallen würde, wenn der 1 Sattler III, Bd. 44. Roͤhrich. 2 Winter Geſchichte der baierſchen Wiedertaͤufer p. 35. 3 Sendbrief Jacob Hutters an den Landeshauptmann zu Maͤh- ren: Annales Anabaptistici p. 75.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/533
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/533>, abgerufen am 22.11.2024.