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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
von diesen Meteoren einer nahen seligen Zukunft erleuchtet.
Unwiderstehlich griff dieser Wahn um sich.

Die deutschen Regierungen von beiderlei Bekenntniß,
durch Reichsconstitutionen dazu verpflichtet, unterließen
nicht, sie mit aller Strenge zu verfolgen.

Bei den Protestanten fühlte man sich zuweilen in
Verlegenheit; auf den schmalkaldischen Versammlungen sind
wohl die Reichsconstitutionen für zu streng erklärt worden, 1
und man hat den Beschluß gefaßt, an den Leuten nicht
den Glauben zu strafen, sondern nur das Verbrechen, die
aufrührerische Lehre. Es existirt ein kleiner Wittenberger
Druck, worin diese Unterscheidung näher ausgeführt wird;
dem Berliner Exemplar desselben hat ein Wiedertäufer An-
merkungen an den Rand geschrieben, in denen er dabei
bleibt, daß die Wiedertäufer mit dem Aufruhr nichts zu
schaffen haben. 2 Aber die Schwierigkeit lag wohl eigent-
lich nur darin, diese in einander verfließenden Tendenzen
gehörig zu sondern. In Sachsen hielt man daran fest,
die Lehrsätze eines Jeden zu untersuchen und ihn dem ge-
mäß zu behandeln. 3 Landgraf Philipp dagegen zog immer
die mildern Maaßregeln vor: Wiedertäufer von offenbar
aufrührerischen Grundsätzen begnügte er sich doch gefangen
zu halten. Darauf gestützt erklärten auch die oberländischen
Regierungen, ihre Hände nicht mit dem Blut der armen

1 "Zu geschwinde." Abschied der Versammlung zu Frank-
furt Trinitatis 1531.
2 Das weltliche Oberkeit der Wiedertäuffern mit leiblicher
Strafe zu wehren schuldig sey, Etlicher Bedenken zu Witenberg 1536.
In den Anmerkungen wird besonders den Maulchristen der Krieg ge-
macht, die evangelische Lehre wird nicht getadelt.
3 Melanchthon in den Briefen Luthers von Lindner p. 24.

Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
von dieſen Meteoren einer nahen ſeligen Zukunft erleuchtet.
Unwiderſtehlich griff dieſer Wahn um ſich.

Die deutſchen Regierungen von beiderlei Bekenntniß,
durch Reichsconſtitutionen dazu verpflichtet, unterließen
nicht, ſie mit aller Strenge zu verfolgen.

Bei den Proteſtanten fühlte man ſich zuweilen in
Verlegenheit; auf den ſchmalkaldiſchen Verſammlungen ſind
wohl die Reichsconſtitutionen für zu ſtreng erklärt worden, 1
und man hat den Beſchluß gefaßt, an den Leuten nicht
den Glauben zu ſtrafen, ſondern nur das Verbrechen, die
aufrühreriſche Lehre. Es exiſtirt ein kleiner Wittenberger
Druck, worin dieſe Unterſcheidung näher ausgeführt wird;
dem Berliner Exemplar deſſelben hat ein Wiedertäufer An-
merkungen an den Rand geſchrieben, in denen er dabei
bleibt, daß die Wiedertäufer mit dem Aufruhr nichts zu
ſchaffen haben. 2 Aber die Schwierigkeit lag wohl eigent-
lich nur darin, dieſe in einander verfließenden Tendenzen
gehörig zu ſondern. In Sachſen hielt man daran feſt,
die Lehrſätze eines Jeden zu unterſuchen und ihn dem ge-
mäß zu behandeln. 3 Landgraf Philipp dagegen zog immer
die mildern Maaßregeln vor: Wiedertäufer von offenbar
aufrühreriſchen Grundſätzen begnügte er ſich doch gefangen
zu halten. Darauf geſtützt erklärten auch die oberländiſchen
Regierungen, ihre Hände nicht mit dem Blut der armen

1 „Zu geſchwinde.“ Abſchied der Verſammlung zu Frank-
furt Trinitatis 1531.
2 Das weltliche Oberkeit der Wiedertaͤuffern mit leiblicher
Strafe zu wehren ſchuldig ſey, Etlicher Bedenken zu Witenberg 1536.
In den Anmerkungen wird beſonders den Maulchriſten der Krieg ge-
macht, die evangeliſche Lehre wird nicht getadelt.
3 Melanchthon in den Briefen Luthers von Lindner p. 24.
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[516/0532] Sechstes Buch. Neuntes Capitel. von dieſen Meteoren einer nahen ſeligen Zukunft erleuchtet. Unwiderſtehlich griff dieſer Wahn um ſich. Die deutſchen Regierungen von beiderlei Bekenntniß, durch Reichsconſtitutionen dazu verpflichtet, unterließen nicht, ſie mit aller Strenge zu verfolgen. Bei den Proteſtanten fühlte man ſich zuweilen in Verlegenheit; auf den ſchmalkaldiſchen Verſammlungen ſind wohl die Reichsconſtitutionen für zu ſtreng erklärt worden, 1 und man hat den Beſchluß gefaßt, an den Leuten nicht den Glauben zu ſtrafen, ſondern nur das Verbrechen, die aufrühreriſche Lehre. Es exiſtirt ein kleiner Wittenberger Druck, worin dieſe Unterſcheidung näher ausgeführt wird; dem Berliner Exemplar deſſelben hat ein Wiedertäufer An- merkungen an den Rand geſchrieben, in denen er dabei bleibt, daß die Wiedertäufer mit dem Aufruhr nichts zu ſchaffen haben. 2 Aber die Schwierigkeit lag wohl eigent- lich nur darin, dieſe in einander verfließenden Tendenzen gehörig zu ſondern. In Sachſen hielt man daran feſt, die Lehrſätze eines Jeden zu unterſuchen und ihn dem ge- mäß zu behandeln. 3 Landgraf Philipp dagegen zog immer die mildern Maaßregeln vor: Wiedertäufer von offenbar aufrühreriſchen Grundſätzen begnügte er ſich doch gefangen zu halten. Darauf geſtützt erklärten auch die oberländiſchen Regierungen, ihre Hände nicht mit dem Blut der armen 1 „Zu geſchwinde.“ Abſchied der Verſammlung zu Frank- furt Trinitatis 1531. 2 Das weltliche Oberkeit der Wiedertaͤuffern mit leiblicher Strafe zu wehren ſchuldig ſey, Etlicher Bedenken zu Witenberg 1536. In den Anmerkungen wird beſonders den Maulchriſten der Krieg ge- macht, die evangeliſche Lehre wird nicht getadelt. 3 Melanchthon in den Briefen Luthers von Lindner p. 24.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/532>, abgerufen am 25.11.2024.