träglich: einen Jeden sollte man predigen lassen, dann würde keine Spaltung seyn. Sie erklärten, die Einrichtun- gen der Evangelischen seyn eben nichts anders als ein neues Papstthum.
Auch waren sie überzeugt, daß es damit nicht lange dauern könne. Eins der wesentlichsten Stücke ihres Glau- bens ist die apokalyptische Erwartung einer baldigen Um- kehr der Dinge, eines vollkommenen Sieges, welche schon Münzer und Storch genährt. Nach deren Beispiel hat- ten auch die späteren Oberhäupter die großartigsten Ein- bildungen ein jeder vor sich selbst, mit der sie sich wenig- stens bei ihrer nächsten Umgebung Eingang verschafften.
Hubmayr verglich Nikolspurg, wo er bei einem Lich- tenstein Aufnahme gefunden, mit Emaus, wohin sich Chri- stus zurückgezogen, "denn es fange an Nacht zu werden und die letzte Zeit sey vor der Thür."
Jener Melchior Hoffmann, ein wandernder Kürschner, den wir nach und nach im Elsaß, in Stockholm, in Liefland, in Kiel, in Ostfriesland finden, bald mit mächtigen Für- sten in enger Verbindung, bald im Gefängniß schmach- tend, begab sich endlich wieder nach dem Elsaß, nach Stras- burg, wo er meinte, daß der Sitz des neuen Jerusalems seyn solle, von wo nach Apocalypse 14 hunderttausend und vier und vierzigtausend jungfräuliche Apostel mit ihm ausziehen würden, um alle Auserwählten Gottes in den Schaafstall zu sammeln.
Allmählig regte sich nun aber auch die Idee wieder, einen Zustand dieser Art mit Gewalt herbeizuführen.
Hans Hut meinte aus Moses und den Propheten
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
träglich: einen Jeden ſollte man predigen laſſen, dann würde keine Spaltung ſeyn. Sie erklärten, die Einrichtun- gen der Evangeliſchen ſeyn eben nichts anders als ein neues Papſtthum.
Auch waren ſie überzeugt, daß es damit nicht lange dauern könne. Eins der weſentlichſten Stücke ihres Glau- bens iſt die apokalyptiſche Erwartung einer baldigen Um- kehr der Dinge, eines vollkommenen Sieges, welche ſchon Münzer und Storch genährt. Nach deren Beiſpiel hat- ten auch die ſpäteren Oberhäupter die großartigſten Ein- bildungen ein jeder vor ſich ſelbſt, mit der ſie ſich wenig- ſtens bei ihrer nächſten Umgebung Eingang verſchafften.
Hubmayr verglich Nikolspurg, wo er bei einem Lich- tenſtein Aufnahme gefunden, mit Emaus, wohin ſich Chri- ſtus zurückgezogen, „denn es fange an Nacht zu werden und die letzte Zeit ſey vor der Thür.“
Jener Melchior Hoffmann, ein wandernder Kürſchner, den wir nach und nach im Elſaß, in Stockholm, in Liefland, in Kiel, in Oſtfriesland finden, bald mit mächtigen Für- ſten in enger Verbindung, bald im Gefängniß ſchmach- tend, begab ſich endlich wieder nach dem Elſaß, nach Stras- burg, wo er meinte, daß der Sitz des neuen Jeruſalems ſeyn ſolle, von wo nach Apocalypſe 14 hunderttauſend und vier und vierzigtauſend jungfräuliche Apoſtel mit ihm ausziehen würden, um alle Auserwählten Gottes in den Schaafſtall zu ſammeln.
Allmählig regte ſich nun aber auch die Idee wieder, einen Zuſtand dieſer Art mit Gewalt herbeizuführen.
Hans Hut meinte aus Moſes und den Propheten
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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
träglich: einen Jeden ſollte man predigen laſſen, dann
würde keine Spaltung ſeyn. Sie erklärten, die Einrichtun-
gen der Evangeliſchen ſeyn eben nichts anders als ein
neues Papſtthum.
Auch waren ſie überzeugt, daß es damit nicht lange
dauern könne. Eins der weſentlichſten Stücke ihres Glau-
bens iſt die apokalyptiſche Erwartung einer baldigen Um-
kehr der Dinge, eines vollkommenen Sieges, welche ſchon
Münzer und Storch genährt. Nach deren Beiſpiel hat-
ten auch die ſpäteren Oberhäupter die großartigſten Ein-
bildungen ein jeder vor ſich ſelbſt, mit der ſie ſich wenig-
ſtens bei ihrer nächſten Umgebung Eingang verſchafften.
Hubmayr verglich Nikolspurg, wo er bei einem Lich-
tenſtein Aufnahme gefunden, mit Emaus, wohin ſich Chri-
ſtus zurückgezogen, „denn es fange an Nacht zu werden
und die letzte Zeit ſey vor der Thür.“
Jener Melchior Hoffmann, ein wandernder Kürſchner,
den wir nach und nach im Elſaß, in Stockholm, in Liefland,
in Kiel, in Oſtfriesland finden, bald mit mächtigen Für-
ſten in enger Verbindung, bald im Gefängniß ſchmach-
tend, begab ſich endlich wieder nach dem Elſaß, nach Stras-
burg, wo er meinte, daß der Sitz des neuen Jeruſalems
ſeyn ſolle, von wo nach Apocalypſe 14 hunderttauſend
und vier und vierzigtauſend jungfräuliche Apoſtel mit ihm
ausziehen würden, um alle Auserwählten Gottes in den
Schaafſtall zu ſammeln.
Allmählig regte ſich nun aber auch die Idee wieder,
einen Zuſtand dieſer Art mit Gewalt herbeizuführen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/528>, abgerufen am 25.11.2024.
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