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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
Hülfe zu leisten. Aber es widerstrebte seinem Stolze, dieß
auf eine Weise zu thun, wie der Kaiser gewünscht hätte.
Franz I erbot sich, die Türken in Egypten anzugreifen.
Aber die Kaiserlichen meinten, sein Zweck sey wohl nur,
sich unter diesem Vorwand zu rüsten und dann Genua
und Neapel anzufallen: und alles zerschlug sich. 1

Wir wissen, wie heftig er jene Anträge auf einen ge-
meinschaftlichen Krieg gegen die Schweiz zurückwies.

Auch in Hinsicht des Conciliums gab er nur eine
ausweichende Erklärung. Ihm lag bei weitem mehr an
der Gunst des Papstes, der es vermeiden wollte, als an
der Freundschaft des Kaisers, der es wünschte. 2

Denn keinen Augenblick war seine Meinung, die Ab-
tretungen, zu denen er sich in Cambray hatte verstehen
müssen, namentlich die Verzichtleistung auf Genua und
Mailand, als definitiv zu betrachten. Er sah diese Herr-
schaften als sein gutes Eigenthum an, dessen er seine Kin-
der gar nicht einmal habe berauben dürfen. Er fühlte
seine Ehre gekränkt, so oft er daran dachte, daß er sie ver-
loren hatte.

Um sie aber wieder zu erwerben, schien ihm eine
neue Verbindung mit dem Papst das einzige Mittel.

Schon zeigten sich von Tag zu Tage neue Differen-
zen zwischen Papst und Kaiser.


1 Schreiben des A. de Burgo an Ferdinand. Rom 2. März
1531 bei Bucholz IX, p. 90.
2 Gregorio Casali au Grand Maistre bei Le Grand Histoire
e divorce III, 542. 5. Maggio 1531. Questa corte fin adesso e
stata in gran timore del concilio, hora sono alquanto assecurati,
si per le ultime lettere del' imperatore, che sono state meno fu-
riose delle altre, si anche per quello si spera in voi altri.

Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
Hülfe zu leiſten. Aber es widerſtrebte ſeinem Stolze, dieß
auf eine Weiſe zu thun, wie der Kaiſer gewünſcht hätte.
Franz I erbot ſich, die Türken in Egypten anzugreifen.
Aber die Kaiſerlichen meinten, ſein Zweck ſey wohl nur,
ſich unter dieſem Vorwand zu rüſten und dann Genua
und Neapel anzufallen: und alles zerſchlug ſich. 1

Wir wiſſen, wie heftig er jene Anträge auf einen ge-
meinſchaftlichen Krieg gegen die Schweiz zurückwies.

Auch in Hinſicht des Conciliums gab er nur eine
ausweichende Erklärung. Ihm lag bei weitem mehr an
der Gunſt des Papſtes, der es vermeiden wollte, als an
der Freundſchaft des Kaiſers, der es wünſchte. 2

Denn keinen Augenblick war ſeine Meinung, die Ab-
tretungen, zu denen er ſich in Cambray hatte verſtehen
müſſen, namentlich die Verzichtleiſtung auf Genua und
Mailand, als definitiv zu betrachten. Er ſah dieſe Herr-
ſchaften als ſein gutes Eigenthum an, deſſen er ſeine Kin-
der gar nicht einmal habe berauben dürfen. Er fühlte
ſeine Ehre gekränkt, ſo oft er daran dachte, daß er ſie ver-
loren hatte.

Um ſie aber wieder zu erwerben, ſchien ihm eine
neue Verbindung mit dem Papſt das einzige Mittel.

Schon zeigten ſich von Tag zu Tage neue Differen-
zen zwiſchen Papſt und Kaiſer.


1 Schreiben des A. de Burgo an Ferdinand. Rom 2. Maͤrz
1531 bei Bucholz IX, p. 90.
2 Gregorio Casali au Grand Maistre bei Le Grand Histoire
è divorce III, 542. 5. Maggio 1531. Questa corte fin adesso è
stata in gran timore del concilio, hora sono alquanto assecurati,
si per le ultime lettere del’ imperatore, che sono state meno fu-
riose delle altre, si anche per quello si spera in voi altri.
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[436/0452] Sechstes Buch. Siebentes Capitel. Hülfe zu leiſten. Aber es widerſtrebte ſeinem Stolze, dieß auf eine Weiſe zu thun, wie der Kaiſer gewünſcht hätte. Franz I erbot ſich, die Türken in Egypten anzugreifen. Aber die Kaiſerlichen meinten, ſein Zweck ſey wohl nur, ſich unter dieſem Vorwand zu rüſten und dann Genua und Neapel anzufallen: und alles zerſchlug ſich. 1 Wir wiſſen, wie heftig er jene Anträge auf einen ge- meinſchaftlichen Krieg gegen die Schweiz zurückwies. Auch in Hinſicht des Conciliums gab er nur eine ausweichende Erklärung. Ihm lag bei weitem mehr an der Gunſt des Papſtes, der es vermeiden wollte, als an der Freundſchaft des Kaiſers, der es wünſchte. 2 Denn keinen Augenblick war ſeine Meinung, die Ab- tretungen, zu denen er ſich in Cambray hatte verſtehen müſſen, namentlich die Verzichtleiſtung auf Genua und Mailand, als definitiv zu betrachten. Er ſah dieſe Herr- ſchaften als ſein gutes Eigenthum an, deſſen er ſeine Kin- der gar nicht einmal habe berauben dürfen. Er fühlte ſeine Ehre gekränkt, ſo oft er daran dachte, daß er ſie ver- loren hatte. Um ſie aber wieder zu erwerben, ſchien ihm eine neue Verbindung mit dem Papſt das einzige Mittel. Schon zeigten ſich von Tag zu Tage neue Differen- zen zwiſchen Papſt und Kaiſer. 1 Schreiben des A. de Burgo an Ferdinand. Rom 2. Maͤrz 1531 bei Bucholz IX, p. 90. 2 Gregorio Casali au Grand Maistre bei Le Grand Histoire è divorce III, 542. 5. Maggio 1531. Questa corte fin adesso è stata in gran timore del concilio, hora sono alquanto assecurati, si per le ultime lettere del’ imperatore, che sono state meno fu- riose delle altre, si anche per quello si spera in voi altri.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/452>, abgerufen am 24.11.2024.