mit dem Churprinzen Johann Friedrich von Sachsen, der nach dem Tode seines Vaters nun selbst an dessen Stelle trat. 1 Hessen und Baiern waren dagegen in ein näheres politisches Verhältniß getreten; allein wohin konnte dieß führen, da der Gegensatz der religiösen Tendenzen gerade zwischen diesen Fürsten am stärksten war. Der Kaiser und Sachsen hatten eine Abkunft getroffen: es läßt sich aber schon voraussehn, welche Schwierigkeiten die Ausführung derselben haben mußte.
Der Kaiser selbst erschien nicht mehr, wie noch zuletzt in Augsburg, in der Fülle der Kraft, wie die jugendlichen Jahre, in denen er noch stand, es mit sich zu bringen schie- nen; den ganzen Sommer über war er leidend. Eine Ver- letzung am Bein, die er sich durch einen Sturz auf der Wolfsjagd zugezogen, nahm eine so gefährliche Wendung, daß man meinte, man werde ihm den Schenkel ablösen müssen, und ihm einst in der Nacht bereits die Sacramente gab. Das Uebel hatte sich später durch unzeitige Theil- nahme an einer Procession, vielleicht auch durch Excesse anderer Art wieder erneuert; während des Reichstags suchte er in dem Bade von Abach Heilung und war zuweilen selbst für seinen Bruder unzugänglich. Als die Stände ihn auf- suchten, um ihm die Bewilligung der Türkenhülfe anzukün- digen, fanden sie ihn in seiner Schlafkammer, auf einer ungepolsterten Bank sitzen, ohne allen Schmuck, mit einem Maienreis in der Hand, womit er sich die Fliegen ab- wehrte, "in seinem Leibröcklein," sagt der Frankfurter Ge-
1 Ein ganzes Convolut dieser Briefe findet sich copirt im W. A.
Sechstes Buch. Sechstes Capitel.
mit dem Churprinzen Johann Friedrich von Sachſen, der nach dem Tode ſeines Vaters nun ſelbſt an deſſen Stelle trat. 1 Heſſen und Baiern waren dagegen in ein näheres politiſches Verhältniß getreten; allein wohin konnte dieß führen, da der Gegenſatz der religiöſen Tendenzen gerade zwiſchen dieſen Fürſten am ſtärkſten war. Der Kaiſer und Sachſen hatten eine Abkunft getroffen: es läßt ſich aber ſchon vorausſehn, welche Schwierigkeiten die Ausführung derſelben haben mußte.
Der Kaiſer ſelbſt erſchien nicht mehr, wie noch zuletzt in Augsburg, in der Fülle der Kraft, wie die jugendlichen Jahre, in denen er noch ſtand, es mit ſich zu bringen ſchie- nen; den ganzen Sommer über war er leidend. Eine Ver- letzung am Bein, die er ſich durch einen Sturz auf der Wolfsjagd zugezogen, nahm eine ſo gefährliche Wendung, daß man meinte, man werde ihm den Schenkel ablöſen müſſen, und ihm einſt in der Nacht bereits die Sacramente gab. Das Uebel hatte ſich ſpäter durch unzeitige Theil- nahme an einer Proceſſion, vielleicht auch durch Exceſſe anderer Art wieder erneuert; während des Reichstags ſuchte er in dem Bade von Abach Heilung und war zuweilen ſelbſt für ſeinen Bruder unzugänglich. Als die Stände ihn auf- ſuchten, um ihm die Bewilligung der Türkenhülfe anzukün- digen, fanden ſie ihn in ſeiner Schlafkammer, auf einer ungepolſterten Bank ſitzen, ohne allen Schmuck, mit einem Maienreis in der Hand, womit er ſich die Fliegen ab- wehrte, „in ſeinem Leibröcklein,“ ſagt der Frankfurter Ge-
1 Ein ganzes Convolut dieſer Briefe findet ſich copirt im W. A.
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Sechstes Buch. Sechstes Capitel.
mit dem Churprinzen Johann Friedrich von Sachſen, der
nach dem Tode ſeines Vaters nun ſelbſt an deſſen Stelle
trat. 1 Heſſen und Baiern waren dagegen in ein näheres
politiſches Verhältniß getreten; allein wohin konnte dieß
führen, da der Gegenſatz der religiöſen Tendenzen gerade
zwiſchen dieſen Fürſten am ſtärkſten war. Der Kaiſer und
Sachſen hatten eine Abkunft getroffen: es läßt ſich aber
ſchon vorausſehn, welche Schwierigkeiten die Ausführung
derſelben haben mußte.
Der Kaiſer ſelbſt erſchien nicht mehr, wie noch zuletzt
in Augsburg, in der Fülle der Kraft, wie die jugendlichen
Jahre, in denen er noch ſtand, es mit ſich zu bringen ſchie-
nen; den ganzen Sommer über war er leidend. Eine Ver-
letzung am Bein, die er ſich durch einen Sturz auf der
Wolfsjagd zugezogen, nahm eine ſo gefährliche Wendung,
daß man meinte, man werde ihm den Schenkel ablöſen
müſſen, und ihm einſt in der Nacht bereits die Sacramente
gab. Das Uebel hatte ſich ſpäter durch unzeitige Theil-
nahme an einer Proceſſion, vielleicht auch durch Exceſſe
anderer Art wieder erneuert; während des Reichstags ſuchte
er in dem Bade von Abach Heilung und war zuweilen ſelbſt
für ſeinen Bruder unzugänglich. Als die Stände ihn auf-
ſuchten, um ihm die Bewilligung der Türkenhülfe anzukün-
digen, fanden ſie ihn in ſeiner Schlafkammer, auf einer
ungepolſterten Bank ſitzen, ohne allen Schmuck, mit einem
Maienreis in der Hand, womit er ſich die Fliegen ab-
wehrte, „in ſeinem Leibröcklein,“ ſagt der Frankfurter Ge-
1 Ein ganzes Convolut dieſer Briefe findet ſich copirt im W. A.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/440>, abgerufen am 24.11.2024.
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