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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichsabschied.
zu verhandeln. 1 Es fällt in die Augen, daß die Oppo-
sition gegen den Kaiser dazu gehörte, um zwei Oberhäup-
ter der entgegengesetzten Parteien zu diesem Beschluß zu ver-
einigen; aber merkwürdig ist immer, daß es geschah. In
der That, es war nicht des Kaisers guter Wille, daß er
in dem Reichsabschied zu Regensburg versprach, wenn das
allgemeine Concilium nicht binnen sechs Monaten von dem
Papst ausgeschrieben, und binnen einem Jahr nicht wirk-
lich gehalten werde, eine Reichsversammlung zu berufen,
wo über die gemeine Nothdurft deutscher Nation berath-
schlagt und Mittel zu ihrer Abhülfe gesucht werden sollten.
Er fühlte sehr wohl, daß dieser Beschluß ihm aufgedrun-
gen war und höchst gefährlich werden konnte. Auch hat
er acht Jahre lang vermieden, wieder einen Reichstag zu
berufen, aus Besorgniß, daß derselbe sich als Nationalver-
sammlung constituiren und im Widerspruch mit ihm religiöse
Beschlüsse fassen würde. 2

So sah es nun in diesem Augenblick in Deutschland
aus. Die beiden religiösen Parteien standen einander nicht nur
feindselig gegenüber, sondern in ihrer Mitte selbst waren neue
Entzweiungen ausgebrochen. Die katholische Majorität war
mißvergnügt über den Kaiser: der Landgraf von Hessen
wechselte in diesen Tagen anzügliche, ja beleidigende Briefe

1 Correspondenz im Weim. Arch. Auszüge daraus im Arti-
kel der Uebereinkunft von Gießen und Anhang.
2 Erklärung des Kaisers an den Papst im J. 1539. Rai-
naldus XXI, 104, rempesse periculi plenam, alia indicere comitia,
perpensa maxime sanctione ordinum imperii, -- ut Op. Clemens
de convocando concilio rogaretur; quo non convocato Caesar illud
convocaret, -- ac si huic muneri is deesset ut concilium natio-
nale cogerent.

Reichsabſchied.
zu verhandeln. 1 Es fällt in die Augen, daß die Oppo-
ſition gegen den Kaiſer dazu gehörte, um zwei Oberhäup-
ter der entgegengeſetzten Parteien zu dieſem Beſchluß zu ver-
einigen; aber merkwürdig iſt immer, daß es geſchah. In
der That, es war nicht des Kaiſers guter Wille, daß er
in dem Reichsabſchied zu Regensburg verſprach, wenn das
allgemeine Concilium nicht binnen ſechs Monaten von dem
Papſt ausgeſchrieben, und binnen einem Jahr nicht wirk-
lich gehalten werde, eine Reichsverſammlung zu berufen,
wo über die gemeine Nothdurft deutſcher Nation berath-
ſchlagt und Mittel zu ihrer Abhülfe geſucht werden ſollten.
Er fühlte ſehr wohl, daß dieſer Beſchluß ihm aufgedrun-
gen war und höchſt gefährlich werden konnte. Auch hat
er acht Jahre lang vermieden, wieder einen Reichstag zu
berufen, aus Beſorgniß, daß derſelbe ſich als Nationalver-
ſammlung conſtituiren und im Widerſpruch mit ihm religiöſe
Beſchlüſſe faſſen würde. 2

So ſah es nun in dieſem Augenblick in Deutſchland
aus. Die beiden religiöſen Parteien ſtanden einander nicht nur
feindſelig gegenüber, ſondern in ihrer Mitte ſelbſt waren neue
Entzweiungen ausgebrochen. Die katholiſche Majorität war
mißvergnügt über den Kaiſer: der Landgraf von Heſſen
wechſelte in dieſen Tagen anzügliche, ja beleidigende Briefe

1 Correſpondenz im Weim. Arch. Auszuͤge daraus im Arti-
kel der Uebereinkunft von Gießen und Anhang.
2 Erklaͤrung des Kaiſers an den Papſt im J. 1539. Rai-
naldus XXI, 104, rempesse periculi plenam, alia indicere comitia,
perpensa maxime sanctione ordinum imperii, — ut Op. Clemens
de convocando concilio rogaretur; quo non convocato Caesar illud
convocaret, — ac si huic muneri is deesset ut concilium natio-
nale cogerent.
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[423/0439] Reichsabſchied. zu verhandeln. 1 Es fällt in die Augen, daß die Oppo- ſition gegen den Kaiſer dazu gehörte, um zwei Oberhäup- ter der entgegengeſetzten Parteien zu dieſem Beſchluß zu ver- einigen; aber merkwürdig iſt immer, daß es geſchah. In der That, es war nicht des Kaiſers guter Wille, daß er in dem Reichsabſchied zu Regensburg verſprach, wenn das allgemeine Concilium nicht binnen ſechs Monaten von dem Papſt ausgeſchrieben, und binnen einem Jahr nicht wirk- lich gehalten werde, eine Reichsverſammlung zu berufen, wo über die gemeine Nothdurft deutſcher Nation berath- ſchlagt und Mittel zu ihrer Abhülfe geſucht werden ſollten. Er fühlte ſehr wohl, daß dieſer Beſchluß ihm aufgedrun- gen war und höchſt gefährlich werden konnte. Auch hat er acht Jahre lang vermieden, wieder einen Reichstag zu berufen, aus Beſorgniß, daß derſelbe ſich als Nationalver- ſammlung conſtituiren und im Widerſpruch mit ihm religiöſe Beſchlüſſe faſſen würde. 2 So ſah es nun in dieſem Augenblick in Deutſchland aus. Die beiden religiöſen Parteien ſtanden einander nicht nur feindſelig gegenüber, ſondern in ihrer Mitte ſelbſt waren neue Entzweiungen ausgebrochen. Die katholiſche Majorität war mißvergnügt über den Kaiſer: der Landgraf von Heſſen wechſelte in dieſen Tagen anzügliche, ja beleidigende Briefe 1 Correſpondenz im Weim. Arch. Auszuͤge daraus im Arti- kel der Uebereinkunft von Gießen und Anhang. 2 Erklaͤrung des Kaiſers an den Papſt im J. 1539. Rai- naldus XXI, 104, rempesse periculi plenam, alia indicere comitia, perpensa maxime sanctione ordinum imperii, — ut Op. Clemens de convocando concilio rogaretur; quo non convocato Caesar illud convocaret, — ac si huic muneri is deesset ut concilium natio- nale cogerent.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/439>, abgerufen am 24.11.2024.