Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Zugeständniß der Protestanten. städte der Schweiz aufgestellt, -- die dort den Krieg veran-laßte, der zu einem so unglückseligen Ausgang führte? Luther selbst sprach aus, es könne von den Gegnern nicht zuge- standen werden: oder dürfe man hoffen, daß Herzog Georg das Evangelium in Leipzig freigebe? -- unmöglich; -- würde man doch auch diesseit den benachbarten Fürsten keinen Eingriff in die innern Landes-Angelegenheiten gestatten! Luther war, wie man sieht, mit der Territorialmacht der Fürsten wahrhaft verbündet. Aber auch sein Begriff vom Reiche verhinderte ihn, jene Forderung gutzuheißen. Er sagt, es sey als wolle man sich diesseit das Kaiserthum anmaaßen; das heißt wohl, als nehme man einen über die Vertheidigung hinausgehenden Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in Anspruch. Vielmehr fühlte er sich in seiner Seele getröstet, daß "der Kaiser, die höchste von Gott geordnete Obrigkeit sich so gnädiglich erbiete, und so milden freien Befehl gebe, Friede zu ma- chen." "Ich achte es nicht anders, als biete uns Gott seine Hand." Daß man damit dem Evangelium seinen weiteren Lauf hemme, machte ihm wenig Sorge: er meinte, "ein Jeder müsse auf seine Gefahr glauben," d. i. sein Glaube müsse so stark seyn, daß er in der Gefahr aushalte. 1 Ganz dieser Meinung war nun auch Churfürst Johann: sie entsprach der nur defensiven Haltung, welche er von Anfang an genom- men: seine Gesinnung war eine vollkommene innere Rechtfer- tigung Bedürfniß. Durch die glänzende Ausbreitung des 1 Bedenken von Luther und Justus Jonas. De Wette IV, 339. In einem etwas spätern Bedenken führt er seinen Fürsten im Verhältniß zu ihren Nachbarn den Grundsatz zu Gemüthe: quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris. 27*
Zugeſtaͤndniß der Proteſtanten. ſtädte der Schweiz aufgeſtellt, — die dort den Krieg veran-laßte, der zu einem ſo unglückſeligen Ausgang führte? Luther ſelbſt ſprach aus, es könne von den Gegnern nicht zuge- ſtanden werden: oder dürfe man hoffen, daß Herzog Georg das Evangelium in Leipzig freigebe? — unmöglich; — würde man doch auch dieſſeit den benachbarten Fürſten keinen Eingriff in die innern Landes-Angelegenheiten geſtatten! Luther war, wie man ſieht, mit der Territorialmacht der Fürſten wahrhaft verbündet. Aber auch ſein Begriff vom Reiche verhinderte ihn, jene Forderung gutzuheißen. Er ſagt, es ſey als wolle man ſich dieſſeit das Kaiſerthum anmaaßen; das heißt wohl, als nehme man einen über die Vertheidigung hinausgehenden Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in Anſpruch. Vielmehr fühlte er ſich in ſeiner Seele getröſtet, daß „der Kaiſer, die höchſte von Gott geordnete Obrigkeit ſich ſo gnädiglich erbiete, und ſo milden freien Befehl gebe, Friede zu ma- chen.“ „Ich achte es nicht anders, als biete uns Gott ſeine Hand.“ Daß man damit dem Evangelium ſeinen weiteren Lauf hemme, machte ihm wenig Sorge: er meinte, „ein Jeder müſſe auf ſeine Gefahr glauben,“ d. i. ſein Glaube müſſe ſo ſtark ſeyn, daß er in der Gefahr aushalte. 1 Ganz dieſer Meinung war nun auch Churfürſt Johann: ſie entſprach der nur defenſiven Haltung, welche er von Anfang an genom- men: ſeine Geſinnung war eine vollkommene innere Rechtfer- tigung Bedürfniß. Durch die glänzende Ausbreitung des 1 Bedenken von Luther und Juſtus Jonas. De Wette IV, 339. In einem etwas ſpaͤtern Bedenken fuͤhrt er ſeinen Fuͤrſten im Verhaͤltniß zu ihren Nachbarn den Grundſatz zu Gemuͤthe: quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris. 27*
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Zugeſtaͤndniß der Proteſtanten.
ſtädte der Schweiz aufgeſtellt, — die dort den Krieg veran-
laßte, der zu einem ſo unglückſeligen Ausgang führte? Luther
ſelbſt ſprach aus, es könne von den Gegnern nicht zuge-
ſtanden werden: oder dürfe man hoffen, daß Herzog Georg
das Evangelium in Leipzig freigebe? — unmöglich; — würde
man doch auch dieſſeit den benachbarten Fürſten keinen
Eingriff in die innern Landes-Angelegenheiten geſtatten!
Luther war, wie man ſieht, mit der Territorialmacht der
Fürſten wahrhaft verbündet. Aber auch ſein Begriff vom
Reiche verhinderte ihn, jene Forderung gutzuheißen. Er
ſagt, es ſey als wolle man ſich dieſſeit das Kaiſerthum
anmaaßen; das heißt wohl, als nehme man einen über
die Vertheidigung hinausgehenden Einfluß auf die Leitung
der öffentlichen Angelegenheiten in Anſpruch. Vielmehr
fühlte er ſich in ſeiner Seele getröſtet, daß „der Kaiſer,
die höchſte von Gott geordnete Obrigkeit ſich ſo gnädiglich
erbiete, und ſo milden freien Befehl gebe, Friede zu ma-
chen.“ „Ich achte es nicht anders, als biete uns Gott
ſeine Hand.“ Daß man damit dem Evangelium ſeinen
weiteren Lauf hemme, machte ihm wenig Sorge: er meinte,
„ein Jeder müſſe auf ſeine Gefahr glauben,“ d. i. ſein Glaube
müſſe ſo ſtark ſeyn, daß er in der Gefahr aushalte. 1 Ganz
dieſer Meinung war nun auch Churfürſt Johann: ſie entſprach
der nur defenſiven Haltung, welche er von Anfang an genom-
men: ſeine Geſinnung war eine vollkommene innere Rechtfer-
tigung Bedürfniß. Durch die glänzende Ausbreitung des
1 Bedenken von Luther und Juſtus Jonas. De Wette IV,
339. In einem etwas ſpaͤtern Bedenken fuͤhrt er ſeinen Fuͤrſten im
Verhaͤltniß zu ihren Nachbarn den Grundſatz zu Gemuͤthe: quod
tibi non vis fieri, alteri ne feceris.
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