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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Fünftes Capitel.

Anfangs neigte sich der Rath mehr zu der bestehen-
den Ordnung der Dinge; aber am Ende riß auch ihn die
populäre Bewegung mit sich fort. Es waren die Zeiten,
wo man in Folge des Reichsschlusses von 1526 allenthal-
ben reformirte, namentlich auch in dem nahen Lüneburgi-
schen: Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel,
der sich ohne Zweifel widersetzt haben würde, war gerade
auf seinem Kriegszuge in Italien begriffen. Unter diesen
Umständen faßte der Rath 13. März 1528 den Beschluß,
daß in Zukunft nur das lautere Gotteswort gepredigt wer-
den solle, und man das Abendmahl wohl auch unter bei-
derlei Gestalt austheilen, die Taufe deutsch verwalten möge.
Von Wittenberg kam Dr. Bugenhagen herüber, um der
neuen Ordnung der Dinge eine Form auf immer in Lu-
thers Sinne zu geben. 1 Der Herzog von Lüneburg ver-
sprach der Stadt seinen Schutz. 2

So ging es nun in den meisten Städten dieser Lan-
desart. Ueberall erscheinen einzelne Prediger, dringen die
Lieder ein, nimmt die Gemeinde Antheil. Der Rath setzt
anfangs mehr oder minder Widerstand entgegen, fügt sich
aber am Ende. In Goßlar wurden funfzig Männer aus

1 Am ausführlichsten berichtet hierüber Rehtmeiers Kirchenhi-
storie der Stadt Braunschweig Thl. III, deren Quelle hiebei einen
gleichzeitigen Bericht von Heinrich Lampe, Prediger zu St. Michae-
lis ist, "was sich kurz vor und nach Annemung des h. Evangelii all-
hie zu Braunschweig in Kirchensachen zugetragen;" auch Gasmers
Leichenrede auf Lampe, die bei Lenz: Braunschweigs Kirchenreforma-
tion 1828, zu Grunde liegt, ist wohl hauptsächlich aus jenem Be-
richt gezogen.
2 Herzog Ernst erwähnt in einem Briefe 2. Februar 1531 ei-
ner frühern Verschreibung mit Braunschweig, worin sie einander zu-
gesagt: "in Sachen das göttliche Wort betreffend und was dem an-
hengig irs Leibs und Guts Vermögen bei einander aufzusetzen." (W. A.)
Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel.

Anfangs neigte ſich der Rath mehr zu der beſtehen-
den Ordnung der Dinge; aber am Ende riß auch ihn die
populäre Bewegung mit ſich fort. Es waren die Zeiten,
wo man in Folge des Reichsſchluſſes von 1526 allenthal-
ben reformirte, namentlich auch in dem nahen Lüneburgi-
ſchen: Herzog Heinrich von Braunſchweig-Wolfenbüttel,
der ſich ohne Zweifel widerſetzt haben würde, war gerade
auf ſeinem Kriegszuge in Italien begriffen. Unter dieſen
Umſtänden faßte der Rath 13. März 1528 den Beſchluß,
daß in Zukunft nur das lautere Gotteswort gepredigt wer-
den ſolle, und man das Abendmahl wohl auch unter bei-
derlei Geſtalt austheilen, die Taufe deutſch verwalten möge.
Von Wittenberg kam Dr. Bugenhagen herüber, um der
neuen Ordnung der Dinge eine Form auf immer in Lu-
thers Sinne zu geben. 1 Der Herzog von Lüneburg ver-
ſprach der Stadt ſeinen Schutz. 2

So ging es nun in den meiſten Städten dieſer Lan-
desart. Ueberall erſcheinen einzelne Prediger, dringen die
Lieder ein, nimmt die Gemeinde Antheil. Der Rath ſetzt
anfangs mehr oder minder Widerſtand entgegen, fügt ſich
aber am Ende. In Goßlar wurden funfzig Männer aus

1 Am ausfuͤhrlichſten berichtet hieruͤber Rehtmeiers Kirchenhi-
ſtorie der Stadt Braunſchweig Thl. III, deren Quelle hiebei einen
gleichzeitigen Bericht von Heinrich Lampe, Prediger zu St. Michae-
lis iſt, „was ſich kurz vor und nach Annemung des h. Evangelii all-
hie zu Braunſchweig in Kirchenſachen zugetragen;“ auch Gasmers
Leichenrede auf Lampe, die bei Lenz: Braunſchweigs Kirchenreforma-
tion 1828, zu Grunde liegt, iſt wohl hauptſaͤchlich aus jenem Be-
richt gezogen.
2 Herzog Ernſt erwaͤhnt in einem Briefe 2. Februar 1531 ei-
ner fruͤhern Verſchreibung mit Braunſchweig, worin ſie einander zu-
geſagt: „in Sachen das goͤttliche Wort betreffend und was dem an-
hengig irs Leibs und Guts Vermoͤgen bei einander aufzuſetzen.“ (W. A.)
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[380/0396] Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel. Anfangs neigte ſich der Rath mehr zu der beſtehen- den Ordnung der Dinge; aber am Ende riß auch ihn die populäre Bewegung mit ſich fort. Es waren die Zeiten, wo man in Folge des Reichsſchluſſes von 1526 allenthal- ben reformirte, namentlich auch in dem nahen Lüneburgi- ſchen: Herzog Heinrich von Braunſchweig-Wolfenbüttel, der ſich ohne Zweifel widerſetzt haben würde, war gerade auf ſeinem Kriegszuge in Italien begriffen. Unter dieſen Umſtänden faßte der Rath 13. März 1528 den Beſchluß, daß in Zukunft nur das lautere Gotteswort gepredigt wer- den ſolle, und man das Abendmahl wohl auch unter bei- derlei Geſtalt austheilen, die Taufe deutſch verwalten möge. Von Wittenberg kam Dr. Bugenhagen herüber, um der neuen Ordnung der Dinge eine Form auf immer in Lu- thers Sinne zu geben. 1 Der Herzog von Lüneburg ver- ſprach der Stadt ſeinen Schutz. 2 So ging es nun in den meiſten Städten dieſer Lan- desart. Ueberall erſcheinen einzelne Prediger, dringen die Lieder ein, nimmt die Gemeinde Antheil. Der Rath ſetzt anfangs mehr oder minder Widerſtand entgegen, fügt ſich aber am Ende. In Goßlar wurden funfzig Männer aus 1 Am ausfuͤhrlichſten berichtet hieruͤber Rehtmeiers Kirchenhi- ſtorie der Stadt Braunſchweig Thl. III, deren Quelle hiebei einen gleichzeitigen Bericht von Heinrich Lampe, Prediger zu St. Michae- lis iſt, „was ſich kurz vor und nach Annemung des h. Evangelii all- hie zu Braunſchweig in Kirchenſachen zugetragen;“ auch Gasmers Leichenrede auf Lampe, die bei Lenz: Braunſchweigs Kirchenreforma- tion 1828, zu Grunde liegt, iſt wohl hauptſaͤchlich aus jenem Be- richt gezogen. 2 Herzog Ernſt erwaͤhnt in einem Briefe 2. Februar 1531 ei- ner fruͤhern Verſchreibung mit Braunſchweig, worin ſie einander zu- geſagt: „in Sachen das goͤttliche Wort betreffend und was dem an- hengig irs Leibs und Guts Vermoͤgen bei einander aufzuſetzen.“ (W. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/396>, abgerufen am 24.11.2024.