Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll- kommen Sieger und Herren in der Eidgenossenschaft. Die Züricher entschlossen sich jetzt, den Paß über den Albis zu besetzen, und sammelten unter diesem Schutz ihre Kräfte. Gar bald hatten sie aus Eingebornen und Bundesgenossen ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba- sel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun diese Heere sich zu Bremgarten vereinigten, sahen die fünf Orte wohl, daß sie gegen so große Massen nichts ausrichten würden, verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben sich wie- der nach Zug, wo sie bei Bar am Boden lagerten.
Und nun schien es wohl, als könne von städtischer Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren Feinden nach. Allein wie sehr waren nun die Umstände verändert.
Die fünf Orte waren durch den ersten Sieg trotziger geworden, als sie jemals gewesen; dagegen bemerkte man, daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte überhaupt seine besten Leute; man sagte da wohl, man habe aus seinem Getreide den Roggen verloren; die Ber- ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke ging. Man versäumte den Feind in dem günstigen Mo- ment anzufallen, als er seine Stellung veränderte. Als man sich dann entschloß, das nunmehr sehr feste Lager des- selben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom
Sechstes Buch. Viertes Capitel.
Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll- kommen Sieger und Herren in der Eidgenoſſenſchaft. Die Züricher entſchloſſen ſich jetzt, den Paß über den Albis zu beſetzen, und ſammelten unter dieſem Schutz ihre Kräfte. Gar bald hatten ſie aus Eingebornen und Bundesgenoſſen ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba- ſel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun dieſe Heere ſich zu Bremgarten vereinigten, ſahen die fünf Orte wohl, daß ſie gegen ſo große Maſſen nichts ausrichten würden, verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben ſich wie- der nach Zug, wo ſie bei Bar am Boden lagerten.
Und nun ſchien es wohl, als könne von ſtädtiſcher Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren Feinden nach. Allein wie ſehr waren nun die Umſtände verändert.
Die fünf Orte waren durch den erſten Sieg trotziger geworden, als ſie jemals geweſen; dagegen bemerkte man, daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte überhaupt ſeine beſten Leute; man ſagte da wohl, man habe aus ſeinem Getreide den Roggen verloren; die Ber- ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke ging. Man verſäumte den Feind in dem günſtigen Mo- ment anzufallen, als er ſeine Stellung veränderte. Als man ſich dann entſchloß, das nunmehr ſehr feſte Lager deſ- ſelben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom
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Sechstes Buch. Viertes Capitel.
Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll-
kommen Sieger und Herren in der Eidgenoſſenſchaft. Die
Züricher entſchloſſen ſich jetzt, den Paß über den Albis zu
beſetzen, und ſammelten unter dieſem Schutz ihre Kräfte.
Gar bald hatten ſie aus Eingebornen und Bundesgenoſſen
ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern
aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba-
ſel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun dieſe Heere
ſich zu Bremgarten vereinigten, ſahen die fünf Orte wohl,
daß ſie gegen ſo große Maſſen nichts ausrichten würden,
verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben ſich wie-
der nach Zug, wo ſie bei Bar am Boden lagerten.
Und nun ſchien es wohl, als könne von ſtädtiſcher
Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli
immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren
Feinden nach. Allein wie ſehr waren nun die Umſtände
verändert.
Die fünf Orte waren durch den erſten Sieg trotziger
geworden, als ſie jemals geweſen; dagegen bemerkte man,
daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn
Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte
überhaupt ſeine beſten Leute; man ſagte da wohl, man
habe aus ſeinem Getreide den Roggen verloren; die Ber-
ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam
es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke
ging. Man verſäumte den Feind in dem günſtigen Mo-
ment anzufallen, als er ſeine Stellung veränderte. Als
man ſich dann entſchloß, das nunmehr ſehr feſte Lager deſ-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/382>, abgerufen am 24.11.2024.
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