Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Buch. Viertes Capitel.

Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll-
kommen Sieger und Herren in der Eidgenossenschaft. Die
Züricher entschlossen sich jetzt, den Paß über den Albis zu
besetzen, und sammelten unter diesem Schutz ihre Kräfte.
Gar bald hatten sie aus Eingebornen und Bundesgenossen
ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern
aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba-
sel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun diese Heere
sich zu Bremgarten vereinigten, sahen die fünf Orte wohl,
daß sie gegen so große Massen nichts ausrichten würden,
verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben sich wie-
der nach Zug, wo sie bei Bar am Boden lagerten.

Und nun schien es wohl, als könne von städtischer
Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli
immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren
Feinden nach. Allein wie sehr waren nun die Umstände
verändert.

Die fünf Orte waren durch den ersten Sieg trotziger
geworden, als sie jemals gewesen; dagegen bemerkte man,
daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn
Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte
überhaupt seine besten Leute; man sagte da wohl, man
habe aus seinem Getreide den Roggen verloren; die Ber-
ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam
es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke
ging. Man versäumte den Feind in dem günstigen Mo-
ment anzufallen, als er seine Stellung veränderte. Als
man sich dann entschloß, das nunmehr sehr feste Lager des-
selben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom

Sechstes Buch. Viertes Capitel.

Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll-
kommen Sieger und Herren in der Eidgenoſſenſchaft. Die
Züricher entſchloſſen ſich jetzt, den Paß über den Albis zu
beſetzen, und ſammelten unter dieſem Schutz ihre Kräfte.
Gar bald hatten ſie aus Eingebornen und Bundesgenoſſen
ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern
aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba-
ſel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun dieſe Heere
ſich zu Bremgarten vereinigten, ſahen die fünf Orte wohl,
daß ſie gegen ſo große Maſſen nichts ausrichten würden,
verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben ſich wie-
der nach Zug, wo ſie bei Bar am Boden lagerten.

Und nun ſchien es wohl, als könne von ſtädtiſcher
Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli
immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren
Feinden nach. Allein wie ſehr waren nun die Umſtände
verändert.

Die fünf Orte waren durch den erſten Sieg trotziger
geworden, als ſie jemals geweſen; dagegen bemerkte man,
daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn
Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte
überhaupt ſeine beſten Leute; man ſagte da wohl, man
habe aus ſeinem Getreide den Roggen verloren; die Ber-
ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam
es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke
ging. Man verſäumte den Feind in dem günſtigen Mo-
ment anzufallen, als er ſeine Stellung veränderte. Als
man ſich dann entſchloß, das nunmehr ſehr feſte Lager deſ-
ſelben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0382" n="366"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll-<lb/>
kommen Sieger und Herren in der Eidgeno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. Die<lb/>
Züricher ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich jetzt, den Paß über den Albis zu<lb/>
be&#x017F;etzen, und &#x017F;ammelten unter die&#x017F;em Schutz ihre Kräfte.<lb/>
Gar bald hatten &#x017F;ie aus Eingebornen und Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern<lb/>
aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba-<lb/>
&#x017F;el und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun die&#x017F;e Heere<lb/>
&#x017F;ich zu Bremgarten vereinigten, &#x017F;ahen die fünf Orte wohl,<lb/>
daß &#x017F;ie gegen &#x017F;o große Ma&#x017F;&#x017F;en nichts ausrichten würden,<lb/>
verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben &#x017F;ich wie-<lb/>
der nach Zug, wo &#x017F;ie bei Bar am Boden lagerten.</p><lb/>
          <p>Und nun &#x017F;chien es wohl, als könne von &#x017F;tädti&#x017F;cher<lb/>
Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli<lb/>
immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren<lb/>
Feinden nach. Allein wie &#x017F;ehr waren nun die Um&#x017F;tände<lb/>
verändert.</p><lb/>
          <p>Die fünf Orte waren durch den er&#x017F;ten Sieg trotziger<lb/>
geworden, als &#x017F;ie jemals gewe&#x017F;en; dagegen bemerkte man,<lb/>
daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn<lb/>
Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte<lb/>
überhaupt &#x017F;eine be&#x017F;ten Leute; man &#x017F;agte da wohl, man<lb/>
habe aus &#x017F;einem Getreide den Roggen verloren; die Ber-<lb/>
ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam<lb/>
es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke<lb/>
ging. Man ver&#x017F;äumte den Feind in dem gün&#x017F;tigen Mo-<lb/>
ment anzufallen, als er &#x017F;eine Stellung veränderte. Als<lb/>
man &#x017F;ich dann ent&#x017F;chloß, das nunmehr &#x017F;ehr fe&#x017F;te Lager de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0382] Sechstes Buch. Viertes Capitel. Damit waren jedoch die fünf Orte noch nicht voll- kommen Sieger und Herren in der Eidgenoſſenſchaft. Die Züricher entſchloſſen ſich jetzt, den Paß über den Albis zu beſetzen, und ſammelten unter dieſem Schutz ihre Kräfte. Gar bald hatten ſie aus Eingebornen und Bundesgenoſſen ein Heer von 12000 M. im Feld. Indeß war auch Bern aufgebrochen. Man berechnet die Schaar von Bern, Ba- ſel und Biel auf eine gleiche Anzahl. Wie nun dieſe Heere ſich zu Bremgarten vereinigten, ſahen die fünf Orte wohl, daß ſie gegen ſo große Maſſen nichts ausrichten würden, verließen die ausgeplünderten Gebiete und begaben ſich wie- der nach Zug, wo ſie bei Bar am Boden lagerten. Und nun ſchien es wohl, als könne von ſtädtiſcher Seite ein Angriffskrieg geführt werden, wie ihn Zwingli immer gerathen hatte. Die Städte zogen in der That ihren Feinden nach. Allein wie ſehr waren nun die Umſtände verändert. Die fünf Orte waren durch den erſten Sieg trotziger geworden, als ſie jemals geweſen; dagegen bemerkte man, daß es unter den Städten an einem Antrieb fehlte, wie ihn Zwingli vielleicht gegeben haben würde. Zürich vermißte überhaupt ſeine beſten Leute; man ſagte da wohl, man habe aus ſeinem Getreide den Roggen verloren; die Ber- ner hatten niemals großen Kriegseifer gezeigt. So kam es, daß man nicht mit dem nöthigen Nachdruck zu Werke ging. Man verſäumte den Feind in dem günſtigen Mo- ment anzufallen, als er ſeine Stellung veränderte. Als man ſich dann entſchloß, das nunmehr ſehr feſte Lager deſ- ſelben von zwei Seiten zugleich, vom Zuger Berg und vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/382
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/382>, abgerufen am 24.11.2024.