gen des Proviants als Strafe für die fortdauernden Schmä- hungen festgesetzt hatte; eben diese Strafe wollten sie nun vollziehen. Die Vermittler, bei denen wir auch straßbur- gische Abgeordnete finden, machten den Vorschlag, daß man die Züchtigung der Schmähreden ihnen überlassen möge. Die Städte gingen das ein, die Länder waren nicht dazu zu bringen.
Es war kein Mittel zu erdenken: es mußte, und zwar nunmehr unter ganz andern Auspicien, als Zwingli ge- wünscht, zum Kriege kommen.
Im September hielten die Fünforte eine Tagsatzung zu Lucern, um darüber zu berathschlagen. Anfangs waren Uri, Schwytz, Unterwalden ob dem Wald gegen einen na- hen Aufbruch: Uri schlug sogar vor, die Beschlüsse des nächsten Reichstags zu erwarten. Aber Unterwalden nied dem Wald drang darauf, daß man unverzüglich den Krieg an die Hand nehmen müsse: und dahin ging zuletzt die all- gemeine Meinung. "Denn man könne nicht Hungers ver- derben, man müsse sich Leibesnahrung holen, man werde Leib und Leben daran binden." 1
Die Freunde der fünf Orte sahen ihr Vorhaben nicht ohne einige Furcht an. König Ferdinand besorgte, sie wür- den unterliegen und alsdann erst die allgemeine Verwirrung überhand nehmen.
Und gewiß waren sie die bei weitem geringere Anzahl: aber vor allem: sie hielten zusammen; die Oberhäupter waren durch gemeinschaftliches Interesse und gemeinschaftliche Ge- fahr auf das engste verbunden, ihre Gewalt durch die allge-
1 Bullinger III, 73. Der erste Angriff auf Bern war mehr von Obwalden ausgegangen.
Sechstes Buch. Viertes Capitel.
gen des Proviants als Strafe für die fortdauernden Schmä- hungen feſtgeſetzt hatte; eben dieſe Strafe wollten ſie nun vollziehen. Die Vermittler, bei denen wir auch ſtraßbur- giſche Abgeordnete finden, machten den Vorſchlag, daß man die Züchtigung der Schmähreden ihnen überlaſſen möge. Die Städte gingen das ein, die Länder waren nicht dazu zu bringen.
Es war kein Mittel zu erdenken: es mußte, und zwar nunmehr unter ganz andern Auſpicien, als Zwingli ge- wünſcht, zum Kriege kommen.
Im September hielten die Fünforte eine Tagſatzung zu Lucern, um darüber zu berathſchlagen. Anfangs waren Uri, Schwytz, Unterwalden ob dem Wald gegen einen na- hen Aufbruch: Uri ſchlug ſogar vor, die Beſchlüſſe des nächſten Reichstags zu erwarten. Aber Unterwalden nied dem Wald drang darauf, daß man unverzüglich den Krieg an die Hand nehmen müſſe: und dahin ging zuletzt die all- gemeine Meinung. „Denn man könne nicht Hungers ver- derben, man müſſe ſich Leibesnahrung holen, man werde Leib und Leben daran binden.“ 1
Die Freunde der fünf Orte ſahen ihr Vorhaben nicht ohne einige Furcht an. König Ferdinand beſorgte, ſie wür- den unterliegen und alsdann erſt die allgemeine Verwirrung überhand nehmen.
Und gewiß waren ſie die bei weitem geringere Anzahl: aber vor allem: ſie hielten zuſammen; die Oberhäupter waren durch gemeinſchaftliches Intereſſe und gemeinſchaftliche Ge- fahr auf das engſte verbunden, ihre Gewalt durch die allge-
1 Bullinger III, 73. Der erſte Angriff auf Bern war mehr von Obwalden ausgegangen.
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Sechstes Buch. Viertes Capitel.
gen des Proviants als Strafe für die fortdauernden Schmä-
hungen feſtgeſetzt hatte; eben dieſe Strafe wollten ſie nun
vollziehen. Die Vermittler, bei denen wir auch ſtraßbur-
giſche Abgeordnete finden, machten den Vorſchlag, daß man
die Züchtigung der Schmähreden ihnen überlaſſen möge.
Die Städte gingen das ein, die Länder waren nicht dazu
zu bringen.
Es war kein Mittel zu erdenken: es mußte, und zwar
nunmehr unter ganz andern Auſpicien, als Zwingli ge-
wünſcht, zum Kriege kommen.
Im September hielten die Fünforte eine Tagſatzung
zu Lucern, um darüber zu berathſchlagen. Anfangs waren
Uri, Schwytz, Unterwalden ob dem Wald gegen einen na-
hen Aufbruch: Uri ſchlug ſogar vor, die Beſchlüſſe des
nächſten Reichstags zu erwarten. Aber Unterwalden nied
dem Wald drang darauf, daß man unverzüglich den Krieg
an die Hand nehmen müſſe: und dahin ging zuletzt die all-
gemeine Meinung. „Denn man könne nicht Hungers ver-
derben, man müſſe ſich Leibesnahrung holen, man werde
Leib und Leben daran binden.“ 1
Die Freunde der fünf Orte ſahen ihr Vorhaben nicht
ohne einige Furcht an. König Ferdinand beſorgte, ſie wür-
den unterliegen und alsdann erſt die allgemeine Verwirrung
überhand nehmen.
Und gewiß waren ſie die bei weitem geringere Anzahl:
aber vor allem: ſie hielten zuſammen; die Oberhäupter waren
durch gemeinſchaftliches Intereſſe und gemeinſchaftliche Ge-
fahr auf das engſte verbunden, ihre Gewalt durch die allge-
1 Bullinger III, 73. Der erſte Angriff auf Bern war mehr
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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