er setzte durch, daß die Constafel den übrigen Zünften gleich gestellt wurde.
Nur durch so strenge Maaßregeln konnte in Zürich selbst die politisch-religiöse Einheit der öffentlichen Gewalt zu Stande gebracht werden, deren Zwingli bedurfte. Allein waren da nicht statt der offenen, geheime Gegenwirkungen unvermeid- lich? Gar bald sollte er sie zu fühlen bekommen.
Und noch bei weitem größere Schwierigkeiten setzte ihm das verbündete Bern entgegen, wo die Neigung zu den Jahrgeldern an und für sich tiefer eingewurzelt war, eine gewisse Eifersucht gegen Zürich sich immer wieder zeigte, die bisherige Absonderung der verschiedenen Cantone, wenn nicht eifrige doch zähe Vertheidiger fand.
Ich weiß nicht ob jener Plan, der doch so vortheilhaft für die Berner lautete, ihnen auch nur vorgelegt worden ist; in den Verhandlungen der Tagsatzungen wenigstens finde ich keine Spur desselben.
Da beschränkten sich die Forderungen der Bürgerstädte nur immer auf folgende drei: erstlich, daß die Lästerer ge- straft, zweitens, daß die armen Leute, die um des Glau- bens willen von Haus und Hof verjagt worden, wieder aufgenommen, endlich, daß auch in den jenseitigen Gebie- ten die Glaubenslehren der diesseitigen geduldet würden. 1 Forderungen, die ohne Zweifel in der Natur der Sache lagen. Denn welche Eidgenossenschaft konnte es geben, wo die Ei- nen den Eid der Andern nicht anerkannten; welche Rechtsge-
1 In Bullingers Chronik, welche schon für die frühern Au- toren fast immer die Hauptquelle und welche jetzt gedruckt ist, finden sich alle Verhandlungen. Sehr ungern entbehrt man die Fortsetzung des Zwinglischen Briefwechsels.
Sechstes Buch. Viertes Capitel.
er ſetzte durch, daß die Conſtafel den übrigen Zünften gleich geſtellt wurde.
Nur durch ſo ſtrenge Maaßregeln konnte in Zürich ſelbſt die politiſch-religiöſe Einheit der öffentlichen Gewalt zu Stande gebracht werden, deren Zwingli bedurfte. Allein waren da nicht ſtatt der offenen, geheime Gegenwirkungen unvermeid- lich? Gar bald ſollte er ſie zu fühlen bekommen.
Und noch bei weitem größere Schwierigkeiten ſetzte ihm das verbündete Bern entgegen, wo die Neigung zu den Jahrgeldern an und für ſich tiefer eingewurzelt war, eine gewiſſe Eiferſucht gegen Zürich ſich immer wieder zeigte, die bisherige Abſonderung der verſchiedenen Cantone, wenn nicht eifrige doch zähe Vertheidiger fand.
Ich weiß nicht ob jener Plan, der doch ſo vortheilhaft für die Berner lautete, ihnen auch nur vorgelegt worden iſt; in den Verhandlungen der Tagſatzungen wenigſtens finde ich keine Spur deſſelben.
Da beſchränkten ſich die Forderungen der Bürgerſtädte nur immer auf folgende drei: erſtlich, daß die Läſterer ge- ſtraft, zweitens, daß die armen Leute, die um des Glau- bens willen von Haus und Hof verjagt worden, wieder aufgenommen, endlich, daß auch in den jenſeitigen Gebie- ten die Glaubenslehren der dieſſeitigen geduldet würden. 1 Forderungen, die ohne Zweifel in der Natur der Sache lagen. Denn welche Eidgenoſſenſchaft konnte es geben, wo die Ei- nen den Eid der Andern nicht anerkannten; welche Rechtsge-
1 In Bullingers Chronik, welche ſchon fuͤr die fruͤhern Au- toren faſt immer die Hauptquelle und welche jetzt gedruckt iſt, finden ſich alle Verhandlungen. Sehr ungern entbehrt man die Fortſetzung des Zwingliſchen Briefwechſels.
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Sechstes Buch. Viertes Capitel.
er ſetzte durch, daß die Conſtafel den übrigen Zünften gleich
geſtellt wurde.
Nur durch ſo ſtrenge Maaßregeln konnte in Zürich ſelbſt
die politiſch-religiöſe Einheit der öffentlichen Gewalt zu Stande
gebracht werden, deren Zwingli bedurfte. Allein waren da
nicht ſtatt der offenen, geheime Gegenwirkungen unvermeid-
lich? Gar bald ſollte er ſie zu fühlen bekommen.
Und noch bei weitem größere Schwierigkeiten ſetzte ihm
das verbündete Bern entgegen, wo die Neigung zu den
Jahrgeldern an und für ſich tiefer eingewurzelt war, eine
gewiſſe Eiferſucht gegen Zürich ſich immer wieder zeigte, die
bisherige Abſonderung der verſchiedenen Cantone, wenn nicht
eifrige doch zähe Vertheidiger fand.
Ich weiß nicht ob jener Plan, der doch ſo vortheilhaft
für die Berner lautete, ihnen auch nur vorgelegt worden iſt;
in den Verhandlungen der Tagſatzungen wenigſtens finde
ich keine Spur deſſelben.
Da beſchränkten ſich die Forderungen der Bürgerſtädte
nur immer auf folgende drei: erſtlich, daß die Läſterer ge-
ſtraft, zweitens, daß die armen Leute, die um des Glau-
bens willen von Haus und Hof verjagt worden, wieder
aufgenommen, endlich, daß auch in den jenſeitigen Gebie-
ten die Glaubenslehren der dieſſeitigen geduldet würden. 1
Forderungen, die ohne Zweifel in der Natur der Sache lagen.
Denn welche Eidgenoſſenſchaft konnte es geben, wo die Ei-
nen den Eid der Andern nicht anerkannten; welche Rechtsge-
1 In Bullingers Chronik, welche ſchon fuͤr die fruͤhern Au-
toren faſt immer die Hauptquelle und welche jetzt gedruckt iſt, finden
ſich alle Verhandlungen. Sehr ungern entbehrt man die Fortſetzung
des Zwingliſchen Briefwechſels.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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