Der ganze Streit ward aus einem kirchlichen, allge- meinen, ein politischer, reichsrechtlicher; und zunächst auf diesem Boden hatten nun die Protestanten sich zu vereini- gen und ihren Widerstand zu organisiren.
Am 22. Dez. 1530 kamen Johann von Sachsen, Ernst von Lüneburg, Philipp von Hessen, Wolfgang von Anhalt, die Grafen Gebhard und Albrecht von Mansfeld, von de- nen der letztere zugleich die Stimme von Grubenhagen führte, so wie Abgeordnete Georgs von Brandenburg und meh- rerer Städte in Schmalkalden zusammen. Der Schnee mochte schon die Anhöhen bedecken, welche die Stadt um- geben. Es war kein Vergnügen, das Weihnachtsfest in diesem rauhen Bergland, diesem kleinen Grenzort zuzubringen.
Vor allem beschlossen sie nun hier, sobald Einer von ihnen in Sachen des Glaubens, von wem es auch seyn möge, namentlich von dem kaiserlichen Fiscal rechtlich be- langt werde, dem Angegriffenen sämmtlich gemeinschaftlichen Beistand zu leisten. 1 Sie setzten einige Exceptionen fest, die sie gleichmäßig vorwenden wollten; ein oder zwei Pre- curatoren am Kammergericht sollten mit der Sache beauf- tragt werden.
Dieß ist der Kern des Bundes; er zeigt am deutlich- sten, wie sich der Religionsstreit in einen Rechtsstreit ver- wandelte. Hiezu vereinigten sich alle, welche die augsbur-
1 Wo der kais. Fiscal, der Bund zu Schwaben oder Jemand anders J. Chf. und Fürstlichen Gnaden oder die gemeldten Städte, eine oder mehre, oder jemand von den Iren in Sachen unsern heil. Glauben oder was demselben anhanget (belangend), auf den aus- gegangenen Abschied fürnehmen und im Schein des Rechtens oder andere Wege beklagen würde -- das Ire aller Gn. und Gunsten ein- ander in solche beistendig räthlich und hülflich seyn sollen.
Sechstes Buch. Erſtes Capitel.
Der ganze Streit ward aus einem kirchlichen, allge- meinen, ein politiſcher, reichsrechtlicher; und zunächſt auf dieſem Boden hatten nun die Proteſtanten ſich zu vereini- gen und ihren Widerſtand zu organiſiren.
Am 22. Dez. 1530 kamen Johann von Sachſen, Ernſt von Lüneburg, Philipp von Heſſen, Wolfgang von Anhalt, die Grafen Gebhard und Albrecht von Mansfeld, von de- nen der letztere zugleich die Stimme von Grubenhagen führte, ſo wie Abgeordnete Georgs von Brandenburg und meh- rerer Städte in Schmalkalden zuſammen. Der Schnee mochte ſchon die Anhöhen bedecken, welche die Stadt um- geben. Es war kein Vergnügen, das Weihnachtsfeſt in dieſem rauhen Bergland, dieſem kleinen Grenzort zuzubringen.
Vor allem beſchloſſen ſie nun hier, ſobald Einer von ihnen in Sachen des Glaubens, von wem es auch ſeyn möge, namentlich von dem kaiſerlichen Fiscal rechtlich be- langt werde, dem Angegriffenen ſämmtlich gemeinſchaftlichen Beiſtand zu leiſten. 1 Sie ſetzten einige Exceptionen feſt, die ſie gleichmäßig vorwenden wollten; ein oder zwei Pre- curatoren am Kammergericht ſollten mit der Sache beauf- tragt werden.
Dieß iſt der Kern des Bundes; er zeigt am deutlich- ſten, wie ſich der Religionsſtreit in einen Rechtsſtreit ver- wandelte. Hiezu vereinigten ſich alle, welche die augsbur-
1 Wo der kaiſ. Fiscal, der Bund zu Schwaben oder Jemand anders J. Chf. und Fuͤrſtlichen Gnaden oder die gemeldten Staͤdte, eine oder mehre, oder jemand von den Iren in Sachen unſern heil. Glauben oder was demſelben anhanget (belangend), auf den aus- gegangenen Abſchied fuͤrnehmen und im Schein des Rechtens oder andere Wege beklagen wuͤrde — das Ire aller Gn. und Gunſten ein- ander in ſolche beiſtendig raͤthlich und huͤlflich ſeyn ſollen.
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Sechstes Buch. Erſtes Capitel.
Der ganze Streit ward aus einem kirchlichen, allge-
meinen, ein politiſcher, reichsrechtlicher; und zunächſt auf
dieſem Boden hatten nun die Proteſtanten ſich zu vereini-
gen und ihren Widerſtand zu organiſiren.
Am 22. Dez. 1530 kamen Johann von Sachſen, Ernſt
von Lüneburg, Philipp von Heſſen, Wolfgang von Anhalt,
die Grafen Gebhard und Albrecht von Mansfeld, von de-
nen der letztere zugleich die Stimme von Grubenhagen führte,
ſo wie Abgeordnete Georgs von Brandenburg und meh-
rerer Städte in Schmalkalden zuſammen. Der Schnee
mochte ſchon die Anhöhen bedecken, welche die Stadt um-
geben. Es war kein Vergnügen, das Weihnachtsfeſt in
dieſem rauhen Bergland, dieſem kleinen Grenzort zuzubringen.
Vor allem beſchloſſen ſie nun hier, ſobald Einer von
ihnen in Sachen des Glaubens, von wem es auch ſeyn
möge, namentlich von dem kaiſerlichen Fiscal rechtlich be-
langt werde, dem Angegriffenen ſämmtlich gemeinſchaftlichen
Beiſtand zu leiſten. 1 Sie ſetzten einige Exceptionen feſt,
die ſie gleichmäßig vorwenden wollten; ein oder zwei Pre-
curatoren am Kammergericht ſollten mit der Sache beauf-
tragt werden.
Dieß iſt der Kern des Bundes; er zeigt am deutlich-
ſten, wie ſich der Religionsſtreit in einen Rechtsſtreit ver-
wandelte. Hiezu vereinigten ſich alle, welche die augsbur-
1 Wo der kaiſ. Fiscal, der Bund zu Schwaben oder Jemand
anders J. Chf. und Fuͤrſtlichen Gnaden oder die gemeldten Staͤdte,
eine oder mehre, oder jemand von den Iren in Sachen unſern heil.
Glauben oder was demſelben anhanget (belangend), auf den aus-
gegangenen Abſchied fuͤrnehmen und im Schein des Rechtens oder
andere Wege beklagen wuͤrde — das Ire aller Gn. und Gunſten ein-
ander in ſolche beiſtendig raͤthlich und huͤlflich ſeyn ſollen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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