Abendland eben von dem gewaltigsten Feinde angegriffen, den es jemals gehabt. Mochte man nun auch sagen was man wollte, so gehörten auch sie, obwohl man sie ver- warf, zu der gefährdeten, angegriffenen Gesammtheit; eben in ihnen repräsentirte sich ein neuer Moment der Cultur, welche der barbarische Feind zu vertilgen gesonnen war; Europa konnte und wollte ihrer Hülfe nicht entbehren.
Endlich aber: die Einheit, in der die katholische Chri- stenheit noch einmal erschien, war nur das Produkt eines Momentes, glücklicher Siege, und rascher, treffender Po- litik. Ließ sich wohl erwarten, daß dieser Friede zu ernst- lichem Zusammenwirken führen, oder auch daß er nur lange dauern würde?
Ich glaube nicht, daß irgend Jemandem von den da- mals Lebenden diese Lage der Dinge zu vollem Bewußt- seyn gekommen ist. Ein Gefühl davon hatte wohl am er- sten noch Landgraf Philipp. Die Uebrigen gingen, ohne weiter viel um sich zu sehen, mit ihrem Gewissen zu Rathe.
Sowohl für diese aber, als für die allgemeine Ent- wickelung kam nun zunächst alles darauf an, daß sich ein Kern des Widerstandes festsetzte, um nicht von dem ersten Sturme überwältigt zu werden, um die Gunst der Um- stände, die jetzt den Gegnern zu Statten gekommen, für ein ander Mal auch diesseit benutzen zu können.
Vorwort.
Abendland eben von dem gewaltigſten Feinde angegriffen, den es jemals gehabt. Mochte man nun auch ſagen was man wollte, ſo gehörten auch ſie, obwohl man ſie ver- warf, zu der gefährdeten, angegriffenen Geſammtheit; eben in ihnen repräſentirte ſich ein neuer Moment der Cultur, welche der barbariſche Feind zu vertilgen geſonnen war; Europa konnte und wollte ihrer Hülfe nicht entbehren.
Endlich aber: die Einheit, in der die katholiſche Chri- ſtenheit noch einmal erſchien, war nur das Produkt eines Momentes, glücklicher Siege, und raſcher, treffender Po- litik. Ließ ſich wohl erwarten, daß dieſer Friede zu ernſt- lichem Zuſammenwirken führen, oder auch daß er nur lange dauern würde?
Ich glaube nicht, daß irgend Jemandem von den da- mals Lebenden dieſe Lage der Dinge zu vollem Bewußt- ſeyn gekommen iſt. Ein Gefühl davon hatte wohl am er- ſten noch Landgraf Philipp. Die Uebrigen gingen, ohne weiter viel um ſich zu ſehen, mit ihrem Gewiſſen zu Rathe.
Sowohl für dieſe aber, als für die allgemeine Ent- wickelung kam nun zunächſt alles darauf an, daß ſich ein Kern des Widerſtandes feſtſetzte, um nicht von dem erſten Sturme überwältigt zu werden, um die Gunſt der Um- ſtände, die jetzt den Gegnern zu Statten gekommen, für ein ander Mal auch dieſſeit benutzen zu können.
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Vorwort.
Abendland eben von dem gewaltigſten Feinde angegriffen,
den es jemals gehabt. Mochte man nun auch ſagen was
man wollte, ſo gehörten auch ſie, obwohl man ſie ver-
warf, zu der gefährdeten, angegriffenen Geſammtheit; eben
in ihnen repräſentirte ſich ein neuer Moment der Cultur,
welche der barbariſche Feind zu vertilgen geſonnen war;
Europa konnte und wollte ihrer Hülfe nicht entbehren.
Endlich aber: die Einheit, in der die katholiſche Chri-
ſtenheit noch einmal erſchien, war nur das Produkt eines
Momentes, glücklicher Siege, und raſcher, treffender Po-
litik. Ließ ſich wohl erwarten, daß dieſer Friede zu ernſt-
lichem Zuſammenwirken führen, oder auch daß er nur lange
dauern würde?
Ich glaube nicht, daß irgend Jemandem von den da-
mals Lebenden dieſe Lage der Dinge zu vollem Bewußt-
ſeyn gekommen iſt. Ein Gefühl davon hatte wohl am er-
ſten noch Landgraf Philipp. Die Uebrigen gingen, ohne
weiter viel um ſich zu ſehen, mit ihrem Gewiſſen zu Rathe.
Sowohl für dieſe aber, als für die allgemeine Ent-
wickelung kam nun zunächſt alles darauf an, daß ſich ein
Kern des Widerſtandes feſtſetzte, um nicht von dem erſten
Sturme überwältigt zu werden, um die Gunſt der Um-
ſtände, die jetzt den Gegnern zu Statten gekommen, für
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/317>, abgerufen am 22.11.2024.
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