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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Vermittelungsversuch.
tung erschwert, daß auch das Kirchenregiment von den Für-
sten nicht hinreichend gehandhabt werden könne, ihnen so-
gar zu viel koste. Die protestantischen Theologen und Für-
sten erklärten sich bereit, den Bischöfen ihre Jurisdiction,
geistlichen Bann, Aussicht über die Pfarren zurückzugeben,
vorausgesetzt, daß man das Evangelium frei verkündigen
dürfe. 1 Sie waren selbst geneigt, nicht weil es ein Got-
tesdienst sey, aber der guten Ordnung halber, die Fasten
beobachten und in Hinsicht der Beichte die Leute anweisen
zu lassen, alle Fälle zu bekennen, in denen sie besondern
Trostes bedürftig seyen.

Vorschläge, die doch in der That eine Herstellung der
Aeußerlichkeiten der Kirche einschlossen, welche man gar
nicht mehr hätte erwarten sollen.

Und auch den Vorwurf sollte man nicht wiederholen,
daß die Herstellung der eingezogenen Klostergüter die Ver-
söhnung verhindert habe. Obwohl die Protestanten den
Gegnern einwarfen, daß von ihrer Seite noch schlimmere
Beraubungen vorgekommen, z. B. die Besetzung des Bis-
thums Utrecht durch den Kaiser, was bei weitem mehr
sagen wolle, als Einziehung von ein paar Klöstern, da
die Kirche auf die Bischöfe, nicht auf die Mönche gegrün-
det sey, so erbot sich am Ende doch der Churfürst von
Sachsen, alle eingezogenen Klöster einer Sequestration zu

1 Unvorgreifliche Antwort bei Förstemann II, 256. Vgl. mit
dem Bedenken, ebendas. p. 245, p. 75. Aus dem letzten ergiebt sich,
daß sie doch alle hierarchischen Einrichtungen ausdrücklich vom mensch-
lichen Rechte herleiten wollten, gleichwie das Papstthum selbst, das
man aber dann dulden könne. In wie fern Luther hiemit überein-
stimmte, zeigt ein von ihm unterzeichnetes Bedenken bei Walch XX, 2178

Vermittelungsverſuch.
tung erſchwert, daß auch das Kirchenregiment von den Für-
ſten nicht hinreichend gehandhabt werden könne, ihnen ſo-
gar zu viel koſte. Die proteſtantiſchen Theologen und Für-
ſten erklärten ſich bereit, den Biſchöfen ihre Jurisdiction,
geiſtlichen Bann, Auſſicht über die Pfarren zurückzugeben,
vorausgeſetzt, daß man das Evangelium frei verkündigen
dürfe. 1 Sie waren ſelbſt geneigt, nicht weil es ein Got-
tesdienſt ſey, aber der guten Ordnung halber, die Faſten
beobachten und in Hinſicht der Beichte die Leute anweiſen
zu laſſen, alle Fälle zu bekennen, in denen ſie beſondern
Troſtes bedürftig ſeyen.

Vorſchläge, die doch in der That eine Herſtellung der
Aeußerlichkeiten der Kirche einſchloſſen, welche man gar
nicht mehr hätte erwarten ſollen.

Und auch den Vorwurf ſollte man nicht wiederholen,
daß die Herſtellung der eingezogenen Kloſtergüter die Ver-
ſöhnung verhindert habe. Obwohl die Proteſtanten den
Gegnern einwarfen, daß von ihrer Seite noch ſchlimmere
Beraubungen vorgekommen, z. B. die Beſetzung des Bis-
thums Utrecht durch den Kaiſer, was bei weitem mehr
ſagen wolle, als Einziehung von ein paar Klöſtern, da
die Kirche auf die Biſchöfe, nicht auf die Mönche gegrün-
det ſey, ſo erbot ſich am Ende doch der Churfürſt von
Sachſen, alle eingezogenen Klöſter einer Sequeſtration zu

1 Unvorgreifliche Antwort bei Foͤrſtemann II, 256. Vgl. mit
dem Bedenken, ebendaſ. p. 245, p. 75. Aus dem letzten ergiebt ſich,
daß ſie doch alle hierarchiſchen Einrichtungen ausdruͤcklich vom menſch-
lichen Rechte herleiten wollten, gleichwie das Papſtthum ſelbſt, das
man aber dann dulden koͤnne. In wie fern Luther hiemit uͤberein-
ſtimmte, zeigt ein von ihm unterzeichnetes Bedenken bei Walch XX, 2178
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[277/0293] Vermittelungsverſuch. tung erſchwert, daß auch das Kirchenregiment von den Für- ſten nicht hinreichend gehandhabt werden könne, ihnen ſo- gar zu viel koſte. Die proteſtantiſchen Theologen und Für- ſten erklärten ſich bereit, den Biſchöfen ihre Jurisdiction, geiſtlichen Bann, Auſſicht über die Pfarren zurückzugeben, vorausgeſetzt, daß man das Evangelium frei verkündigen dürfe. 1 Sie waren ſelbſt geneigt, nicht weil es ein Got- tesdienſt ſey, aber der guten Ordnung halber, die Faſten beobachten und in Hinſicht der Beichte die Leute anweiſen zu laſſen, alle Fälle zu bekennen, in denen ſie beſondern Troſtes bedürftig ſeyen. Vorſchläge, die doch in der That eine Herſtellung der Aeußerlichkeiten der Kirche einſchloſſen, welche man gar nicht mehr hätte erwarten ſollen. Und auch den Vorwurf ſollte man nicht wiederholen, daß die Herſtellung der eingezogenen Kloſtergüter die Ver- ſöhnung verhindert habe. Obwohl die Proteſtanten den Gegnern einwarfen, daß von ihrer Seite noch ſchlimmere Beraubungen vorgekommen, z. B. die Beſetzung des Bis- thums Utrecht durch den Kaiſer, was bei weitem mehr ſagen wolle, als Einziehung von ein paar Klöſtern, da die Kirche auf die Biſchöfe, nicht auf die Mönche gegrün- det ſey, ſo erbot ſich am Ende doch der Churfürſt von Sachſen, alle eingezogenen Klöſter einer Sequeſtration zu 1 Unvorgreifliche Antwort bei Foͤrſtemann II, 256. Vgl. mit dem Bedenken, ebendaſ. p. 245, p. 75. Aus dem letzten ergiebt ſich, daß ſie doch alle hierarchiſchen Einrichtungen ausdruͤcklich vom menſch- lichen Rechte herleiten wollten, gleichwie das Papſtthum ſelbſt, das man aber dann dulden koͤnne. In wie fern Luther hiemit uͤberein- ſtimmte, zeigt ein von ihm unterzeichnetes Bedenken bei Walch XX, 2178

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/293>, abgerufen am 24.11.2024.