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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.
zugehen, die man zwar in einem Sinne faßte, der den
Grundanschauungen der alten lateinischen Kirche entsprach,
aber bei dem die Ideen und Bildungen der letzten hier-
archischen Jahrhunderte nicht bestehen konnten, so bequem-
ten sich jetzt auch die Gegner, einige der schroffsten Aus-
wüchse der Lehre fallen zu lassen, auf die Abschaffung der
Mißbräuche zu denken, welche ohnehin zu so vielen Irrun-
gen zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten geführt hat-
ten, aber übrigens blieben sie dabei, daß das ganze hierar-
chische System von unmittelbar göttlichem Ursprung sey.
Wir sehen sie nach einer Methode suchen, denn in der That
hatten sie eine solche noch nicht gefunden, um die Ueberein-
stimmung ihres Systemes mit der Schrift nachzuweisen.

Und dieß hätte nun so viel nicht zu sagen gehabt,
wenn es dabei blos auf Vertheidigung abgesehen gewesen
wäre. Allein mit Nichten. Die Majorität erklärte nicht
allein, sie finde diese Meinung recht und katholisch, mit
dem Evangelium übereinstimmend, sondern sie forderte nun
auch, daß die protestantische Minorität die widerlegten Ar-
tikel ihrer Confession fahren lassen, und mit der allgemei-
nen rechtgläubigen Kirche einförmig glauben solle. Auf den
Nachweis der Uebereinstimmung mit dem Wesentlichen, Al-
ten, Ursprünglichen ward keine Rücksicht genommen, so
lange noch die geringste Differenz, wenn auch nur in dem
Zufälligen, Unwesentlichen zu bemerken war. Alles was
im Laufe der Zeit, entweder in dem unabweislichen Drange
der Ereignisse oder auf den Grund legaler Bestimmungen
einer andern Reichsversammlung abgeändert worden, sollte
wieder hergestellt werden. Der Kaiser, dem die Idee als

Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
zugehen, die man zwar in einem Sinne faßte, der den
Grundanſchauungen der alten lateiniſchen Kirche entſprach,
aber bei dem die Ideen und Bildungen der letzten hier-
archiſchen Jahrhunderte nicht beſtehen konnten, ſo bequem-
ten ſich jetzt auch die Gegner, einige der ſchroffſten Aus-
wüchſe der Lehre fallen zu laſſen, auf die Abſchaffung der
Mißbräuche zu denken, welche ohnehin zu ſo vielen Irrun-
gen zwiſchen geiſtlichen und weltlichen Fürſten geführt hat-
ten, aber übrigens blieben ſie dabei, daß das ganze hierar-
chiſche Syſtem von unmittelbar göttlichem Urſprung ſey.
Wir ſehen ſie nach einer Methode ſuchen, denn in der That
hatten ſie eine ſolche noch nicht gefunden, um die Ueberein-
ſtimmung ihres Syſtemes mit der Schrift nachzuweiſen.

Und dieß hätte nun ſo viel nicht zu ſagen gehabt,
wenn es dabei blos auf Vertheidigung abgeſehen geweſen
wäre. Allein mit Nichten. Die Majorität erklärte nicht
allein, ſie finde dieſe Meinung recht und katholiſch, mit
dem Evangelium übereinſtimmend, ſondern ſie forderte nun
auch, daß die proteſtantiſche Minorität die widerlegten Ar-
tikel ihrer Confeſſion fahren laſſen, und mit der allgemei-
nen rechtgläubigen Kirche einförmig glauben ſolle. Auf den
Nachweis der Uebereinſtimmung mit dem Weſentlichen, Al-
ten, Urſprünglichen ward keine Rückſicht genommen, ſo
lange noch die geringſte Differenz, wenn auch nur in dem
Zufälligen, Unweſentlichen zu bemerken war. Alles was
im Laufe der Zeit, entweder in dem unabweislichen Drange
der Ereigniſſe oder auf den Grund legaler Beſtimmungen
einer andern Reichsverſammlung abgeändert worden, ſollte
wieder hergeſtellt werden. Der Kaiſer, dem die Idee als

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[256/0272] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. zugehen, die man zwar in einem Sinne faßte, der den Grundanſchauungen der alten lateiniſchen Kirche entſprach, aber bei dem die Ideen und Bildungen der letzten hier- archiſchen Jahrhunderte nicht beſtehen konnten, ſo bequem- ten ſich jetzt auch die Gegner, einige der ſchroffſten Aus- wüchſe der Lehre fallen zu laſſen, auf die Abſchaffung der Mißbräuche zu denken, welche ohnehin zu ſo vielen Irrun- gen zwiſchen geiſtlichen und weltlichen Fürſten geführt hat- ten, aber übrigens blieben ſie dabei, daß das ganze hierar- chiſche Syſtem von unmittelbar göttlichem Urſprung ſey. Wir ſehen ſie nach einer Methode ſuchen, denn in der That hatten ſie eine ſolche noch nicht gefunden, um die Ueberein- ſtimmung ihres Syſtemes mit der Schrift nachzuweiſen. Und dieß hätte nun ſo viel nicht zu ſagen gehabt, wenn es dabei blos auf Vertheidigung abgeſehen geweſen wäre. Allein mit Nichten. Die Majorität erklärte nicht allein, ſie finde dieſe Meinung recht und katholiſch, mit dem Evangelium übereinſtimmend, ſondern ſie forderte nun auch, daß die proteſtantiſche Minorität die widerlegten Ar- tikel ihrer Confeſſion fahren laſſen, und mit der allgemei- nen rechtgläubigen Kirche einförmig glauben ſolle. Auf den Nachweis der Uebereinſtimmung mit dem Weſentlichen, Al- ten, Urſprünglichen ward keine Rückſicht genommen, ſo lange noch die geringſte Differenz, wenn auch nur in dem Zufälligen, Unweſentlichen zu bemerken war. Alles was im Laufe der Zeit, entweder in dem unabweislichen Drange der Ereigniſſe oder auf den Grund legaler Beſtimmungen einer andern Reichsverſammlung abgeändert worden, ſollte wieder hergeſtellt werden. Der Kaiſer, dem die Idee als

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/272>, abgerufen am 24.11.2024.