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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.

So vollkommen aber waren die beiden Brüder mit
nichten Meister der Versammlung, um dieß durchsetzen zu
können.

Die Majorität, die sich in Speier gebildet, und sich
hier noch enger zusammenschloß, sah sich als rechtmäßige In-
haberin der Reichsgewalt an. Gegen die beiden Brüder,
deren katholischer Eifer ihr höchlich erwünscht war, fand
sie doch sonst gar manches Andre zu erinnern. Namentlich
hatte Ferdinand päpstliche Bewilligungen geistlicher Einkünfte
ausgebracht, wie sie wohl in Spanien durchgingen, aber
in Deutschland unerhört waren, und die nun in der ge-
sammten Geistlichkeit Mißvergnügen und Widerstand her-
vorriefen. Die Majorität lehnte ab, sich als Partei zu
constituiren, und den Kaiser als Richter zwischen ihr und
den Protestanten anzuerkennen. Sie meinte, sie habe nichts
Neues vorzutragen; sie habe sich nur an das kaiserliche
Edict gehalten: brauche der Kaiser eine Anklage, so möge
er sie von der Uebertretung seines Edictes hernehmen. Viel-
mehr, wie es immer das Herkommen gewesen, daß der
Kaiser den Meinungen der Reichsversammlung beitrat, so
war sie der Ansicht, daß der Kaiser auch jetzt ihr Interesse
zu dem seinigen zu machen habe. Das wollte es sagen,
wenn sie ihn ersuchte, in dieser Sache mit der Churfürsten
Fürsten und Stände Rath aus kaiserlicher Machtvollkom-
menheit zu procediren. Es kümmerte sie wenig, daß dieß
den Worten des Ausschreibens widersprach. Waren diese
doch nicht von ihr ausgegangen. Der Kaiser konnte in
der That nicht anders als jene Idee einer gleichsam rich-
terlichen Vermittelung fahren lassen.


Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.

So vollkommen aber waren die beiden Brüder mit
nichten Meiſter der Verſammlung, um dieß durchſetzen zu
können.

Die Majorität, die ſich in Speier gebildet, und ſich
hier noch enger zuſammenſchloß, ſah ſich als rechtmäßige In-
haberin der Reichsgewalt an. Gegen die beiden Brüder,
deren katholiſcher Eifer ihr höchlich erwünſcht war, fand
ſie doch ſonſt gar manches Andre zu erinnern. Namentlich
hatte Ferdinand päpſtliche Bewilligungen geiſtlicher Einkünfte
ausgebracht, wie ſie wohl in Spanien durchgingen, aber
in Deutſchland unerhört waren, und die nun in der ge-
ſammten Geiſtlichkeit Mißvergnügen und Widerſtand her-
vorriefen. Die Majorität lehnte ab, ſich als Partei zu
conſtituiren, und den Kaiſer als Richter zwiſchen ihr und
den Proteſtanten anzuerkennen. Sie meinte, ſie habe nichts
Neues vorzutragen; ſie habe ſich nur an das kaiſerliche
Edict gehalten: brauche der Kaiſer eine Anklage, ſo möge
er ſie von der Uebertretung ſeines Edictes hernehmen. Viel-
mehr, wie es immer das Herkommen geweſen, daß der
Kaiſer den Meinungen der Reichsverſammlung beitrat, ſo
war ſie der Anſicht, daß der Kaiſer auch jetzt ihr Intereſſe
zu dem ſeinigen zu machen habe. Das wollte es ſagen,
wenn ſie ihn erſuchte, in dieſer Sache mit der Churfürſten
Fürſten und Stände Rath aus kaiſerlicher Machtvollkom-
menheit zu procediren. Es kümmerte ſie wenig, daß dieß
den Worten des Ausſchreibens widerſprach. Waren dieſe
doch nicht von ihr ausgegangen. Der Kaiſer konnte in
der That nicht anders als jene Idee einer gleichſam rich-
terlichen Vermittelung fahren laſſen.


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[250/0266] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. So vollkommen aber waren die beiden Brüder mit nichten Meiſter der Verſammlung, um dieß durchſetzen zu können. Die Majorität, die ſich in Speier gebildet, und ſich hier noch enger zuſammenſchloß, ſah ſich als rechtmäßige In- haberin der Reichsgewalt an. Gegen die beiden Brüder, deren katholiſcher Eifer ihr höchlich erwünſcht war, fand ſie doch ſonſt gar manches Andre zu erinnern. Namentlich hatte Ferdinand päpſtliche Bewilligungen geiſtlicher Einkünfte ausgebracht, wie ſie wohl in Spanien durchgingen, aber in Deutſchland unerhört waren, und die nun in der ge- ſammten Geiſtlichkeit Mißvergnügen und Widerſtand her- vorriefen. Die Majorität lehnte ab, ſich als Partei zu conſtituiren, und den Kaiſer als Richter zwiſchen ihr und den Proteſtanten anzuerkennen. Sie meinte, ſie habe nichts Neues vorzutragen; ſie habe ſich nur an das kaiſerliche Edict gehalten: brauche der Kaiſer eine Anklage, ſo möge er ſie von der Uebertretung ſeines Edictes hernehmen. Viel- mehr, wie es immer das Herkommen geweſen, daß der Kaiſer den Meinungen der Reichsverſammlung beitrat, ſo war ſie der Anſicht, daß der Kaiſer auch jetzt ihr Intereſſe zu dem ſeinigen zu machen habe. Das wollte es ſagen, wenn ſie ihn erſuchte, in dieſer Sache mit der Churfürſten Fürſten und Stände Rath aus kaiſerlicher Machtvollkom- menheit zu procediren. Es kümmerte ſie wenig, daß dieß den Worten des Ausſchreibens widerſprach. Waren dieſe doch nicht von ihr ausgegangen. Der Kaiſer konnte in der That nicht anders als jene Idee einer gleichſam rich- terlichen Vermittelung fahren laſſen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/266>, abgerufen am 24.11.2024.